Die Wien-Wahl ist ein entscheidender Gradmesser für die politische Situation in Österreich. Wie und mit welchen inhaltlichen Schwerpunkten der Wahlkampf geführt wird und welche Politik die Stadt in den nächsten Jahren prägt, ist nicht nur für alle in Wien lebenden Menschen von großer Bedeutung, sondern hat weit über den lokalen Kontext hinaus Signalwirkung. In zugespitzter Form schlagen sich bei dieser Wahl die parteipolitischen Tendenzen der letzten Jahre und Jahrzehnte nieder: Aufgrund ihrer anhaltenden Krise ist die Sozialdemokratie mehr denn je vom Erhalt ihrer starken Machtposition und des Mythos Rotes Wien abhängig.
Gentrifizierung gibt es in Wien nicht, meint die sozialdemokratische Stadtverwaltung. Über diese Realitätsverweigerung sprachen Katharina Hajek und Felix Wiegand mit Jakob Weingartner, der sich intensiv mit dieser Frage auseinander gesetzt hat. Er erklärt, was das Wiener Brunnenviertel mit der New Yorker Lower East Side zu tun haben könnte, inwiefern sich ImmobilieninvestorInnen und die Sanfte Stadterneuerung perfekt ergänzen und welche Rolle [...]
Wien ist eine migrantische Stadt. Die Stadtpolitik reagiert darauf in jüngerer Vergangenheit mit diversitätspolitischen Maßnahmen. Dass diese nichts Grundlegendes an der Ausgrenzung und rassistischen Diskriminierung von MigrantInnen ändern, zeigen Assimina Gouma, Petra Neuhold, Paul Scheibelhofer und Gerd Valchars von der Forschungsgruppe Kritische Migrationsforschung [KriMi].
Die neue Ausgabe von Perspektiven erscheint in einer veränderten politischen Landschaft: die Regierung Schüssel ist Geschichte. Der Wahlsieg Alfred Gusenbauers, trotz Bawag-Skandal und Gewerkschaftskrise, war vor allem eine deutliche Absage an die schwarz-blau-orange Politik der vergangenen sechs Jahre. Der Wahlkampf der SPÖ war der vielleicht „linkeste“ seit langem, mit Studiengebühren und Eurofighter wurden zwei symbolträchtige Projekte der Rechtsregierung angegriffen. Die Hoffnungen auf einen tatsächlichen Politikwechsel unter einem „roten“ Kanzler waren groß – und sie wurden bitter enttäuscht. „Links blinken, rechts abbiegen“ war das Motto der SPÖ: Praktisch alle Wahlversprechen wurden gebrochen, der Betrug an der eigenen Basis wurde durch nichts deutlicher als durch die Beibehaltung der Studiengebühren. Deren angebliche „Abfederung“ durch die Möglichkeit, sich durch „soziale“ Hilfsarbeit frei zu hackeln, wurde umgehend als Farce entlarvt. Dass man für Geld lohnarbeiten gehen kann, um sich das Studium zu finanzieren, ist schließlich so neu nicht. Allein, warum man dies für ganze sechs Euro pro Stunde tun sollte, erschließt sich wohl nur den KoalitionsverhandlerInnen.
Die Hoffnungen, mit einem sozialdemokratischen Kanzler ein „Ende der Wende“ herbei zu wählen, wurden in den Koalitionsverhandlungen brutal zerschlagen. Jedoch darf die Überraschung ob der unerwarteten Dreistigkeit, mit der Gusenbauer und Konsorten das Programm der Regierung Schüssel fortsetzen, nicht darüber hinwegtäuschen, dass die SPÖ wesentlich jenes Modell übernommen hat, das von der europäischen Sozialdemokratie schon seit einem Jahrzehnt vorexerziert wird. „Sozialismus, der fällt nicht vom Himmel“, sangen einst die Schmetterlinge in der „Proletenpassion“. Eine neoliberale Sozialdemokratie auch nicht, schreibt Benjamin Opratko.