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Wollt ihr den totalen Markt?
von Stefan Probst

Rezension: Peter Bathke, Susanne Spindler (Hg.): Neoliberalismus und Rechtsextremismus in Europa. Zusammenhänge – Widersprüche – Gegenstrategien. Berlin: Dietz 2006. 15,40 €

In den 1980er und frühen 1990er Jahren haben sich rechtsextreme Kräfte formiert, die Versatzstücke des Neoliberalismus aufgegriffen und in ihr politisches Programm integriert haben. Dieser neue Rechtsextremismus wird von den AutorInnen des vorliegenden Sammelbands als „modernisierter“ Rechtsextremismus beschrieben, der vom traditionellen völkischen Rechtsextremismus unterschieden werden müsse. Während ersterer primär Globalisierungs- und ModernisierungsgewinnerInnen mobilisiert, fokussiert letzterer in erster Linie auf die VerliererInnen der ökonomischen Umstrukturierung. Die Zusammenhänge zwischen Neoliberalismus und einer modernisierten Variante des Rechtsextremismus werden im ersten Teil des Bandes diskutiert.
Butterwegge und Camus sehen die zentralen Kennzeichen des modernisierten Rechtsextremismus in der Kombination von Marktradikalismus und Standortnationalismus, wobei Konstruktionen des Nationalen und die Ethnisierung und „Kulturalisierung“ sozialer Problemlagen als ideologische Bindemittel dienen, „um soziale Frustration in autoritäre, obrigkeitsstaatliche Orientierungen zu überführen.“ Die Eliminierung der MigrantInnen würde den Markt in Ordnung bringen, sodass er, in einer Gesellschaft ohne AusländerInnen, seine „natürliche“ Logik wieder fände. Wir haben es demnach nicht mit einer anti-neoliberalen Protestbewegung zu tun, sondern mit einem Programm, das die herrschenden Normen (Beurteilung einer Person nach ökonomischer Verwertbarkeit, Angepasstheit usw.) bis in die letzte Konsequenz umzusetzen sucht, und somit durchaus an die liberal-konservative Mitte anschlussfähig ist.
Deutlicher noch stellt der Beitrag von Schui die ideologischen Schnittmengen des modernisierten Rechtsextremismus mit neoliberalen Vordenkern wie Hayek heraus. Ausgrenzung und Mobilisierung gegen Ausgeschlossene, Aussiebung, Auslese und Unterwerfung werde sowohl in der neoliberalen als auch in der rechtsextremen Ideologie vertreten. Zugleich betont Schui die integrative Kraft des Rechtsextremismus. Der Neoliberalismus würde sich – besonders in Krisenzeiten – des Rechtsextremismus als politischer „Klebmasse“ bedienen.
Demgegenüber stellt Kaindl in ihrem Beitrag die Frage, ob die Konjunktur eines modernisierten Rechtsextremismus nicht schon vorbei sei. Am Beispiel der NPD in Deutschland illustriert sie, dass die aktuell erfolgreichen rechtsextremistischen Parteien eher traditionalistisch auftreten (und auch bei der FPÖ habe sich der Spagat zwischen traditionalistischen und modernisierenden Elementen zunehmend als Spaltpilz erwiesen). Der völkische Nationalismus der traditionellen extremen Rechten profitiere von einer „Krise der Repräsentation“ im neoliberalisierten politischen Parteienspektrum und versuche, sich als Oppositionsbewegung zu positionieren. Nicht als „Dammbrecher“ für den Neoliberalismus, sondern gerade als Kraft, die die Kritik an der neoliberalen Globalisierung – rassistisch verpackt – artikuliert, konnte sich die extreme Rechte seit der zweiten Hälfte der 1990er profilieren. Damit stellt Kaindl auch die Überbetonung der ideologischen Konvergenz zwischen Neoliberalismus und den aktuellen Erscheinungsformen rechtsextremer Organisationen (wie etwa bei Schui) in Frage, genauso wie die apodiktische Behauptung Camus’, der Neofaschismus sei bereits „so gut wie tot“.
Auch die Länderanalyse zu Deutschland, die den zweiten Teil des Bandes eröffnet, folgt den Argumenten Kaindls. Wiegel zeigt hier, dass der im ersten Teil beschriebene moderne Rechtsextremismus in Deutschland gerade nicht als Erfolgsmodell ausgemacht werden kann. Im Aufschwung befinde sich vielmehr die NPD, deren Programm nicht neoliberale Erneuerung, sondern „die verbale Wendung gegen einen liberalisierten, globalen Kapitalismus …, verbunden mit völkischen Parolen und einem manifesten Rassismus“ sei.
Wiegels Aufsatz folgen Länderstudien zu Österreich (Dworczak), Belgien (Scheltiens), Niederlande (Van der Valk), und der von Frankreich ausgehende, verallgemeinernde Beitrag von Wacquant, der allerdings – wie bereits einige Beiträge des ersten Teils – streckenweise an begrifflicher Unschärfe leidet. Undeutlich bleibt hier, was (modernisierten) Rechtsextremismus, Rechtspopulismus und autoritären Neoliberalismus (ein Begriff der im Band nicht verwendet wird) miteinander verbindet, aber auch voneinander unterscheidet.
Äußerst lesenswert sind hingegen die im dritten Abschnitt gruppierten Aufsätze, die sich mit empirischen Untersuchungen zum Zusammenhang von Prekarisierung und den politischen Haltungen der Lohnabhängigen auseinandersetzen. Die Beiträge von Hentges/Flecker und Balazs stellen das EU-Forschungsprojekt SIREN vor, das den Zusammenhang zwischen sozioökonomischen Veränderungen und der Anziehungskraft der extremen Rechten untersucht hat – einer Frage, der auch der Aufsatz von Dörre auf Basis eigener empirischer Studien nachgeht. Der Beitrag von Fichter/Stöss/Zeuner schließlich stellt die Ergebnisse des Forschungsprojekts „Gewerkschaften und Rechtsextremismus“ vor.
Der abschließende vierte Teil des Bandes diskutiert Widerstandsstrategien gegen Rechtsextremismus. Die hier versammelten Vorschläge reichen von der Ausweitung der Erforschung des historischen Nazismus sowie der Erweiterung demokratischer Kultur (Dreßen), der Stärkung alternativer Jugendkulturen (Frykman/Schell), dem Aufruf, antifaschistische Arbeit und den Kampf gegen Rechtsextremismus auch auf parlamentarischer Ebene (gemeint ist Die Linke.) ernst zu nehmen (Burczyk), bis zur Forderung, eine Gegenmacht gegen Neoliberalismus und Rechtsextremismus aufzubauen (Dworczak). Der Schlüssel dazu liege, wie Scheltiens betont, in der sozialen Mobilisierung und darin, „alternative Bearbeitungsformen und Vergesellschaftungsmöglichkeiten“ als Antwort auf die gesellschaftlichen Umbruchprozesse, die von der extremen Rechten bearbeitet werden, bereitzustellen (Kaindl).
(Stefan Probst)





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