Die neue Ausgabe von Perspektiven erscheint in einer veränderten politischen Landschaft: die Regierung Schüssel ist Geschichte. Der Wahlsieg Alfred Gusenbauers, trotz Bawag-Skandal und Gewerkschaftskrise, war vor allem eine deutliche Absage an die schwarz-blau-orange Politik der vergangenen sechs Jahre. Der Wahlkampf der SPÖ war der vielleicht „linkeste“ seit langem, mit Studiengebühren und Eurofighter wurden zwei symbolträchtige Projekte der Rechtsregierung angegriffen. Die Hoffnungen auf einen tatsächlichen Politikwechsel unter einem „roten“ Kanzler waren groß – und sie wurden bitter enttäuscht. „Links blinken, rechts abbiegen“ war das Motto der SPÖ: Praktisch alle Wahlversprechen wurden gebrochen, der Betrug an der eigenen Basis wurde durch nichts deutlicher als durch die Beibehaltung der Studiengebühren. Deren angebliche „Abfederung“ durch die Möglichkeit, sich durch „soziale“ Hilfsarbeit frei zu hackeln, wurde umgehend als Farce entlarvt. Dass man für Geld lohnarbeiten gehen kann, um sich das Studium zu finanzieren, ist schließlich so neu nicht. Allein, warum man dies für ganze sechs Euro pro Stunde tun sollte, erschließt sich wohl nur den KoalitionsverhandlerInnen.
Die Hoffnungen, mit einem sozialdemokratischen Kanzler ein „Ende der Wende“ herbei zu wählen, wurden in den Koalitionsverhandlungen brutal zerschlagen. Jedoch darf die Überraschung ob der unerwarteten Dreistigkeit, mit der Gusenbauer und Konsorten das Programm der Regierung Schüssel fortsetzen, nicht darüber hinwegtäuschen, dass die SPÖ wesentlich jenes Modell übernommen hat, das von der europäischen Sozialdemokratie schon seit einem Jahrzehnt vorexerziert wird. „Sozialismus, der fällt nicht vom Himmel“, sangen einst die Schmetterlinge in der „Proletenpassion“. Eine neoliberale Sozialdemokratie auch nicht, schreibt Benjamin Opratko.
Keynes und Kreisky, die Säulenheiligen der sozialdemokratischen Linken, sind auch heute noch Bezugspunkte auf der Suche nach Alternativen zum Neoliberalismus. Stefan Probst dekonstruiert den Mythos Kreisky und diskutiert die Grenzen keynesianischen Krisenmanagements.
Die fehlende Kampfbereitschaft und die undemokratischen Strukturen des ÖGB haben ihre historischen Wurzeln im Gründungsprozess des Gewerkschaftsbundes in der unmittelbaren Nachkriegszeit, schreibt Karin Hädicke.
Sachzwanglogik und Standortwettbewerb sind heute zu unhinterfragbaren Prämissen der politischen Auseinandersetzung geworden. Mehr denn je ist es nötig, wieder über radikale politische Alternativen zum neoliberalen Einheitsdenken zu diskutieren. Von Stefan Probst.