“The smell of freedom from the Egyptian revolution is something leaders the world over need to take notice of.” Marxism 2011 in London
Von 30. Juni bis 4. Juli fand heuer das alljährliche „Marxism“-Festival der Socialist Workers Party in London statt. Jedes Jahr treffen sich hier tausende Aktivist_innen um gemeinsam über Erfahrungen, Kämpfe und Strategien zu diskutieren. Das diesjährige Festival stand ganz im Zeichen der Revolutionen im Nahen Osten und Nordafrika, deren Aufbruchstimmung etwa von Kamal Abu Aita, dem Mitbegründer der ägyptischen Steuereintreiber_innengewerkschaft ins Zentrum von London gebracht wurden.
Die SWP beteiligte sich auch an der Demonstration am 30 Juni, die im Rahmen des landesweiten Streik der öffentlich Bediensteten stattfand. 750.000 streikten gegen die Tory-Regierung, um ein starkes Zeichen gegen die Einsparungen im Pensionssystem zu setzen. Auch das Festival war gekennzeichnet von den Erfahrungen dieses Streiks und die Aktivist_innen der SWP machten deutlich, dass ein Generalstreik nun nicht mehr leere Drohung, sondern mögliches Kampfmittel sei und argumentierten für einen Termin im Herbst. Besonders spannend waren die Berichte der AktivistInnen der Umbrüche im Nahen Osten und Nordafrika, die vielen der knapp 200 Meetings revolutionäre Stimmung einhauchten. Aber auch von Geschichten der Genoss_innen aus Griechenland und Spanien, die direkt von den Asambleas gekommen waren um von den Protesten zu erzählen, brachten Einblick in die dortigen Debatten und Herausforderungen. Auch die Situation der Arbeiter_innenklasse in den USA nach der Besetzung des Rathauses in Wisconsin wurde besprochen. Neben den Referent_innen, die von den weltweiten Protesten berichteten, um Erfahrungen zu verknüpfen und zu reflektieren, standen auch die Theorie-Meetings im Zeichen der Revolutionen. So beschäftigten sich einige Veranstaltungen mit den historischen Erfahrungen der deutschen, russischen, chinesischen, japanischen und französischen Revolutionen und deren Theoretisierungen; auch über das Konzept der permanenten Revolution wurde kontrovers diskutiert. Neben zahlreichen einführenden Meetings zur marxistischen Theorie gab es Panels zu Michel Foucault, Frantz Fanon, Alain Badiou und Edward Said. Auffallend war, dass die Inputs der Referent_innen wirklich sehr gut waren, jedoch wenig Konsequenzen aus der Auseinandersetzung mit den Theoretikern [sic!] für die eigene theoretische Tradition gezogen wurden. Interessante Debatten wurden in den Meetings zu antirassistischen Strategie gegen die extreme Rechte in Europa geführt, deren Conclusio auch für unsere politische Arbeit anregend waren. Jedes Jahr wieder überraschen die Treffen zu „Marxism and Art“, deren Besuch wirklich empfohlen werden kann. Gleiches trifft auch auf Peter Thomas‘ Input zu Antonio Gramsci zu. Erfreulicherweise scheinen die Theoren Gramscis, im Gegensatz zu den vergangenen Jahren, stärker rezipiert zu werden. Weniger erfreulich jedoch gestaltete sich der Besuch von Panels zur „Frauenfrage“, in welchen wir uns in die 1960er Jahre zurück versetzt gefühlt hatten. Der Feminismus sei als Theorie bürgerlich und aktuell vor allem durch antimuslimischen Rassismus geprägt, so der Tenor. Eine ernsthafte Beschäftigung mit postkolonialen und marxistischen Feminismen fehlte ebenso wie die Klärung des Verhältnisses von Sozialismus und Feminismus. Lichtblicke waren aber die wenigen, dafür ausgezeichneten Wortmeldungen von jungen Genossinnen, die sich kritisch auf die SWP-Position bezogen. Positiv ob der fehlenden Auseinandersetzung mit feministischen Positionen, ist die konsequente Beschäftigung mit LGBT-Positionen und die Beteiligung an queeren Kämpfen, die auch am Festival Ausdruck fand.
Auch wenn es politische Differenzen mit der Socialist Workers Party gibt, lohnt ein Besuch des Festivals allemal. Neben den tausenden Besucher_innen und Aktivist_innen aus der ganzen Welt, gibt es jedes Jahr ein sehens- und hörenswertes Kulturprogramm, das den Besuch bei Marxism abrundet. Der Timetable von Marxism 2011 ist online abrufbar auf: http://www.marxismfestival.org.uk.