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Braucht der Kapitalismus ein Staatensystem?
von Stefan Probst

Rezension: Teschke, Benno: Mythos 1648. Klassen, Geopolitik und die Entstehung des europäischen Staatensystems, Münster: Westfälisches Dampfboot 2007, 41,10 €

Die Geburtsstunde des modernen internationalen Staatensystems wird gemeinhin mit dem Ende des Dreißigjährigen Kriegs im Westfälischen Frieden 1648 datiert. Hier sei, so die Ansicht nicht nur des Mainstreams der wissenschaftlichen Disziplin der „Internationalen Beziehungen“, die internationale Staatenordnung auf der Grundlage völkerrechtlicher Verträge zwischen souveränen Territorialstaaten etabliert worden. Wenn heute über Global Governance, die Internationalisierung des Staates etc. diskutiert wird, so erscheint jene geopolitische Ordnung als negative Referenzfolie, deren Prinzipien seit dreieinhalb Jahrhunderten die internationalen Beziehungen strukturiert hätten und erst in den letzten ein, zwei Jahrzehnten unterhöhlt worden seien. Unabhängig von den spezifischen theoretischen Positionen in den aktuellen Auseinandersetzungen dient 1648 daher als „Gründungsmythos“ eines ganzen Forschungsfelds.

Zentrales Anliegen von Teschkes Studie ist es, diesen Mythos als eben solchen zu entlarven – eine Ansicht, die sich zwar in der historischen Forschung längst durchgesetzt hat (z.B. Heinz Duchhardt, Ronald Asch), in den Politikwissenschaften bislang aber noch kaum reflektiert worden ist.

Teschkes Intervention setzt sicherlich eine zumindest grobe Kenntnis der Theorien der Internationalen Beziehungen voraus. In dreifacher Frontstellung sowohl gegen die Ahistorizität neorealistischer Theorien, die neoweberianische Historische Soziologie sowie den orthodoxen Marxismus, der bei Teschke im Wesentlichen auf jene Positionen reduziert wird, die Robert Brenner als „smithianischen“ und „neomalthusianischen“ Marxismus bezeichnet hat, zeigt Teschke, dass die internationale Staatenordnung im 17. Jahrhundert weiterhin von der vormodernen Dynamik dynastischer Konflikte geprägt blieb. Staatliche Politiken waren immer noch in höchstem Maß von personalisierten Verhältnissen bestimmt. Sinnvollerweise könne erst mit der für die kapitalistische Produktionsweise charakteristischen Trennung von Politik und Ökonomie von einer modernen geopolitischen Ordnung gesprochen werden.

Die begrifflichen Probleme für die Konstitutionsbedingungen moderner Staatlichkeit und des modernen Staatensystems, die sich aus dieser Kritik ergeben, entwickelt Teschke in einem ambitionierten Großentwurf, der nicht weniger sein möchte als eine „theoriegeleitete Rekonstruktion der Genese und Entwicklung des europäischen Staatensystems vom Karolingerreich bis zur Frühneuzeit, verstanden als Untersuchung der Konstitution und des Strukturwandels internationaler Ordnungen.“ (12)

Explizit stützt sich Teschke in diesem Unternehmen auf den „politischen Marxismus“ der „Brenner-Schule“, der die gesellschaftlichen Eigentumsverhältnisse (social property relations) und die mit ihnen verbundenen Klassenkämpfe ins Zentrum der theoretischen Erklärung rückt. Die Varianz, die ungleichzeitige Entwicklung und die Dynamik der Transformation geopolitischer Formationen und Beziehungen wurzeln, so Teschke, letztlich in Klassenverhältnissen, die „dem Internationalen“ einen bestimmten sozialen Gehalt aufprägen.

Teschke entfaltet sein Argument, das über weite Strecken Brenner folgt, in drei Schritten.

1. Zunächst wird der Charakter der mittelalterlichen geopolitischen Ordnung aus den spezifischen feudalen Eigentumsverhältnissen entwickelt. Die feudale Produktionsweise sei grundlegend durch die politische und militärische („außerökonomische“) Gewalt in der Aneignung des bäuerlichen Mehrprodukts durch die Grundherren charakterisiert. Die damit verbundenen widersprüchlichen Reproduktionsstrategien der Klassen bedingten strukturelle Grenzen für die Produktivkraftentwicklung, da weder abhängige Bauern noch Grundherren Mittel und Interesse an einer intensiven Entwicklung der Arbeitsproduktivität aufwiesen. Vielmehr übersetzten sich die Klassengegensätze der Feudalgesellschaften in einen systematischen Drang zur Konzentration der Zwangsmittel und territorialer Expansion, einen Prozess, den Teschke im Anschluss an Brenner als „politische und geopolitische Akkumulation“ bezeichnet. Da die Kontrolle über die Gewaltmittel unter den fragmentierten grundherrschaftlichen Adel diffundiert war, manifestierte sich die extensive Dynamik als permanente militärische Konkurrenz zwischen den Herren, die in der Institution der Fehde als „legitime Gewalt“ rechtlich sanktioniert war. Demnach kann in diesem geopolitischen System der Rivalität parzellierter Souveränitäten keine sinnvolle Unterscheidung zwischen innerer und „internationaler“ Sphäre gezogen werden, genauso wenig wie die Form gewaltförmiger Mehrproduktaneignung eine Trennung zwischen Politik und Ökonomie zulässt.

2. Die zersplitterten Grundherrschaften, die den „klassischen“ Feudalismus, so wie er sich seit dem „Umbruch im Jahr 1000“ (Guy Bois) präsentierte, kennzeichneten, wurden seit dem 12. Jahrhundert, als Ergebnis der Tendenz zur (geo)politischen Akkumulation, in politischen Gemeinwesen zusammengefasst. Diese feudalen Staaten seien jedoch nicht als zentralisierte Monarchien zu verstehen, sondern als „Ensembles von Herrschaften“, zusammengehalten durch personale Bindungen (Lehenstreue), ihnen fehlte jede „abstrakte institutionelle Existenz jenseits der Lebenszeit individueller Herrscher“. (71)

Seit dem Spätmittelalters etablierte sich aus dieser Dynamik ein „politisches Pluriversum“ dynastischer Königreiche als konstitutives Merkmal der europäischen Geopolitik, in denen die Anfänge einer Differenzierung zwischen „dem Inneren“ und „dem Internationalen“ begründet sind. Die Logik der politischen und geopolitischen Akkumulation formierte so den politischen Raum Europas zu einem vormodernen Staatensystem. (144)

3. Anders als die Orthodoxien der Theorie der Internationalen Beziehungen begreift Teschke die Rekonfiguration politischer Herrschaft infolge der „Krise des 14. Jahrhunderts“ nicht als Beginn eines Prozesses der Herausbildung moderner Staatlichkeit, eines strukturellen Bruchs zur Moderne, sondern differenziert zwei Entwicklungspfade, die er am Beispiel Frankreichs und Englands erläutert: Frankreich steht hier für den Übergang vom Feudalismus zum Absolutismus, der einer vormodernen Dynamik verhaftet blieb, und auch nicht als widersprüchliches „Übergangsphänomen“ in der Entwicklung des Kapitalismus behandelt werden dürfe, während sich in England, und nur dort, als Ergebnis der außergewöhnlichen Form zentralisierter feudaler Staatlichkeit seit 1066 und der unintendierten Folgen der spätmittelalterlichen Klassenkämpfe kapitalistische Eigentumsverhältnisse in der Landwirtschaft und ein moderner Staat entwickeln konnten (die klassische Brenner-These).

Aufgrund der stark fragmentierten Formen lokaler Herrengewalt in Frankreich gelang es den Bauern, sich im Zuge der sozialen Auseinandersetzungen der spätmittelalterlichen Krise des Feudalismus weitgehend aus grundherrlichen Abhängigkeiten zu befreien. Dennoch bedeutete die Auflösung der Leibeigenschaft nicht die Überwindung, sondern nur die Neustrukturierung „feudaler“ Verhältnisse: einerseits die Zentralisierung parzellierter politisch-militärischer Aneignungsgewalt im absolutistischen Staat, zugleich die Reorganisierung der Ausbeutung auf Grundlage des Steuersystems. Der absolutistische Staat blieb demnach dynastischer Patrimonialstaat, eine Form personalisierter politischer Herrschaft, wovon etwa auch die Praxis des Ämterkaufs zeugt, die gerade für die Integration des aufstrebenden Manufaktur- und Handelskapitals eine entscheidende Rolle spielte. Folglich müsssen auch der frühneuzeitliche Aufbau maritimer Imperien und die Internationalisierung der Ökonomie im Merkantilismus weiterhin als nicht-kapitalistische Phänomene gelten, die in die typisch vormoderne Logik (geo-)politischer Akkumulation eingebunden waren.

Demgegenüber gelang es dem Feudaladel in England, Eigentumsrechte über einen Großteil des durch die demographische Krise des 14. Jahrhunderts vakant gewordenen Bodens ohne stärkere staatliche Zentralisation durchzusetzen, auch wenn die Bauern nicht wieder in die Leibeigenschaft gezwungen werden konnten. Diese Konstellation, in der die Klassenkämpfe weder eindeutig zugunsten der Grundherren, noch zugunsten der Bauern entschieden wurden, begünstigte die Herausbildung neuer, genuin kapitalistischer Produktionsverhältnisse, die durch die Trias Grundherr – kapitalistischer Pachtbauer – freier Lohnarbeiter gekennzeichnet waren.

Die Kapitalismuskonzeption, auf die sich Teschke hier stützt, setzt sich explizit von jenen Ansätzen ab, die diesen auf die Zirkulationssphäre reduzieren, d.h. auf die Ausbreitung von Handel und Märkten, was ja nicht allein für die englische Landwirtschaft charakteristisch gewesen wäre. Kapitalismus nach Teschke bezeichnet vielmehr spezifische Verhältnisse zwischen den von den Subsistenzmitteln getrennten und daher den Imperativen des Marktes unterworfenen unmittelbaren ProduzentInnen (freie LohnarbeiterInnen) und den EigentümerInnen der Produktionsmittel. Mit dieser Konzeption des Kapitalismus sei auch eine bestimmte Theorie des modernen Staates impliziert. Denn wenn das kapitalistische Eigentumsregime im Unterschied zum feudalen gerade durch die Abwesenheit politischer Aneignungsgewalt charakterisiert ist, so liegt genau darin die Differenzierung von Politik und Ökonomie begründet. Der entpersonalisierte Staat greift nicht mehr direkt in den Produktionsprozess ein sondern beschränkt sich darauf, das Eigentumsregime durchzusetzen und aufrechtzuerhalten. Die staatliche Institutionalisierung des privaten Eigentumsregimes in Form einer Reihe privater Rechte erscheint somit als notwendige Bedingung der „Entbettung des Marktes“ (Polanyi). Genau jene Rekonfiguration von Staatlichkeit könne nun für England seit dem späten 17. Jahrhundert (im Wesentlichen seit der Glorious Revolution 1688) konstatiert werden, womit auch die Dynamik der internationalen Beziehungen Englands grundlegend transformiert wurde, die sich aus der vormodernen Logik geopolitischer Akkumulation zu lösen begann.

Damit ist aber die Frage nach dem Verhältnis des Kapitalismus, nicht zum modernen Staat, sondern zum internationalen System von Staaten (im Plural) noch nicht geklärt. Wenn der moderne Staat dem Kapitalverhältnis inhärent ist, kann selbiges auch für die Pluralität des Staatensystems behauptet werden? Teschke verneint das: das politische „Staatenpluriversum“ sei vielmehr kontingentes historisches Erbe der Vormoderne und könne nicht aus dem Kapitalverhältnis abgeleitet werden.

In einem bis ins frühe 20. Jahrhundert andauernden, vom England des späten 17. Jahrhunderts ausgehenden Prozess wurden moderne Staatlichkeit und kapitalistische Produktionsverhältnisse im vormodernen europäischen Staatensystem in Form „gesellschaftlich uneinheitlicher aber geopolitisch kombinierter Entwicklung“ universalisiert. Endogen seien kapitalistische Eigentumsverhältnisse und moderner Staat einzig und allein im frühneuzeitlichen England entstanden, deren geopolitisch vermittelte Ausbreitung die Funktionsweise und Akkumulationslogik des bestehenden dynastisch-absolutistischen Systems langsam durchsetzten und in eine moderne internationale Ordnung transformierten. Der Kapitalismus trat somit „innerhalb eines vorgeformten Staatensystems in Erscheinung“ (241), das selbst keine Funktion des Kapitalismus war, jedoch mit diesem Staatensystem zu einer widersprüchlichen Einheit verwuchs. Die spezifische Art und Weise, wie Staaten auf die geopolitische Expansion des Kapitalismus reagierten, war dabei selbst Ausdruck bestimmter Klassenkonstellationen im Inneren.

Mit der Herausbildung eines globalen Weltmarkts stehen wir nun an jenem historischen Punkt, an dem sich die modernen internationalen Beziehungen tatsächlich im Weltmaßstab durchgesetzt haben. Dadurch würde zwar das System territorial zersplitterter Staaten nicht aufgehoben, die Eliminierung der vormodernen Logik politischer Akkumulation durch Krieg könnte aber zumindest die Möglichkeit einer internationalen Ordnung eröffnen, die sich auf „das multilaterale politische Management des Krisenpotentials des globalen Kapitals und die Regulierung der Weltwirtschaft durch die führenden kapitalistischen Staaten“ beschränkt. (244) Ein versöhnlicher Gedanke zum Schluss!

Mit Mythos 1648 hat Teschke eine empirisch detaillierte und theoretisch stringente Studie vorgelegt, die die Debatte der kritischen Internationalen Beziehungen und Internationalen Politischen Ökonomie noch lange beschäftigen wird. Freilich ist vieles schon bei Brenner nachzulesen und bleibt in der historischen Darstellung oft schematisch und undifferenziert. In aller Kürze sollen hier aber nur zwei Punkte angedeutet werden, denen sich eine kritische Auseinandersetzung zu stellen hat:

1. Mit dem starken Bezug auf Brenners Beitrag in der Debatte zum „Übergang“ vom Feudalismus zum Kapitalismus importiert Teschke auch alle Probleme, die mit Brenners Thesen verbunden sind. Am schwersten wiegt dabei Brenners Hypostasierung des Kapitalismusbegriffs.

Gerade vorm Hintergrund, dass Teschke großen Wert auf die Unebenheiten und Ungleichzeitigkeiten historischer Prozesse legt, erscheint Brenners Theorie nur bedingt hilfreich. Nach Brenner hätten sich genuin kapitalistische Produktionsverhältnisse nur in England, und dort nur in der Landwirtschaft entwickelt. Ausgeblendet bleiben dabei regionale Kristallisationspunkte kapitalistischer Produktionsverhältnisse in anderen Ländern ebenso wie „Übergangsformen“ wie Handelskapital und Protoindustrie, die in widersprüchlicher Einheit mit einem System personaler Herrschaft existierten. Zwar kann hier tatsächlich nicht von kapitalistischen Formen sui generis gesprochen werden. Teschke verbaut sich aber den Weg zu einer ernsthaften Auseinandersetzung mit solchen Übergangsformen weil sein Kapitalismusbegriff auf der abstrakten Ebene der Produktionsweise verharrt und sich für historisch-konkrete Kapitalismen eigentlich nicht interessiert. Das führt zu Schwarzweißmalerei und Formalismus: entweder ganz kapitalistisch oder gar nicht. Eine historische Analyse, die das Konzept ungleicher und kombinierter Entwicklung ernst nimmt, müsste aber gerade danach fragen, inwieweit protokapitalistische Übergangsformen die Matrix gesellschaftlicher Verhältnisse durchsetzen und durch die Akkumulation ökonomischer und politischer Macht die alte Ordnung sukzessive untergraben konnten. Der Effekt wäre sowohl die Bindung vieler Protokapitalisten an das bestehende politische Regime, zugleich aber auch die Transformation des Charakters dieses Regimes, sodass alte Formen neue, bürgerliche Verhältnisse verdecken. Schließlich würde ein Punkt erreicht, der eine Veränderung der Staatsform erfordert.

Unabhängig vom Problem personalisierter Herrschaft müsste deshalb gefragt werden, ob absolutistische Politiken Formen der politischen Aneignungsgewalt konservierten oder kapitalistische Entwicklung beförderten. Und es müsste die Frage gestellt werden, ob jene Ereignisse, die gemeinhin als bürgerliche Revolutionen bezeichnet werden, nicht gerade Rekonfigurationen in der Form der Staatlichkeit bedingten, die solche Entwicklungen forcierten.

Bei Teschke erscheinen Feudalismus/Absolutismus aber als System, das nicht aus seinen inneren Widersprüchen heraus unterminiert werden kann. Die Möglichkeit endogener kapitalistischer Entwicklung wird somit zum äußerst unwahrscheinlichen Produkt konjunktureller Zufälle. Die Impulse zu kapitalistischer Transformation und politischer Rekonfiguration werden, mit Ausnahme Englands, exogenisiert, und auf die internationale Ebene geopolitischen Modernisierungsdrucks verlagert.

Dieselbe Kritik trifft auch Teschkes Diskussion des vormodernen Charakters des Kolonialismus. Weil der strukturale Nexus zwischen Politik und Ökonomie nicht zerstört war sei dieser vor-kapitalistisch gewesen. Wieder die Hypostasierung des Kapitalismus, die den Einbruch des Politischen in die Ökonomie nur als nicht-kapitalistisch verstehen kann, statt konkreter Analyse historischer kapitalistischer Formationen in ihrer Variabilität. Die Trennung Politik-Ökonomie im Kapitalismus ist aber eine ständige neu verhandelte Tendenz, kein Strukturprinzip. In diesem Sinn könnte dann behauptet werden, dass der merkantile Kolonialismus sowohl feudale als auch kapitalistische Imperative verfolgte.

2. Sobald wir Ansätze kapitalistischer Entwicklung nicht auf England einengen und die absolutistischen Staaten als widersprüchliche Formationen begreifen, die nicht so einfach in das formalistische Korsett vormoderner Staatlichkeit gezwängt werden können, erscheint die Frage nach dem Charakter des neuzeitlichen Staatensystems als weit komplexeres Problem, als in Teschkes Darstellung.

Aber selbst dann, wenn Teschkes These als historisches Argument akzeptiert wird, ist damit noch nicht gezeigt, dass Staatensystem und Kapitalismus nicht logisch zusammenhängen können. Eine solche Behauptung verwechselt historische Genese mit begrifflicher Struktur.

Das entscheidende Problem scheint mir Teschkes, von Ellen Wood übernommene, strikte Trennung von Politik und Ökonomie in der Charakterisierung moderner Staatlichkeit, deren Funktion sich auf die Sicherung der Bedingungen einer prinzipiell universalen ökonomischen Akkumulationslogik reduziert. Die Durchsetzung des Kapitalismus wäre demnach von der Trennung von Geopolitik und ökonomischer Akkumulation, vom Rückzug politischen Zwangs aus der Sphäre des Internationalen begleitet gewesen. Dabei wird aber ausgeblendet, dass die kapitalistische Akkumulation selbst nicht glatt verläuft, sondern ihre eigenen geographischen Konzentrationen und Unebenheiten – raum-zeitliche Fixierungen (Harvey) – erzeugt, und die Trennung von Politik und Ökonomie im Kapitalismus nie so absolut war, wie Teschkes Modell fordert. Im Ergebnis war daher die geopolitische Machtlogik immer schon Element der modernen kapitalistischen Staatenordnung, wenn auch überformt und in widersprüchlicher Verschränkung mit der Logik ökonomischer Akkumulation. Genau diesen Prozess versucht die marxistische Imperialismustheorie zu fassen, und genau in diesem Punkt werden auch die politischen Konsequenzen von Teschkes Studie deutlich: wenn geopolitische Konflikte nur historisches Erbe, Überreste der vormodern Staatenordnung sind, dann landen wir bei jenem Zukunftsszenario Teschkes, das nicht zufällig an Kautskys Ultraimperialismustheorie erinnert: Kriege haben mit dem Kapitalismus eigentlich nichts zu tun, ein befriedeter Kapitalismus, in dem sich staatliche Politik auf das harmonische Management der Bedingungen der ökonomischen Akkumulation beschränkt, ist zumindest denkbar. Letztlich kann Teschkes Dichotomisierung von absolutistischer, vormoderner und moderner, kapitalistischer Staatenordnung nicht überzeugen, weder theoretisch noch politisch.





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