Mit den Werten der Aufklärung werden heute imperialistische Kriege und rassistische Diskriminierung gerechtfertigt, während ein postmoderner Irrationalismus mit ihnen auch gleich das Projekt der Emanzipation entsorgt. Neil Davidson über das widersprüchliche Erbe der Aufklärung.
Die Aufklärung war eine intellektuelle und soziale Bewegung die, wie die Renaissance und die Reformation davor, eine spezifische historische Periode charakterisiert, in diesem Fall von der Mitte des 17. Jahrhunderts bis Ende des 18. Jahrhunderts. Doch sie befindet sich im Herzen heutiger Auseinandersetzungen, anders als etwa die Debatten der Reformation um die Vorherbestimmung des Menschen. Die Aufklärung bleibt ein gegenwärtiges Thema, nicht bloß ein historisches. Der Grund dafür ist, dass diese Bewegung eine Reihe von wissenschaftlichen Methoden, sozialen Theorien und persönlichen Werten hervorgebracht hat, die viele Weltverständnisse umgeworfen hat. Sie wirkte auf praktisch alle Bereiche des Wissens, durch die Werke von Philosophen von Spinoza bis Hegel; Wissenschaftern wie Priestley und Black; Polemikern gegen Mystizismus und Obskurantismus wie Voltaire und Diderot; Gesellschaftstheoretikern wie Rousseau und Ferguson; Literaten wie Beaumarchais und Schiller; Musikern wie Mozart und Beethoven; Malern wie Goya und David; Reformern wie Condorcet, Historikern wie Gibbon und Hume; politischen Ökonomen wie Quesnay und Smith. Und sie inspirierte viele der AktivistInnen der Amerikanischen und Französischen Revolutionen wie Paine, Jefferson oder Robespierre. Durch den Einfluss dieser und vieler anderer formt sie viele der Sichtweisen, die Menschen heute von der Welt haben. Daher rührt die andauernde Debatte um ihr Vermächtnis – eine Debatte, in die SozialistInnen intervenieren müssen. Denn das Erbe der Aufklärung wird an zwei Fronten angegriffen. Auf der einen Seite ist sie mit einem teilweisen Rückfall in vor-aufklärerische Ideen konfrontiert. Religiöser Glaube widersetzt sich allen Voraussagen über sein Verschwinden und erlebt eine globale Wiederauferstehung, in christlicher und hinduistischer wie in islamischer Form. Auf der anderen Seite haben Teile der Linken Ideen übernommen, die behaupten die Aufklärung mit einer Reihe von relativistischen und irrationalistischen Positionen zu überwinden, die üblicherweise unter dem Namen „Postmodernismus“ zusammengefasst werden, einer akademischen Mode die rapide an Attraktivität verliert, aber ein Vermächtnis der Verwirrung für Generationen neuer AktivistInnen hinterlassen hat. Und wer verteidigt dann die Aufklärung? Teile der liberalen Linken, die sich als VorkämpferInnen von kapitalistischer Globalisierung, westlichem Imperialismus und institutionellem Rassismus neu erfunden haben – verkleidet als VerteidigerInnen von Vernunft, Demokratie und Redefreiheit. Das obszöne Spektakel, das hochbezahlte JournalistInnen abgeben, die den Glauben einer der am stärksten unterdrückten Gruppen der britischen Gesellschaft angreifen, während sie das Banner von Jefferson und Voltaire schwingen, kann Radikale – muslimische wie nicht-muslimische – nur mehr davon überzeugen, dass die Aufklärung tatsächlich eine eurozentrische Verschwörung zur Verteidigung der existierenden Ordnung ist.
Im Zentrum des aufklärerischen Anspruchs standen drei Behauptungen. Die erste war, dass die natürlichen und sozialen Welten durch Vernunft, ohne Rekurs auf Religion oder andere mystischen Glaubensformen, erklärt und verändert werden kann. Dies bedeutete einen radikalen Bruch mit dem Denken des 16. und 17. Jahrhunderts, das religiösen Interpretationen der Realität einen privilegierten Platz zuwies. Baruch Spinoza, in vielerlei Hinsicht die radikalste Figur der frühen Aufklärung, attackierte 1670 die „Vorurteile“ der organisierten Religion, „die den vernünftigen Menschen zu einem Thiere machen, die verhindern, dass man sein Urtheil frei gebrauche und das Wahre von dem Falschen unterscheide … Wer die Vernunft gänzlich verachtet und den Verstand wegen seiner natürlichen Verderbniss verwirft und verabscheut, der gilt, – und das ist das Härteste, – als der Inhaber des göttlichen Lichts“.1 Spinoza und jene, die ihm im nächsten Jahrhundert folgten, griffen in erster Linie die dominante christliche Kirche in ihren eigenen Gesellschaften an, nicht den Islam, Buddhismus oder andere Religionen, die großteils außerhalb von Europa praktiziert wurden; tatsächlich hatte die Aufklärung ein weitaus komplexeres Bild vom Islam als die meisten jener Menschen, die heute vorgeben in ihrer Tradition zu stehen.2 Redefreiheit wurde nicht gefordert, um die Schwachen und Machtlosen anzugreifen, sondern die mächtige Kombination von Kirche und Staat, die die Heilige Inquisition, Zensur, Gefängnis, Verstümmelung und Tod mit sich brachte. Spinoza schrieb in den nach-revolutionären Vereinigten Niederlanden, wahrscheinlich die toleranteste Gesellschaft Europas, und wurde dennoch durchgängig attackiert, während James Aikenhead 1695 im kalvinistischen Edinburgh wegen Blasphemie gehängt und Voltaire zwei Mal in die Bastille gesperrt wurde. Vernunft war jedoch nicht nur aufgrund der Kraft, die sie GegnerInnen der organisierten Religion bot, erstrebenswert. Sie wurde als Mittel gesehen, die Umstände, in denen Menschen sich befanden, zu ändern, wie Immanuel Kant 1784 in einem der ersten selbstbewussten Versuche, das Projekt der Aufklärung zu definieren, schrieb: „Wenn denn die Natur … den Hang und Beruf zum freien Denken, ausgewickelt hat: so wirkt dieser allmählich zurück auf die Sinnesart des Volks, (wodurch dies der Freiheit zu handeln nach und nach fähiger wird“.3 Die zweite Behauptung war, dass die menschliche Geschichte sich in eine bestimmte Richtung bewegte, charakterisiert durch Fortschritt und nicht, wie davor geglaubt wurde, durch Regression, Stagnation oder Wiederkehr. Die Aufklärung sah Fortschritt als aufeinander folgende Entwicklungsphasen, charakterisiert durch „Subsistenzweisen“, wie französische und vor allem schottische DenkerInnen sie nannten. Wie Adam Smith seinen Studenten 1762 erklärte, waren dies, erstens, die Jäger- und Sammlergesellschaft, zweitens die Hirten- und Nomadengesellschaft, drittens die Agrargesellschaft und viertens die bürgerliche Kommerzgesellschaft.4 Und, bemerkte Smiths Kollege, Lord Kames 1758: „diese schrittweisen Veränderungen lassen sich in allen Gesellschaften entdecken”5. Auch wenn sich nicht alle Gesellschaften mit gleicher Geschwindigkeit entwickelten, könnten also doch alle potentiell den selben Entwicklungsstand erreichen. Die dritte Behauptung war, dass Menschen universelle Rechte besaßen, einfach aufgrund ihres Mensch-seins, nicht weil sie Mitglieder eines bestimmten gesellschaftlichen Standes oder einer religiösen Gemeinschaft waren. Das impliziert zumindest, dass die gegenwärtige Gesellschaft unzureichend vernünftig ist und Fortschritt nicht automatisch passiert. Wenn, wie Smith und Kames vorschlagen, alle Gesellschaften bestimmte Entwicklungsstufen durchlaufen müssen, dann müssen die Menschen, die diese Gesellschaften ausmachen, alle die selben Fähigkeiten besitzen, vor allem jene der Vernunft.
Es gab zwei große Widersprüche in der aufklärerischen Rede von „Universalität“.
Universalität impliziert gleiche Rechte, aber die Rechte waren üblicherweise entlang von Klassenlinien eingeschränkt. Antonio Negri und Michael Hardt haben vorgeschlagen, zu Demokratiekonzepten der Aufklärung zurückzukehren, da in dieser Periode das Konzept noch unkorrumpiert gewesen wäre: „Die Herrschaft einer Partei, die sich als Vorhut versteht, oder die Herrschaft gewählter Beamter, die nur gelegentlich und in beschränktem Maße der Multitude gegenüber verantwortlich sind, hat man damals noch nicht als Demokratie bezeichnet“. Das ist wohl wahr, aber genauso wenig dachten die Revolutionäre des 18. Jahrhunderts oder deren Vorgänger, dass Demokratie „die Herrschaft aller durch alle erfordert”.6 Hardt und Negris Superheld, Spinoza, kann hier als Beispiel dienen. In der Tat schrieb er mehrere Passagen, in denen er die Demokratie als effektivste Regierungsform preist. Er dachte aber nicht, dass JedeR zur Demokratie auch fähig wäre: „Denn ich weiss … dass es gleich unmöglich ist, der Menge den Aberglauben wie die Furcht zu benehmen … und dass sie sich nicht durch die Vernunft leiten“. Es gab daher keinen Grund, warum einfache Leute seine Werke lesen sollten – sie würden sie ohnehin nicht verstehen.7 Voltaire schrieb 1768 in einem Brief, „Wir hatten nie die Absicht, Schuster und Diener aufzuklären – das ist Sache der Aposteln“.8 Wie Paul Siegel scharfsinnig bemerkt, liegt Voltaires Einstellung zur Verbreitung der Ideen der Aufklärung unter den Massen in einem seiner bekanntesten Sprüche: „Existierte Gott nicht, wäre es notwendig, ihn zu erfinden“.9 Religion war „notwendig“ für die einfachen Leute, die sonst Vernunft auf Bereiche anwenden könnten, die den Stammgästen Pariser Cafés ebenso unangenehm wären wie den BewohnerInnen von Versailles. Voltaire war ein brillanter und mutiger Mann, doch es gibt keinen Grund uns darüber hinwegzutäuschen, wie es die selbstgerechten Islamophoben tun, die seinen Namen ständig im Munde führen, dass er die Aufklärung nicht weit über seine eigenen Klassengrenzen hinaus verbreiten wollte – selbst wenn seine Haltung teilweise von der Furcht motiviert war, reaktionäre Kräfte könnten die Stimmung der Massen gegen religiöse oder Agrarreformen mobilisieren.10 Es gab ähnliche Probleme damit, Universalität auf unterschiedliche Gruppen von Menschen, oder „Rassen“, anzuwenden. Die DenkerInnen der Aufklärung waren über diese Frage tief gespalten. Eine Strömung, vertreten von Hume, Montesquieu und Kant, bezweifelte dass Menschen mit dunkler Hautfarbe überhaupt als Menschen begriffen werden könnten – so etwa Montesquieu in seinem 1748 verfassten „Vom Geist der Gesetze“.11 Hegel bemerkte in seinen Vorlesungen über die Geschichte der Philosophie aus den frühen 1830er Jahren, Afrika wäre ein Land der „Unreife“, das den Historiker (sic!) vor tiefgreifende Probleme stelle: „Der eigentümlich afrikanische Charakter ist darum schwer zu fassen, weil wir dabei ganz auf das Verzicht leisten müssen, was bei uns in jeder Vorstellung mitunter läuft, die Kategorie der Allgemeinheit“.12 Gleichzeitig forderte jedoch eine andere Tendenz, repräsentiert von Diderot, John Millar und Johann Gottfried von Herder, die rassistische Ideologie heraus, die zur Rechtfertigung der Eroberung der indigenen Bevölkerung Amerikas und der Versklavung von AfrikanerInnen entwickelt wurde. Herder lehnte Begriffe der europäischen Überlegenheit ab: „Am wenigsten kann also unsre europäische Kultur das Maß allgemeiner Menschengüte und Menschenwertes sein; sie ist kein oder ein falscher Maßstab“.13 Diese Strömung in der Aufklärung inspirierte die Amis des Noirs, deren Ideen dazu führten, dass Robespierre die Sklaverei 1793, am Höhepunkt der Revolutionen in Frankreich und Haiti, abschaffte.14 Die Komplexität der Universalitätsdoktrin ist am besten in der Amerikanischen Unabhängigkeitserklärung ausgedrückt. Diese ist, neben der französischen Erklärung der Menschen- und Bürgerrechte, einer der berühmtesten politischen Ausdrücke des aufgeklärten Denkens. In den unsterblichen Worten des zweiten Paragraphen: „We hold these truths to be self-evident, that all men are created equal, that they are endowed by their creator with certain unalienable Rights, that among these are Life, Liberty and the pursuit of Happiness”.15 Wer immer die scheinbar trügerischen Ansprüche des aufklärerischen Universalismus der Lächerlichkeit preisgeben will, braucht bloß diese einleitende Passage zitieren um dann auf all jene zu verweisen, die davon ausgeschlossen sind: alle Frauen, indigene AmerikanerInnen, SklavInnen usw. Daraus schließen manche Menschen, dass die Unterdrückung der Aufklärung selbst inhärent ist. Michael Berube weist darauf hin: „Poststrukturalismus argumentiert oftmals, dass die emanzipatorischen Narrative der Aufklärung tatsächlich auf ihren historischen und sozialen Entstehungsbedingungen im Rassismus und Sexismus des 18. Jahrhunderts gründen – und von ihnen bloßgestellt werden“, und dass „die gesellschaftliche Gewalt der amerikanischen Gesellschaft der letzten beiden Jahrhunderte nichts ist, was durch eine Rückkehr zur aufklärerischen Rhetorik der Rechte korrigierbar wäre, sondern vielmehr Erfüllung der symbolischen Gewalt, die für die Aufklärung selbst konstitutiv ist“.16 Ist es wahr, dass Universalität auf solche Weise „verdorben“ ist? Tatsächlich ist sie, wie Terry Eagleton bemerkt, „eine der großartigsten emanzipatorischen Ideen der Weltgeschichte … nicht zuletzt weil die Mittelklassengesellschaft nun von jenen, die sie unterdrückt, entlang ihrer eigenen Logik herausgefordert werden konnte, gefangen in einem performativen Widerspruch zwischen dem was sie sagte und dem was sie tat“.17
Die Quelle dieser Spannungen innerhalb der Aufklärung liegt in ihrem Verhältnis zum Kapitalismus als historischem System. KritikerInnen der Aufklärung haben keine Zweifel, dass es da eine Verbindung gibt, obwohl sie weniger sicher sind, welche es ist.18 Tatsächlich war die Aufklärung sowohl ein Produkt kapitalistischer Entwicklung als auch ein Beitrag zu ihrer weiteren Expansion. Mikuláš Teich beschreibt sie als, nach Renaissance und Reformation, dritte einer Serie von „historisch demarkierten Sequenzen“, eingebettet in „den langen Übergang von Feudalismus zu Kapitalismus“. Der Übergang war geprägt von deutlichen geographischen und zeitlichen Ungleichheiten zwischen Beginn und Abschluss, zwischen oder selbst innerhalb von Nationen; doch die kulturellen und ideologischen Sequenzen tendierten dazu, sich gleichzeitig, oder nach nur kurzen Verzögerungen, auf der internationalen Szenerie zu manifestieren. Als Resultat unterschieden sich deren Klasseninhalt und soziale Bedeutung je nachdem, ob die jeweilige Nation näher am Anfang oder am Ende dieses Prozesses war: „Die Förderer der Aufklärung waren eine sozial heterogene Gruppe, und von diesem Standpunkt war die Aufklärung eine gemischte „aristokratisch-bürgerliche“ Bewegung. Insoweit es möglich ist, ihr ein gemeinsames Programm zuzuschreiben, war sie reformistisch. Insoweit sie die herrschende feudale Ordnung unterminierte, war sie revolutionär“.19 Albert Hirschmann hat gezeigt, dass viele der Argumente, die von DenkerInnen der Aufklärung in Schottland und Frankreich für den Kapitalismus vorgebracht wurden, nicht auf einer Bewunderung für den Kapitalismus selbst basieren, sondern auf den politischen und gesellschaftlichen Vorteilen, die ökonomische Entwicklung angeblich bringen würde: „Seit dem Ende des Mittelalters, und besonders als Resultat der häufiger werdenden Kriege und Bürgerkriege im 17. und 18. Jahrhundert, wurde nach neuen Verhaltensregeln und Methoden gesucht, um Herrschern wie Beherrschten dringend benötigte Disziplin und Einschränkungen aufzuerlegen, und die Ausweitung von Handel und Produktion wurde in dieser Hinsicht für vielversprechend gehalten.“ Doch die Auswirkungen des Kapitalismus waren alles andere als friedlich und der Ordnung zuträglich, und die damals hervorgebrachten Argumente wurden „nicht bloß vergessen sondern aktiv verdrängt“. Für Hirschmann war dies notwendig für die Legitimität der kapitalistischen Ordnung, da diese „in der festen Überzeugung angenommen wurde, sie würde bestimmte Probleme lösen, und sie daran eindeutig und abgrundtief scheitert“.20
Das triumphierende System musste den Radikalismus der Aufklärung unterdrücken, oder ihn zumindest von der sozialen Welt auf die Natur übertragen. Daniel Gordon schreibt, dass es bereits in „weiten Teilen des Aufklärungs-Denkens“ eine Spannung gab und dass dieses „nicht bloß darauf aus war, Menschen zu überzeugen, dass eine kommerzielle Gesellschaft das beste Regime sei, sondern auch die persönlichen Qualitäten von Mut, Patriotismus und Finesse dramatisierte, die gegen eben dieses Regime kultiviert werden sollten“. In dieser „zweischneidigen Mentalität … sollten wir die Dialektik als einen der Aufklärung internen Prozess sehen – ein Prozess, in der ein bestimmtes Maß an historischem Optimismus sofort Zweifel an der Vollkommenheit der begehrten Gesellschaft produziert“.21 Aus diesen Zweifeln entstammte die radikalisierte Aufklärung im Herzen des Marxismus.22 Im Manifest der kommunistischen Partei (1848) fassen Marx und Engels die Rolle der Aufklärung in der bürgerlichen Revolution zusammen: „Als die alte Welt im Untergehen begriffen war, wurden die alten Religionen von der christlichen Religion besiegt. Als die christlichen Ideen im 18. Jahrhundert den Aufklärungsideen unterlagen, rang die feudale Gesellschaft ihren Todeskampf mit der damals revolutionären Bourgeoisie.“ Kapitalismus musste die Kraft des vernünftigen Denkens entfesseln, doch Vernunft ist nicht das Eigentum einer einzelnen Klasse, und sobald offenbar wurde, dass Menschen die Macht hatten, die Welt entlang kapitalistischer Linien zu verändern, stellte sich unvermeidlich die Frage nach einer weiteren Veränderung: „Die Waffen, womit die Bourgeoisie den Feudalismus zu Boden geschlagen hat, richten sich jetzt gegen die Bourgeoisie selbst“.23 Als dies geschrieben wurde, war die Bourgeoisie damit beschäftigt, die Anwendung der Doktrinen der Aufklärung zu begrenzen, insbesondere indem sie behauptete es wäre schlicht ein Irrtum, eine gefährliche Illusion, dass es irgendetwas jenseits des Kapitals geben könnte. „Es handelte sich jetzt nicht mehr darum, ob dies oder jenes Theorem wahr sei, sondern ob es dem Kapital nützlich oder schädlich, bequem oder unbequem, ob polizeiwidrig oder nicht.“24 Die ArbeiterInnenklasse hätte demnach die Traditionen fortzuführen, welche die Bourgeoisie verlassen hatte. Engels bezeichnete die „deutsche Arbeiterbewegung“ als „Erbin der deutschen klassischen Philosophie“25, Lenin den Marxismus als „rechtmäßige Erbin des Besten, was die Menschheit im 19. Jahrhundert in Gestalt der deutschen Philosophie, der englischen [sic!] Ökonomie und des französischen Sozialismus hervorgebracht hat“.26 Kurz nach der Russischen Revolution fasste Trotzki die Ansicht dreier Generationen von MarxistInnen zusammen: „Das zusammenfassende Denken der bourgeoisen Demokratie erhebt sich in Gestalt ihrer kühnsten, ehrlichsten und weitblickendsten Vertreter – getrieben von den kapitalistischen Widersprüchen – bis zur genialen Selbstverleugnung, ausgerüstet mit dem ganzen Arsenal, das dank der Entwicklung der bourgeoisen Wissenschaft zur Verfügung stand. Das ist die Herkunft des Marxismus“.27 Es gibt immer noch Versuche von liberaler und sozialdemokratischer Seite, die verlorene Einheit der ursprünglichen Aufklärung wieder herzustellen. Gareth Stedman Jones beispielsweise meint, „die heutige Sozialdemokratie sollte … sich auf ihren Geburtsort besinnen und die Ambitionen der späten, demokratischen Aufklärung aufgreifen, und die Vorteile der individuellen Freiheit und der bürgerlichen Gesellschaft mit dem republikanischen Ideal von größerer Gleichheit, einschließenden Bürgerrechten und öffentlichem Wohl verbinden“.28 Das ist buchstäblich utopisch: wir können nicht in die Welt von 1776 oder 1789 zurückkehren. Für Marx war politische Emanzipation Fortschritt, „zwar nicht die letzte Form der menschlichen Emanzipation überhaupt, aber … die letzte Form der menschlichen Emanzipation innerhalb der bisherigen Weltordnung“.29 Doch zugleich war Fortschritt nicht dasselbe wie menschliche Emanzipation. „Wir wissen jetzt, daß dies Reich der Vernunft weiter nichts war als das idealisierte Reich der Bourgeoisie“, schrieb Engels 1888. „So wenig wie alle ihre Vorgänger konnten die großen Denker des 18. Jahrhunderts hinaus über die Schranken, die ihnen ihre eigne Epoche gesetzt hatte“.30 Teil ihrer Epoche zu sein war sowohl ihre Tragik wie Quell ihrer Größe.
Ich hatte geschrieben, dass das Thema der Vorherbestimmung nicht länger im Zentrum aktueller Debatten steht, doch es gibt in der Tat Menschen in der angelsächsischen Welt, die es dort wieder sehen wollen (und die gerade Bildungsinstitutionen in England und den USA finanzieren). Wie ernst sollten wir diese Gefahr nehmen?
Nehmen wir die Einschätzung von Lord May of Oxford als ein Beispiel. Er war Professor für Zoologie am Imperial College, höchster Wissenschaftsberater der britischen Regierung, Vorsitzender des Office of Science and Technology und ist zurzeit Mitglied des britischen Oberhauses. Lord May ist, mit anderen Worten, nicht jemand, den man der Verschwörung zum Sturz der westlichen Zivilisation verdächtigen würde. In einer Ansprache zum Ende seines Vorsitzes der Royal Society veranschaulichte May die Gefahr, die davon ausgehe, was er „die Dunkelheit der fundamentalistischen Irrationalität“ nannte, indem er drei „globale“ Probleme hervorhob: „Klimawandel, Verlust der Biodiversität, neue und wieder auftretende Krankheiten“. WissenschafterInnen strebten nach Lösungen, so May, doch in jedem dieser Fälle sähen sie sich mit Hindernissen konfrontiert: „Kampagnen, initiiert von Menschen, deren Wertesystem oder kommerziellen Interessen sie dazu treiben, die wissenschaftlichen Fakten zu leugnen oder zu entstellen“. So würden Versuche, die Ausbreitung von HIV/AIDS in Afrika zu stoppen, von der katholischen Kirche einer- und der von einem fundamentalistischen Protestantismus unter Druck gesetzte US-amerikanischen Regierung andererseits untergraben, die auf der Abgabe von Kondomen basierende Strategien ablehnen. May zog den Schluss, dass „die zentralen Werte der Aufklärung … die freie, offene, vorurteilslose, unbehinderte Forschung; individuelle Freiheit; Trennung von Kirche und Staat … von wiederauflebendem Fundamentalismus in West und Ost ernsthaft in Gefahr sind“.31
Im Westen hat diese Gefahr in den USA das bedrohlichste Ausmaß erreicht. Bei all der Aufmerksamkeit, die der angeblichen Irrationalität des Islam zuteil wird, macht es Sinn zu betonen, wie sehr die USA Heimat von vor-aufklärerischen Werten ist, mit Millionen von AmerikanerInnen die an genau der Art von Religiosität festhalten, die durch die Aufklärung herausgefordert wurde. Eine Umfrage ergab, dass 80 Prozent der AmerikanerInnen an eine Art Leben nach dem Tod glauben; 76 Prozent glauben an den Himmel (und 64%, dass sie dort hinkommen); 71 Prozent glauben an die Hölle und, wenn auch nur sehr wenige glauben, dass sie selbst dort hinkommen, 32 Prozent, dass sie ein „tatsächlicher Ort der Qualen und Folter“ ist. 18 Prozent glauben an Wiedergeburt, einschließlich zehn Prozent der „Wiedergeborenen Christen“, was auf eine gewisse Unsicherheit mit dem eigenen Wertesystem nahe legt.32 Präsident George W. Bush selbst hat erklärt, dass über die Evolutionstheorie noch kein endgültiges Urteil gefällt wurde.33 John Gray drückt es so aus: „Nirgendwo sonst gibt es Bewegungen, die den Darwinismus aus Öffentlichen Schulen verbannen wollen. In Wahrheit ist die USA ein weniger säkulares Regime als die Türkei“.34
Eine Erklärung dafür könnte darin liegen, dass die USA immer die hemmungsloseste Form des Kapitalismus hatten und AmerikanerInnen am wenigstens durch kollektive Sicherungssysteme geschützt waren. Die verhältnismäßig kurze Periode des wohlfahrtsstaatlichen Kapitalismus (etwa zwischen den 1930er und 1970er Jahren) wurde abgelöst von einer kompletten Umkehr, hin zu einer Situation in der Familien und Gemeinden dem freien Markt ausgesetzt und dadurch auseinander gerissen wurden. Die psychischen Wunden, die Individuen durch solche sozialen Verwüstungen zugefügt werden, laden dazu ein, nach Heilung im Glauben zu suchen. Wie Barbara Ehrenreich bezüglich der von ihr untersuchten arbeitslosen Mittelklasse schreibt, heilen bestimmte Arten von Religion nicht nur entfremdete Seelen, sondern ergänzen auch die individualistische Philosophie, die ihnen diese Wunden ursprünglich zugefügt hatte. „Wenn du alles durch deine eigenen geistigen Anstrengungen schaffen kannst – wenn du nur ausreichend betest oder dich stark genug konzentrierst – gibt es keine Notwendigkeit, die sozialen oder ökonomischen Kräfteverhältnisse zu konfrontieren, die dein Leben bestimmen“.35 Theodor W. Adorno formulierte diesen Punkt in theoretischeren Begriffen, Bezug nehmend auf den Glauben an Astrologie: „So sind selbst Menschen von angeblich ‚normalem’ Geiste bereit, Systeme der Täuschung zu akzeptieren, aus dem einfachen Grund, dass es tatsächlich zu schwierig ist, solche Systeme von jenen ebenso unerbittlichen und undurchsichtigen zu unterscheiden, unter denen sie tatsächlich ihre Leben zu führen haben.“36 Der neoliberale Angriff, den AmerikanerInnen erlebt haben, ist die Form des Kapitalismus, die jetzt überall hin exportiert wird. Eine jüngste Studie zum Aufstieg des religiösen Fundamentalismus bemerkte, dass die Moderne, „die Kraft, von der einst erwartet wurde, dass sie Religion überflüssig machen würde, in Wirklichkeit dazu geführt hat, dass sie mutiert und neue Stärke gewinnt“. Die Universität von Helsinki schätzt, dass zwei Millionen ChinesInnen jedes Jahr zum evangelikalen Christentum konvertieren und die Zahl neuer Konvertiten 300 Millionen erreichen könnte – ein Fünftel der gegenwärtigen Bevölkerung.37 Es ist aber nicht „die Moderne“, die diesen Effekt erzeugt hat, sondern die spezifische Form, die die kapitalistische Moderne in ihrer gegenwärtigen multinationalen Verkörperung angenommen hat. „Die Kombination von … zwei Dimensionen – sozioökonomischer Anomie, zusammen mit politischer und ideologischer Anomie – hat unweigerlich dazu geführt, dass Menschen auf andere Mittel der gesellschaftlichen Solidarität zurückgreifen, wie Religion, Familie und Vaterland“.38 Doch das Problem bleibt, wie mit diesem irrationalen Glauben umzugehen ist. Eine typische Antwort ist jene von Richard Dawkins, der in einer neuen britischen Fernsehserie alle Religionen angreift, unter anderem für ihre Irrationalität, ihre Ablehnung wissenschaftlicher Beweise, ihre Intoleranz und den von ihm so genannten „Kindesmissbrauch“, indem sie absichtlich junge, leicht zu verführende Menschen mit Überzeugungen konfrontieren, die ihre Weltanschauung verdunkeln.39 Doch Dawkins’ Anklagen zeigen keinerlei Verständnis davon oder Interesse daran, weshalb Menschen empfänglich sind, bestimmte Dinge zu glauben. Die Argumente der Aufklärung zu organisierter Religion, die Dawkins im Wesentlichen reproduziert, gehen davon aus, dass diese bestehen bleibt, weil die Mehrheit der Menschen unfähig sind, der Indoktrination durch ihre Priester, Ältesten, Rabbiner oder Imame zu widerstehen. Doch keine AnhängerInnen irgendeiner Religion werden positiv auf eine Kritik reagieren, die Zweifel an ihrer Intelligenz erhebt und ihren Glauben lächerlich macht. Post-Aufklärungs-Denker, vornehmlich Marx und Freud, die sich selbst als auf den Errungenschaften der Aufklärung aufbauend betrachteten, versuchten die gesellschaftlichen und psychologischen Bedürfnisse zu erklären die dazu führen, dass Menschen Religion benötigen, und schlagen Alternativen dazu vor, statt Gläubige einfach für ihr Irrationalität an den Pranger zu stellen. So schrieb Marx den berühmten Satz: „Die Kritik der Religion ist also im Keim die Kritik des Jammertales, dessen Heiligenschein die Religion ist“.40 Was das bedeutete, stellte Freud unabhängig von ihm fest: „Es ist gewiß ein unsinniges Beginnen, die Religion gewaltsam und mit einem Schlage aufheben zu wollen. Vor allem darum, weil es aussichtslos ist. Der Gläubige läßt sich seinen Glauben nicht entreißen, nicht durch Argumente und nicht durch Verbote. Gelänge es aber bei einigen, so wäre es eine Grausamkeit. Wer durch Dezennien Schlafmittel genommen hat, kann natürlich nicht schlafen, wenn man ihm das Mittel entzieht.“41 Dawkins selbst liefert unbeabsichtigt ein Beispiel für den Ansatz, den Freud kritisiert: Michael Shermer, Herausgeber der Zeitschrift „Sceptic“, erzählte davon, wie er öffentlich einen berühmten Fernseh-„Magier“ entlarvte. Der Mann machte gewöhnliche Zaubertricks und spielte den Leuten vor, er könne mit Geistern kommunizieren. Doch statt sich feindselig gegen den enttarnten Scharlatan zu wenden, griff sich das Publikum den Aufklärer und unterstützte eine Frau, die ihn wegen „unangebrachtem“ Verhalten beschuldigte – er habe die Illusionen der Leute zerstört. „Man sollte denken, dass sie dankbar dafür wäre, dass ihr den Schleier von den Augen genommen wurde“, beschwert sich Dawkins, für den die Menschheit immer schon eine gewisse Enttäuschung gewesen ist, „aber anscheinend hatte sie ihn gerne“.42 Dawkins’ Ansatz ist schlicht unfähig, jemanden zu überzeugen, der oder die nicht bereits seiner Meinung ist. Doch was kann religiöse oder „irrationale“ Ansichten tatsächlich verändern? Der chilenische Autor Ariel Dorfman gibt uns ein Beispiel. Als junger Student versuchte er in den späten sechziger Jahren den armen und migrantischen ArbeiterInnen zu helfen, und war Teil eines „Kreuzzugs gegen die Produkte der Kulturindustrie“ wie „Comics, Seifenopern, Westernfilme, Radio- und Fernsehserien, Liebeslieder, gewalttätige Filme“. Eine Frau, die gerne Liebesromane las, nähert sich ihm, während er in einer Wellblechsiedlung arbeitete und fragte, „ob es stimmt, dass ich glaube, dass Leute keine Fotoromane lesen sollten“. Er antwortete: „Ich denke, dass Fotoromane eine Gefahr für ihre Gesundheit und ihre Zukunft sind.“ Sie entgegnete in zartem, fast vertrautem Ton: „Tu’ uns das nicht an, junger Compañero! Nimm mir nicht meine Träume!“ Einige Jahre später traf Dorfman die gleiche Frau wieder, zur Zeit der politischen Radikalisierung während der Regierung Salvador Allendes: „Sie kam einfach zu mir rüber, und verkündete, dass ich Recht hatte, dass sie keinen ‚Schund’ mehr lese. Dann fügte sie einen Satz hinzu der mich immer noch beschäftigt: ‚Jetzt, Compañero, träumen wir die Wirklichkeit!’… Sie hatte ihr altes Ich Überwunden und wurde nicht mehr durch diese Bilder unterhalten, die einst ihre wahre Liebe waren.“43 Diese Hoffnungen auf Befreiung kamen im „ersten 9/11“, dem chilenischen Coup, zu einem jähen Ende. Aber die Lektion bleibt wichtig für all jene, die meinen dass der Weg, andere davon zu überzeugen „die Realität zu träumen“, ist sie aus einer Position vermeintlicher Überlegenheit zu beleidigen, tyrannisieren und einzuschüchtern.
Ein sich stetig nach Rechts bewegender Teil der liberalen Linken, üblicherweise eher in den Medien als an Universitäten verankert, hat es sich zur Aufgabe gemacht, das Banner der Aufklärung weiter zu tragen. Diese Kampagne wird selbstverständlich nicht bloß von einer Handvoll ZeitungskolumnistInnen getragen. Das gesetzliche Verbot des Tragens des Hijab an französischen Schulen und Universitäten wurde etwa von vielen französischen LehrerInnen, großen Teilen der Linken und selbst der trotzkistischen Organisation Lutte Ouvriere unterstützt. Nichtsdestotrotz finden sich Argumente für die Notwendigkeit der Verteidigung säkularer Werte der Aufklärung vor allem unter KommentatorInnen in den Medien. Das frappierende an diesen Argumenten ist ihre Einseitigkeit. Das Hauptziel ihrer Angriffe ist nicht etwa die Kampagne zur Einführung des Kreationismus in US-amerikanische Schulpläne, oder die Weigerung der US-Regierung, die globale Erderwärmung ernst zu nehmen, sondern die angebliche Gefahr, die der islamische Fundamentalismus für die westliche Zivilisation darstellt. Besonders seit dem 11. September wurde der Slogan von der „Verteidigung der Aufklärung“ hochgehalten, um Unterstützung für den „great war for civilisation“, wie Robert Fisk ihn genannt hat, und die Unterdrückung der muslimischen Bevölkerung im eigenen Land zu erheischen.44 Christopher Hitchens, ein besonders lautstarker medialer Unterstützer des „Kriegs gegen den Terror“ erklärte in einer Reihe von Interviews, weshalb jemand, der lange der Linken angehört hatte, sich nun so entschieden auf die Seite der neokonservativen Agenda für den Nahen Osten schlug. Hitchens meinte, dass er sich seit dem 11. September einer Mission verschieben habe, „die Aufklärung zu verteidigen, die Vorzüge des Rationalismus zu verteidigen und auszuweiten, mit allen nötigen Mitteln“.45 Bereits unmittelbar nach den Angriffen auf die USA behauptete er: „Die Bomber von Manhattan repräsentieren einen Faschismus mit islamischem Antlitz, und es gibt hier keinen Raum für irgend einen Euphemismus. Was sie am ‚Westen’ verabscheuen … ist nicht das, was westliche Liberale an ihrem eigenen System nicht mögen und nicht verteidigen, sondern was sie mögen und was sie verteidigen müssen: emanzipierte Frauen, wissenschaftliche Methode, die Trennung von Staat und Religion.“46 Der Irak war natürlich nicht in die Anschläge vom 11. September involviert. Noch war das Ba’athistische Regime, von einigen opportunistischen Verbeugungen Richtung Mekka abgesehen, jemals etwas anderes als eins säkulare Modernisierungsdiktatur. Doch das tat nichts zur Sache – auch dem Irak war die Abscheu der Aufklärung sicher und konnte so unter der allgemeinen Überschrift „Faschismus“ eingeordnet werden, einem Begriff, der in diesem Kontext keinerlei wissenschaftlichen Wert hat, aber extrem nützlich ist, um die liberale Linke hinter den imperialen Kriegsanstrengungen zu vereinen.47 Für ehemals linke UnterstützerInnen des Kriegs gegen den Terror droht der Aufklärung nicht nur Gefahr von islamischem oder arabischem „Faschismus“, sondern auch von einer Linken, die gegenüber diesem angeblich kapituliert hätte. Nach Nick Cohen, einem der britischen B52-Liberale „sind Teile der Linken zum ersten Mal seit dem Hitler-Stalin-Pakt dem Faschismus gegenüber nachgiebig geworden“.48 Warum hat die Linke das getan? Weil sie, „konfrontiert mit einer aktuellen imperialistischen Bewegung – der Islamismus will ein Imperium von den Philippinen bis Gibraltar –, die durch und durch tyrannisch, homophob, frauenfeindlich, rassistisch und mörderisch ist, meint, dass diese legitim ist, weil sie sich gegen die westliche Kultur richtet.“49 Nun wird tatsächlich versucht, ein Imperium von den Philippinen bis Gibraltar zu errichten, doch nicht von MuslimInnen, sondern von eben jenem amerikanischen Staat, dessen militärischen Apparat Cohen ständig auffordert, in noch mehr Länder einzumarschieren. Warum sind so viele ehemalige MarxistInnen in diese höchst einseitige und selektive Version der Aufklärung zurückgefallen? Martin Kettle50, für den „das Scheitern des Sozialismus“ die große Lehre des 20. Jahrhunderts ist, behauptet: „Zu viele Feinde des Kapitalismus und der USA packen immer noch alles in den falschen und selbsttrügerischen Rahmen der behauptet, der Feind meines Feindes wäre mein Freund, selbst wenn er meine Familie in der U-Bahn in die Luft sprengt, meine KollegInnen im Bus ermordet oder droht mich zu enthaupten, weil ich eine Zeichnung veröffentliche, denn schließlich ist er immer noch im Krieg mit Bush, Blair uns Berlusconi“.51 Das sind krude Unterstellungen. Kennt Kettle tatsächlich jemanden, der oder die diese Position einnimmt? Dies ist ein klassisches Beispiel für stalinistische Taktiken, angewandt von reuigen StalinistInnen. Dahinter offenbart sich der schwere Geruch von Niederlagen, durchkreuzter Hoffnungen und das Herunterschrauben der politischen Ambitionen auf bescheidenere Größenordnungen, in der die Welt nicht verändert, aber zumindest für Guardian-KolumnistInnen sicher gemacht werden soll. Dass die Aufklärung mit ihrem großen, Prometeus’schen Beharren darauf, dass Menschen ihre Welt transformieren können, für diesen Rückzug in Anschlag gebracht wird, ist bedauerlich, und in manchen Fällen tragisch. Die Rede ist von Rationalität, doch dahinter steht die Vorstellung, dass der Mensch zum Bösen drängt und daher kontrolliert werden muss.
Es gibt jedoch einen Aspekt der liberalen Argumente der „Neuen Aufklärung“, der gewisse Plausibilität besitzt, nämlich ihre Attacken auf die Absurditäten des Postmodernismus. Fred Halliday, einer der B52-Liberalen52, landet einige schöne Treffer gegen die postmodernistische Linke: „Wenn du in den Gefängnissen der islamischen Garden im Iran dahinsiechst, gezwungen wirst, mittelalterliche Kleidung auf den Straßen Teherans zu tragen, für deine Verteidigung des Säkularismus in Ägypten erschossen oder in Bombay aus deinem Hem vertrieben und möglicherweise getötet wirst oder dir dein Land von Leuten gestohlen wird, die behaupten, Gott hätte es ihnen gegeben, wird es wenig helfen wenn du, im Namen universeller Werte protestierend, als ethnozentrisch oder nicht postmodern-spielerisch genug entlarvt wirst oder dir gesagt wird, dass wir leider nicht ganz sicher sein können, ob die Rechte, die du einforderst, auch angemessen begründet werden können.“53 Es wird nur wenige auf der Linken geben, die dem widersprechen. Dennoch gibt es gelegentliches Zögern, das Erbe der Aufklärung zu verteidigen. Anschließend an die Aufklärung war das mehr als hundert Jahre lang kein Thema. Wenn die ArbeiterInnenklasse und die Unterdrückten ein materielles Interesse von der Bourgeoisie geerbt hatten, die Welt zu transformieren, so hatten sie ebenso die Macht der Vernunft als Mittel zur Erreichung dieser Transformation geerbt. In Robert Burns’ „A Man’s A Man For a’ That“ (1795) ist es “the man o’ independent mind”, der über die Anmaßungen der Aristokratie lacht.54 William Wordsworth schrieb in seinem Gedicht „For Toussaint L’Ouverture“ (1802) über den Anführer der SklavInnenrevolution in Santo Dominge, dieser hätte unter seinen größten Verbündeten „man’s unconquerable mind“.55 Diese Ansichten wurden in die eigentliche ArbeiterInnenbewegung übertragen. Die „Internationale“, 1870 verfasst vom französischen Sozialisten Eugene Pottier, beruft sich auf „Vernunft, die in ihrem Krater donnert“ und ruft die unterwürfigen Massen auf, sich ihres Aberglaubens zu entledigen.56 Diese Traditionen sind durchaus lebendig. Die amerikanische Journalistin Barbara Ehrenreich hat kürzlich auf diese Weise an ihre Eltern erinnert: „Meine Familie waren ursprünglich arme ArbeiterInnnen, aber ganz stark der Rationalität verpflichtet, auf eine sehr positivistische – ich würde heute sagen: limitierte – Art. Doch sie waren sehr streitbar in diesen Dingen. Und ich respektiere diese Rationalität als etwas, das ihnen etwas Würde gegenüber ihren Bossen verliehen hat … Ich habe Rationalität immer als etwas gesehen, das nicht der Unterdrücker besitzt und meine Leute nicht, sondern als etwas, das ich eher unter den Unterdrückten finde als unter jenen, die beschäftig versuchen, ihre Position in der Gesellschaft zu rechtfertigen, ohne Rücksicht auf Wahrheit.“57 Es gab stets jene auf der Linken, von William Blake bis George Sorel, die Vernunft – oder bestimmte Formen der Vernunft – als Fallstrick der bürgerlichen Gesellschaft sahen und ablehnten. Doch angesichts der Feinde, die das Erbe der Aufklärung in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts gegen sich aufgebracht hatte, war das eine Minderheitenposition. „Damit wird das Jahr 1789 aus der Geschichte gestrichen“, erklärte Joseph Goebbels, der neu ernannte nationalsozialistische Minister für Volksaufklärung und Propaganda, in einer Radioansprache vom 1. April 1933.58 Mit „1789“ meinte er nicht nur die Französische Revolution, sondern die gesamte Tradition der Aufklärung, die zu ihr beigetragen hatte. Vor diesem Hintergrund hielt Trotzki, wie schon Marx und Engels, die Tradition der Aufklärung hoch. In der „Geschichte der Russischen Revolution (geschrieben 1930) heißt es: „Den historischen Aufstieg der Menschheit kann man, im ganzen genommen, resümieren al seine Kette von Siegen des Bewußtseins über die blinden Kräfte – in Natur, Gesellschaft und im Menschen selbst.“59 Der hierin ausgedrückte Optimismus – unter außerordentlich schwierigen Umständen – entspringt der Überzeugung, die der Marxismus von der Aufklärung geerbt hatte, dass Menschen die Fähigkeiten haben, die Welt neu zu gestalten. Die Geschichte des 20. Jahrhunderts untergrub solchen Optimismus. Mit dem Holocaust entstand die erste ernsthafte linke Kritik der Aufklärung: Theodor W. Adorno und Max Horkheimer stellten fest, dass der Aufklärung alles, was nicht der Berechnung und Nutzbarmachung unterworfen werden konnte, suspekt war. Oder, einfacher ausgedrückt: „Aufklärung ist totalitär wie nur irgendein System“.60 Schließlich entwickelte sich in den 1950ern, mit dem Kalten Krieg, der Wasserstoffbombe und der anhaltenden Entfremdung selbst im „Wohlstandskapitalismus“ der USA, die Beat-Subkultur, die Fantasie und Vorstellungskraft der Vernunft entgegensetzte – eine Stimmung, die in den 1960ern eine breites Publikum fand und sich etwa in den Texten Bob Dylans („she knows too much to argue or to judge“61) oder dem Mystizismus des Hippie-Flower-Power-Booms von 1967 ausdrückte. Die Niederlage der Befreiungsbewegungen, die wir mit 1968 verbinden, brachte den in der „Gegenkultur“ angelegten Irrationalismus an die Oberfläche. „Was könnte für eine Generation, die durch das politische Auf und Ab der letzten zwei Jahrzehnte erst zum Marxismus hin und dann von ihm weg gezogen wurde“, schreibt Alex Callinicos“, „beruhigender sein, als – im Stile der vorgeblichen Tiefgründigkeit und tatsächlichen Obskurität der vom „68er-Denken“ kultivierten submodernistischen Rhetorik – erklärt zu bekommen, dass sie nichts tun können, um die Welt zu ändern?“62 Mehrere Generationen von Radikalen und Möchtegern-Radikalen wurden bisher in den frommen Lehren des Postmodernismus geschult. Viele von ihnen sehen die Aufklärung mit starkem Misstrauen, als Instrument der Unterdrückung und der Beherrschung der Natur, und sonst kaum etwas. Entsprechend sind die nicht willens oder fähig, sie zu Verteidigen. Roger Burbach, ein aktiver Unterstützer der globalisierungskritischen Bewegung, kritisiert praktisch alle Parteien, inklusive jene der Linken als „Erben des Projekts der Aufklärung“.63 Ähnliche Themen finden sich in der Einleitung zu einem viel gelesenen Sammelband zur Bewegung: „Denn die Zeit der einzelnen Ideologien und großen Erzählungen war vorüber. Die Menschen hatten es satt, sich für große Pläne zu opfern die ihre individuellen Bedürfnisse, ihre Menschlichkeit, ihre Kultur, ihre Kreativität nicht berücksichtigten.“64 Jedoch, betont etwa Larry Laudan, „so sehr die neue Linke sich starken Formen des Relativismus verschreibt – und das tut sie in bemerkenswertem Ausmaß –, so sehr hat sie jede theoretische Grundlage für ihr Handeln verloren“.65 Denn, so schreibt Elizabeth Wilson, nachdem „wir keine Gründe angeboten bekommen, warum wir eine Sache eher glauben sollen als eine andere, können wir genauso gut ein Erhardt-Seminar-Traning wie radikale Politik praktizieren; Buddhismus ist so gut wie Bolschewismus (oder besser); Therapie statt kollektiver Aktion; Astrologie ist ‚the name of the game’“.66
Welche Haltung sollten SozialistInnen also, angesichts dieser ehrlichen Feinde und falschen Freunde, zum Erbe der Aufklärung einnehmen? Kehren wir noch einmal zurück zu den drei Bereichen, die ich zuvor als zentrale Ideen der Aufklärung definiert habe: Universalismus, Fortschritt und Vernunft. Nehmen wir zunächst Universalismus. Während PostmodernistInnen endlos über die Wunder der Differenz und Partikularität diskutieren, sind sich faschistische und rechtsextreme PolitikerInnen sehr klar darüber, wie nützlich Anti-Universalismus für ihre Ziele ist. Richard Wolin berichtete über die Entwicklungen im Frankreich der 1990er Jahre: „Repräsentanten der neuen europäischen Rechten wie Alain de Benoist begannen, diskriminierende Gesetze und kulturellen Separatismus durch „differentiellen Rassismus“ zu rechtfertigen – was sich etwa in Le Pens zynischem Sager ausdrückte, ‚Ich liebe Nordafrikaner, aber ihr Platz ist im Maghreb“. An diesem Punkt wurde die Inhaltslosigkeit von „Differenz“ als ethischem Paradigma auf schmerzliche Weise offensichtlich“.67 Manchmal nimmt der Rassismus aber auch sehr traditionelle Formen an. Nehmen wir als Beispiel einen Bericht der US-amerikanischen Friedensaktivistin Cindy Sheehan an ihre AnhängerInnen, der auf mehreren Webseiten veröffentlicht wurde. Darin beschreibt sie folgende Episode: „Ich bekam einmal ein Hass-Mail von einem ‚patriotischen Amerikaner’ der meinte, dass wenn wir irakische Mütter und Väter sehen, die um ihre getöteten Kinder weinen, diese ‚nur für die Kameras posieren. Sie sind Tiere, die sich nicht um ihre Kinder kümmern weil sie wissen, dass sie neue produzieren können’“ Sheehan meint dazu: „Diese verrückte Rhetorik … entmenschlicht uns alle“.68 Und das scheint mir die richtige Antwort zu sein, die aufgeklärte Antwort, sozusagen. Ein Grund (unter vielen andere), weshalb wir unsere Regierungen daran hindern sollten, irakische Kinder zu töten und ihre Eltern dem Leid dieses Verlusts auszusetzen ist genau dass „sie“ so sind wie „wir“, mit den selben Verhältnissen und den selben Emotionen. Angesichts eines Rassismus wie jenem des Absenders des E-Mails an Sheehan, ist die Berufung auf die „Irreduzibilität der Differenz“ oder andere Parolen des Kulturrelativismus tatsächlich noch schlimmer als nutzlos, denn sie treffen sich auf halbem Wege mit dem rassistischen Argument. Wenn Irakis, ChinesInnen, !Kung San oder sonst jemand alle grundsätzlich verschieden sind, dann ist es, so man dieser Logik folgen will, auch zulässig, sie unterschiedlich zu behandeln. Während SozialistInnen dem Begriff der Universalität neue Geltung verschaffen sollten, müssen sie die zweite zentrale Idee, jene des Fortschritts, hinterfragen. Definieren wir Fortschritt zunächst schlicht als die wachsende Fähigkeit der Gesellschaft, die Weltbevölkerung am Leben zur erhalten und ein erfülltes menschliches Leben zu ermöglichen. Der Kapitalismus gab uns, vor mehr als hundert Jahren, die Technologien, Fähigkeiten, Methoden und Produktivitätsniveaus, mit denen der Sozialismus hätte erreicht werden können. Nachdem dies nicht geschah, entwickelten sich diese weiter, ungeachtet der fürchterlichen Krisen, durch die das System regelmäßig erschüttert wird. Millionen haben unnötig gelitten und sind gestorben; doch gleichzeitig können wir, falls wir eine sozialistische Gesellschaft erreichen, diese auf der Basis von Entwicklungen schaffen, von denen frühere Generationen von MarxistInnen bloß träumen konnten. Technologische Verbesserungen sind nicht an sich fortschrittlich: „Die einfache Identifizierung von technologischer Entwicklung mit Fortschritt übergeht Fragen der sozialen Form und der Produktionsverhältnisse.“ Das Problem ist jedoch nicht der technologische Aspekt der Produktivkräfte selbst, so Esther Leslie in ihrer herausragenden Studie über Walter Benjamin, sondern die Produktionsverhältnisse, unter denen sie auftreten. Obwohl beide sich entwickeln, gibt es eine Tendenz der Produktionsverhältnisse, die Produktivkräfte zu hemmen. „Jeder Zentimeter des Fortschritts auf technologischer Ebene lässt, unter diesen Produktionsverhältnissen, die Unterdrückten auf gesellschaftlicher Ebene unter Rückschritten leiden: so wie Marx die Maschinerie als potentielle Befreierin begriff, die in diesem Moment, unter dieser Organisation der Produktionsverhältnisse nur unsere Ausbeutung, und oft unser Leid, intensiviert“.69 Jede Diskussion über Fortschritt muss daher mit der Frage beginnen: Fortschritt für wen? Dies führt uns zur letzten Idee, jener der Vernunft selbst. Hier müssen wir, wie im Fall des Fortschritts, fragen: Vernünftig für wen? Dieses entscheidende Problem wurde einst von Max Horkheimer identifiziert: „Die Schwierigkeiten rationalistischer Philosophie entspringen der Tatsache, dass die Universalität der Vernunft nichts anderes sein kann als die Übereinkunft der Interessen aller Gruppen, während in Wirklichkeit die Gesellschaft in Gruppen mit widerstreitenden Interessen geteilt ist“.70 KapitalistInnen müssen Handlungen setzen, die, so rational sie für einzelne Mitglieder ihrer Klasse sein mögen, für alle anderen furchterregend unvernünftig sein können. Die Tabakunternehmen, die gerade riesige neue Märkte für ihre Drogen in Südost-Asien erschließen, werden in einiger Zeit für eine Krebsepidemie verantwortlich sein, die wiederum untragbaren Druck auf die fragilen Gesundheitssysteme dieser Länder erzeugen wird, deren Kosten die ArbeiterInnenklasse und Bauern und Bäuerinnen tragen werden, was zu weiterer innerer Instabilität und schließlich zu Kriegsgefahr führt. Doch nichts davon findet Eingang in die Kalkulationen der legalen Drogenbarone. Eine ähnliche Logik findet sich bei den Kernenergie- und Erdölkonzernen, die George W. Bushs Weigerung, auch nur beschränkte Versuche zur Reduktion der Treibhausgase in Erwägung zu ziehen, unterstützen. Das Wasser steigt in Bangladesh und Mozambique, doch dies wird nicht in deren Kalkulationen einfließen, solange US-Küsten nicht vom Pazifik bedeckt werden – und, wie die Erfahrung von New Orleans zeigt, vielleicht nicht einmal dann. Sobald Akkumulation eingesetzt hat gibt es keine Wahl mehr, ob rational oder nicht, denn es gibt keine Alternativen: es gibt bloß die Unterordnung unter einen grausamen, erbarmungslosen und unausweichlichen Zwang. Wir können daher nicht einfach die Aufklärung ablehnen, ohne uns einiger der wichtigsten intellektuellen Waffen für die Emanzipation des Menschen zu berauben. Doch genauso wenig können wir vorgeben, sie habe keine Beschränkungen, oder dass es keine positiven intellektuellen Entwicklungen seit Beginn des 19. Jahrhunderts gäbe. Die Aufgabe ist, jene Elemente der Aufklärung zu identifizieren, die den kapitalistischen ökonomischen und sozialen Bedingungen, aus denen sie ursprünglich hervorgegangen war, eigen sind, und jene, die genuin universell sind und daher für andere Zwecke genutzt werden können. Seit der Ära der Aufklärung haben jene, die sich als ihre Erben gerieren, gegenläufige Positionen in Bezug auf ihre gesellschaftlichen Ziele eingenommen. Eine Position ist, dass sich die Aufklärung – so weit als möglich – in den Kernländern des Kapitalismus durchgesetzt hat und nun auf jene Teile der Welt ausgeweitet werden muss, die noch immer in der „Prämoderne“ dahintümpeln. Die Zeit hat diese Behauptungen gerichtet: Krieg, Naturkatastrophen, Armut – dies sind die Früchte von kapitalistischer Vernunft, kapitalistischem Fortschritt und der Ablehnung der Universalität. Die andere ist schlicht diese: Die gesellschaftlichen Ziele der Aufklärung werden in kapitalistischen Gesellschaften immer nur teilweise erreicht werden, und selbst diese beschränkten Erfolge sind ständig in Gefahr. Unter diesen Umständen ist nur eine sozialistische Position fähig die „Aufklärung zu verteidigen“, aber auch, und vor allem, sie zu vervollständigen.
Übersetzt von Benjamin Opratko und Michael Botka.
Erstmals erschienen in International Socialism 110 (2006), 85-112.
Mit freundlicher Genehmigung von Neil Davidson und International Socialism.
Die ungekürzte Version ist unter www.perspektiven-online.at abrufbar.
Von Neil Davidson ist zuletzt erschienen: Discovering the Scottish Revolution 1692-1746, London, 2003.
1 Spinoza, Baruch de: Theologisch-politische Abhandlung, Berlin, 1870: 6
2 Vgl. Davidson, Neil: Islam and Enlightenment, in: Socialist Review, März 2006, http://www.socialistreview.org.uk/article.php?articlenumber=9680
3 Kant, Immanuel: Beantwortung der Frage: Was ist Aufklärung, in: Berlinische Monatsschrift, Dezember 1784: 493-494, http://www.uni-potsdam.de/u/philosophie/texte/kant/aufklaer.htm
4 Smith, Adam: Lectures on Jurisprudence, Oxford, 1978: 14, 16
5 Lord Kames: Historical Law Tracts, Glasgow, 1758: 56
6 Hardt, Michael/Negri, Antonio: Multitude. Krieg und Demokratie im Empire, Frankfurt/Main, 2004: 339; ausführlicher 338-345
7 Spinoza, Baruch de: Theologisch-politische Abhandlung, Berlin, 1870: 10-11; weiter heißt es da: „Ich lade deshalb den grossen Haufen und Alle, welche die gleichen Leidenschaften mit ihm hegen, zum Lesen dieser Schrift nicht ein, vielmehr ist es mir lieber, sie legen sie ganz bei Seite, als dass sie sie wie Alles verkehrt auslegen und damit lästig fallen“ (Anm. d. Ü.).
8 Voltaire an D’Alembert, 2. September 1768, in: ders.: Oeuvres Completes, Bd. 46, Paris, 1880: 112
9 Siegel Paul N.: The Meek and the Militant: Religion and Power across the World, London, 1986: 22 (deutsch: Die Demütigen und die Militanten, http://www.marxists.de/religion/siegel/index.htm)
10 Outram, Dorinda: The Enlightenment, Cambridge, 1995: 122-123; Beales, Derek: Enlightenment and Reform in 18th-Century Europe, London und New York, 2005: 9-10.
11 Charles de Secondat, Baron de Montesquieu: The Spirit of Laws, edited by D. W. Carrithers, Berkeley, Los Angeles und London, 1977: p262
12 Hegel, Georg Wilhelm Friedrich: Vorlesungen über die Philosophie der Geschichte, Leipzig, 1979: 155
13 Herder, Johann Gottfried: Briefe zur Beförderung der Humanität, Bd. 2, Berlin und Weimar, 1971: 263
14 James, C.L.R.: The Black Jacobins: Toussaint L’Ouverture and the San Domingo Revolution, revised edition, London, 1980: 69-75 (deutsch: Die Schwarzen Jakobiner. Toussaint l’Ouverture und die Unabhängigkeitsrevolution in Haiti, Köln, 1984); Blackburn, Robin: The Overthrow of Colonial Slavery, 1776-1848, London und New York, 1988: 145, 169-176
15 In der ersten deutschen Übersetzung vom 5. Juli 1776: „Wir halten diese Wahrheiten für ausgemacht, dass alle Menschen gleich erschaffen wurden, dass sie von ihrem Schöpfer mit gewissen unveräußerlichen Rechten begabt wurden, worunter Leben, Freiheit und das Streben nach Glückseligkeit sind.“ (Anm. d. Ü.)
16 Berube, Michael: Public Access: Literary Theory and American Cultural Politics, London und New York, 1994: 205
17 Eagleton, Terry: The Illusions of Postmodernism, Oxford und Cambridge/Mass., 1994: 113
18 Vgl. Foucault, Michel: Wahrheit und Macht. Interview mit A. Fontana und P. Pasquino, in: ders.: Dispositive der Macht. Über Sexualität, Wissen und Wahrheit, Berlin, 1978:54; Chatterjee, Partha:, ‘Nationalist Thought and the Colonial World’, in: ders.: The Partha Chatterjee Omnibus, New Delhi, 1999: 168; Wood, Ellen Meiksins: The Origin of Capitalism: A Longer View, London und New York, 2002: 190
19 Teich, Mikuláš: ‘Afterword’, in: Porter, Roy/ Teich, Mikuláš (Hg.): The Enlightenment in National Context, Cambridge, 1981: 216-217. Vgl. Auch: Venturi, Franco: Utopia and Reform in the Enlightenment, Cambridge, 1971: 11
20 Hirschman, Albert O.: The Passions and the Interests, Twentieth Anniversary Edition, Princeton, 1997: 66, 128-135
21 Gordon, Daniel: On the Supposed Obsolescence of the French Enlightenment, in: ders. (Hg.): Postmodernism and the Enlightenment, New York und London, 2001: 204
22 Callinicos, Alex: Social Theory. A Historical Introduction, Cambridge, 1999: 56
23 Marx, Karl/ Engels, Friedrich: Manifest der kommunistischen Partei, MEW 4: 480, 468
24 Marx, Karl: Nachwort zur Zweiten Auflage, Das Kapital Bd. 1, MEW 23: 21
25 Engels, Friedrich: Ludwig Feuerbach und der Ausgang der klassischen deutschen Philosophie, MEW 21: 307
26 Lenin, Wladimir I.: Drei Quellen und drei Bestandteile des Marxismus, Lenin Werke 19: 3
27 Trotzki, Leo D.: Literatur und Revolution, Essen, 1994: 198
28 Jones, Gareth Stedman: An End to Poverty? A Historical Debate, London, 2004: 235
29 Marx, Karl: Zur Judenfrage, MEW 1: 356
30 Engels, Friedrich: Die Entwicklung des Sozialismus von der Utopie zur Wissenschaft, MEW 19: 190
31 May, Robert: Threats to Tomorrow’s World, anniversary address delivered by the President of the Royal Society, 30. November 2005, London, 2005:4, 16-17, 23
32 The Barna Update: Americans Describe Their Views About Life After Death, 23. Oktober 2003, http:// www.barna.org/FlexPage.aspx?Page=BarnaUpdate&BarnaUpdateID=150
33 In seinen Worten: „The jury is still out on evolution“, zit. nach Harris, Paul: Would You Adam ’n’ Eve it…Dinosaurs in Eden, The Observer, 22. Mai 2005
34 Gray, John: Al Qaeda and What It Means to be Modern, London, 2003: 23.
35 Ehrenreich, Barbara: Bait and Switch. The Futile Pursuit of the Corporate Dream, London, 2006: 221. Vgl. Kap 5, „Networking with the Lord”
36 Adorno, Theodor W.: The Stars Down to Earth, in: ders.: Gesammelte Schriften, Band 9.2, Frankfurt/Main, 1975: 110. Eigene Übersetzung.
37 McKenzie, Debora: End of the Enlightenment, in: New Scientist, 8. Oktober 2005: 41, 43
38 Achcar, Gilbert: The Clash of Barbarisms. September 11 and the Making of the New World Disorder, New York, 2002: 89
39 The Root of All Evil?’ gesendet am 9. und 16. Januar 2006, Channel 4
40 Marx, Karl: Zur Kritik der Hegelschen Rechtsphilosophie, MEW 1: 379
41 Freud, Sigmund: Die Zukunft einer Illusion, in: ders.: Gesammelte Werke, Bd. 14, Frankfurt/Main, 1999: 372
42 R Dawkins, ‘Preface’, in Unweaving the Rainbow: Science, Delusion and the Appetite for Wonder (London, 1988), pxi.
43 Dorfman, Ariel: The Empire’s Old Clothes: What the Lone Ranger, Babar and Other Innocent Heroes do to Our Minds, London, 1983: 3-5
44 Fisk fand diese Worte auf dem Rücken einer Erinnerungsmedaille, die sein Großvater für seine Dienste im Ersten Weltkrieg erhalten hatte. Vgl. Fisk, Robert: The Great War for Civilization: the Conquest of the Middle East, London, 2005: ix
45 Massie, Alex: The Trial of Christopher Hitchens, in: Scotland on Sunday, 18. Juli 2003, http://scotlandonsunday.scotsman.com/ViewArticle.aspx?articleid=2441597
46 Hitchens, Christopher: Against Rationalization, in: ders.: Love, Poverty and War: Journeys and Essays London 2005: 413
47 Hitchens, Christopher: Regime Change, Harmondsworth, 2003: 56
48 Cohen, Nick: By the Left…about Turn, in: The Observer, 14. Dezember 2003
49 Cohen, Nick: I Still Fight Oppression, in: The Observer, 7. August 2005
50 Englischer Journalist, der in den 1980ern der „eurokommunistische“ ausgerichteten Zeitschrift „Marxism Today“ nahe stand und später zu Tony Blairs „New Labour“ konvertierte (Anm. d. Ü.).
51 Kettle, Martin: When it was no Longer Sweet or Noble to Kill for the Cause, in: The Guardian, 11. Februar 2006,
52 „B52 liberals“ werden, nach den gleichnamigen Bombern, kriegsbefürwortende (Links-)Liberale genannt (Anm. d. Ü.).
53 Halliday, Fred: Fundamentalism and Political Power, in: ders.: Two Hours that Shook the World: September 11, 2001. Causes and Consequences, London, 2002: 67
54 Burns, Robert: A Man’s a Man for a’ That, in: ders.: The Canongate Burns, Edinburgh, 2001: 512. Robert Burns war schottischer Schriftsteller, Dichter und politischer Kommentator. “A Man’s a Man For That”, inspiriert von der Französischen Revolution, gilt als Hymne für ein freies und sozialistisches Schottland (Anm. d. Ü.).
55 Wordsworth, William: To Toussaint L’Ouverture, in Paulin, Tom (Hg.): The Faber Book of Political Verse, London, 1986: 229
56 In der deutschen Version der Internationale, 1910 von Emil Luckhardt verfasst, fehlt der Hinweis auf Vernunft – dort ist es „das Recht“, das „wie Glut im Kraterherde nun mit Macht zum Durchbruch dringt“; Der „Aberglaube“ („away with all your superstitions“) wiederum findet sich nur in der englischen Version – im französischen Original gilt es, „mit der Vergangenheit reinen Tisch“ zu machen („du passé faisons table rase“), in der deutschen Fassung „mit den Bedrängern“ (Anm. d. Ü.).
57 Ehrenreich, Barbara: For the Rationality Debate, http://www.zmag.org/zmag/articles/ehrenrationpiece.htm
58 Zit. nach Bracher, Karl Dietrich: The German Dictatorship, Harmondsworth, 1970: 10.
59 Trotzki, Leo: Geschichte der russischen Revolution, Bd. 3, Frankfurt/M, 1973: 982
60 Adorno, Theodor W./ Horkheimer, Max: Dialektik der Aufklärung. Philosophische Fragmente, Frankfurt/M., 1971: 25
61 Dylan, Bob: Love minus Zero/No Limit, in: ders.: Lyrics: 1962-1985, London, 1985: 260
62 Callinicos, Alex: Against Postmodernism. A Marxist Critique, Houndmills, 1989: 168, 170
63 Burbach, Roger: Globalisation and Postmodern Politics. From Zapatistas to High-Tech Robber Barons, London und Kingston, Jamaica, 2001: 10-11
64 Notes from Nowhere: Emergence, in: dies.: (Hg.): We are Everywhere. The Irresistible Rise of Global Anticapitalism, London und New York, 2003: 23
65 Laudan, Larry: Science and Relativism: Some Key Controversies in the Philosophy of Science, Chicago, 1990: 163
66 Wilson, Elizabeth: Rewinding the Video, in: dies.: Hallucinations: Life in the Post-Modern City, London, 1988: 208-9
67 Wolin, Richard: The Seductions of Unreason. The Intellectual Romance with Fascism from Nietzsche to Postmodernism, Princeton und Oxford, 2004: 160
68 Sheehan, Cindy: A New World is Possible, http://www.worldsocialforumlive.org/?p=27#more-27 veröffentlicht am 26. Januar 2006
69 Leslie, Esther: Walter Benjamin. Overpowering Conformism, London und Sterling, VI, 2000: 178, 231
70 Horkheimer, Max: The End of Reason, in: Arato, Andrew/ Gebhardt, Eike (Hg.): The Essential Frankfurt School Reader, New York, 1978: 30