Artikel drucken Twitter Email Facebook

Macht ist Wissen – Bildung und Soziale Ungleichheit
von Maria Asenbaum

Rezension: Sylvia Kuba (Hg.): Im Klub der Auserwählten. Soziale Selektion an der Universität. Analysen und Strategien. Wien: Löcker Verlag 2007. 15,50 €

Der schrittweise Abbau des freien Hochschulzugangs in Österreich, durch die Einführung immer neuer Zugangshürden, hat unter den Betroffenen anfangs noch zu massiven Protesten geführt. Aktuell scheint diese Empörung zusehends dem Mainstream-Diskurs von Leistungsgesellschaft und (geistigen) Eliten zu weichen. Der kürzlich erschienene Sammelband Im Klub der Auserwählten, herausgegeben von der VSSTÖ-Vorsitzenden Sylvia Kuba, versucht, dieser Entwicklung entgegen zu treten. Dabei stehen weniger aktuelle bildungspolitische Entwicklungen im Vordergrund, als eine Analyse der Rolle des Bildungssystems als soziales Sieb und Reproduktionswerkzeug bestehender gesellschaftlicher Hierarchien. Im Vorwort wird die Motivation dazu folgendermaßen zusammengefasst: Eine Reaktion auf die Einführung von Zugangsbeschränkungen, das Vorantreiben des wissenschaftlichen Diskurses abseits des tagespolitischen Geschehens und politsch-praktische Perspektiven aus den theoretischen Erkenntnissen abzuleiten. Rund um das Thema „Soziale Selektion an der Universität – Analysen und Strategien“ versuchen sieben AutorInnen aus verschiedensten Perspektiven, empirisch und theoretisch, gesamtgesellschaftlich und problemspezifisch, diesem Anspruch gerecht zu werden.
Zum Einstieg präsentiert Stefan Vater einige erschreckende Statistiken zur Unterrepräsentiertheit von ArbeiterInnenkindern bzw. Personen aus so genannten „bildungsfernen Schichten“ an den Universitäten in Österreich. „In der österreichischen Bevölkerung werden 17% dem sozialen Status der ArbeiterIn zugezählt, von den Studierenden geben nur 4% den Beruf der Mutter und 7% den Beruf des Vaters als ArbeiterIn an.“ Außer dem Beruf der Eltern gelten noch deren höchste abgeschlossene Schulbildung und die damit verbundene „Bildungsaspiration“ als entscheidende Variablen. Wobei die „schärfste Selektionsschnittstelle“ die Wahl des Schultyps nach der Volksschule ist, also der gesamte Bildungsweg eines Menschen bereits mit zehn Jahren seine entscheidende Weichenstellung erfährt. Vater macht in seinen weiteren Ausführungen deutlich, dass dieser Umstand nicht auf ein Versagen des Bildungssystems zurückzuführen ist, sondern, dass Schule und Bildung als Elemente „ideologischer Staatsapparate“ (Althusser) verstanden werden müssen. „Schule leistet die Integration in eine segmentierte Gesellschaft und die Unterordnung unter eine spezifische Disziplinarordnung des Wissens, der weitere Bildungsweg oder in den meisten Fällen Arbeitsweg führt diese Unterordnung fort.“ Was wem wie gelehrt wird, ist demnach also ein Mittel, um gesellschaftliche Positionen festzulegen. Im neoliberalen Bildungsdiskurs wird darüber hinaus ein sozial undurchlässiges System ideologisch ausgeblendet und in persönliche Probleme unbegabter oder wenig motivierter Individuen umgedeutet, deren soziale Herkunft damit scheinbar nichts zu tun hat.
Auch Erich Ribolits beschäftigt sich in seinem Beitrag mit Bildungsdiskursen, aber nicht nur den offenkundig neoliberalen, sondern zentral mit der auch auf der liberalen Linken häufig bemühten Forderung nach „Chancengleichheit“. Er streicht dabei heraus, dass Chancengleichheit Ungleichheit in der Gesellschaft voraussetzt und untersucht diesen Kontrast in der Geschichte der österreichischen Sozialdemokratie. Am Beispiel der „Arbeiterbildungsvereine“, die bereits auf das 19. Jahrhundert zurückgehen, zeigt er, dass Bildung von sozialdemokratischer Seite her zunächst als „Grundlage für den Kampf um eine klassenlose Gesellschaft“ konzipiert war, im Verlauf der Geschichte aber immer mehr zum Mittel sozialen Aufstiegs wurde und die Rede vom Aufstieg nicht mehr im Widerspruch zur sozialen Hierarchie steht. Daher auch der provokante Titel von Ribolits’ Artikel „Lernen statt revoltieren?“ und seine These, dass die Forderung nach Chancengleichheit beim Bildungszugang, ohne über die Rolle bürgerlicher Bildungsinstitutionen zu reflektieren, der Forderung nach einer realen Veränderung gesellschaftlicher Verhältnisse im Wege steht.
In den weiteren Artikeln dieses Buches werden eher spezifischere Problemlagen auf einer pragmatischeren Ebene analysiert. Martha Eckl beschreibt die Probleme berufstätiger Studierender und fordert die Universitäten auf, besser auf diese wachsende Gruppe von Universitätsangehörigen einzugehen. Barbara Blaha und Lisa Schindler widmen sich Genderaspekten der Hochschulpolitik und zeigen auf, dass, wie viel sich auch in den praktischen Möglichkeiten für Frauen an den Universitäten im letzten Jahrhundert verbessert hat, hier immer noch viel in Punkto Frauenförderung zu tun bleibt. In ihrer Kritik beziehen sie sich auf Bourdieus kulturelles und soziales Kapital und „die männliche Prägung des akademischen Habitus“. Deshalb muss Frauenförderung nicht nur auf die formale, sondern auf alle relevanten Ebenen in Schule und Universität abzielen. Schließlich gibt Torsten Bultmann einen Einblick in die hochschulpolitischen Debatten in Deutschland und stellt dabei das Recht auf Bildung einer Debatte um „Vermarktung und Vertrieb von Studienangeboten“ gegenüber. Elke Gruber stellt noch das Konzept beruflicher Weiterbildung und Lebenslangen Lernens als Weg zur Chancengleichheit in Frage.
Insgesamt ist Im Klub der Auserwählten eine interessante Ansammlung sehr unterschiedlicher Ausschnitte der Debatte um soziale Ungleichheit im Bildungssystem. Während die beiden ersten Artikel theoretisch sehr spannend sind und sich vor allem der Herausforderung stellen, Mainstream-Argumente zu hinterfragen, und wie im Vorwort formuliert „abseits des tagespolitischen Geschehens“ interessante Einblicke und Erkenntnisse zu formulieren, sind die folgenden spezifischeren Artikel interessant, weil sie den Blick auf praktische Problemfelder lenken, die für die insgesamte Thematik relevant sind; allerdings bringen die präsentierten Analysen und Perspektiven für bildungspolitisch interessierte und erfahrene LeserInnen nicht sehr viel Neues. Alles in allem ein spannendes und lesenswertes Sammelsurium, das weniger durch Vollständigkeit als durch Vielseitigkeit und politische Intention glänzt.





Artikel drucken Twitter Email Facebook