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Macht kaputt was euch kaputt macht
von Michael Botka

Rezension: Halmer, Bernhard/Krobath, Peter A.: Lexikon der Sabotage. Betrug, Verweigerung, Racheakte und Schabernack am Arbeitsplatz, Wien: Sonderzahl 2008, 192 Seiten, € 18,00

Das „Lexikon der Sabotage“ ist eine Sammlung sehr unterhaltsamer Berichte über individuelle und zum Teil auch kollektive Reaktionen auf Missstände und Überausbeutung oder auch bloße Langeweile am Arbeitsplatz. Das Gefühl der Ohnmacht angesichts eines skrupellosen Vorgesetzten, den Zuständen am Arbeitsplatz oder einfach wegen der schlechten Bezahlung kennen schließlich die Meisten, und fast jedeR findet früher oder später auch verschiedenste Wege, damit umzugehen. Hier sind ein paar davon gesammelt, teilweise zum Nachmachen animierend, teilweise zum Lachen anregend und manche auch zum Staunen oder Schaudern. Da gibt es Geschichten vom alltäglichen Abzweigen von Büromaterial in allen Varianten, was oft zu Recht mit einer ähnlichen Selbstverständlichkeit gemacht wird, wie Vorgesetzte sich trauen, ihre Untergebenen in der Freizeit anzurufen. Ein Zivildiener erzählt von einem Krankenhaus, in dem das Personal zu Hause mehr von den Arbeitsmitteln zu verwenden weiß als am Arbeitsplatz selbst. Das reicht vom Putzmittel über die Erste-Klasse-Seidenbettwäsche bis hin zu teuren Medikamenten, die billig unter der Hand vertrieben werden. Besonders lustig ist die Beschreibung des Racheaktes eines Angestellten im Buchhandel: Er wurde in seinem Probemonat für Umbauarbeiten missbraucht und dann unter fadenscheinigen Vorwänden gekündigt, was ihn dazu animierte, den Besitzer anschließend mit Bestellungen und Privatanzeigen zu nerven. Das begann mit zehn für den ehemaligen Chef bestellten Pizzen, weitete sich auf eine LKW-Ladung Schotter aus, die er vor dessen Haustür abladen ließ, und fand den Höhepunkt im Verschenken seiner Einrichtung via Zeitungsanzeigen (natürlich ohne Telefonnummernangabe, dafür mit äußerst unangenehmen Abholzeiten früh morgens und spät abends). Aber es gibt auch Beispiele für kollektive Aktionen: etwa dort, wo die gesamte Belegschaft mit dem Ziel zusammenarbeitet, Chef, Chefin und Juniorchef abzulenken, um gleichzeitig das Lebensmittellager auszuräumen, inklusive eigenes Bestellwesen, Chaos bei Lagerverwaltung und Verwirrtaktik, damit die fehlenden Paletten nicht auffallen. Eher ungustiös der Bericht aus einem Restaurant, in dem sich das Küchenteam an den Gästen rächte, statt dem Besitzer die Hölle heiß zu machen. So landeten Fäkalien und andere äußerst bedenkliche Zutaten in Essen und Getränken. In diesem Fall wäre die Angabe des Orts und des Restaurantnamens ganz hilfreich gewesen… Es ist faszinierend, wie hemmungslos und mit wie viel Stolz die LohnarbeiterInnen von Sabotageaktionen berichten, und wie oft diese als letzter Ausweg gesehen werden, um den angestauten Frust oder die katastrophale Bezahlung auszugleichen. Der humorvolle Schreibstil sorgt zudem dafür, dass das Buch ein hohes Suchtpotential birgt – was beim Rezensenten vom kurzen Hineinlesen zum sofortigen und unbereuten Kauf geführt hat. Leider gibt es keinen einleitenden oder grundlegenden Text, der die individuellen Berichte und das Thema „Sabotage“ insgesamt in einen breiteren Kontext gestellt hätte. So wäre es etwa spannend, Zusammenhänge zwischen (fehlender) Streik- und (ausgeprägter) Sabotagekultur zu untersuchen. In jedem Fall ist das „Lexikon der Sabotage“ aber sehr unterhaltsam und kann als nettes und nützliches Geschenk das Klassenbewusstsein fördern, Zuspruch für selbst genehmigte Gehaltsaufbesserungen bieten und sehr schön verdeutlichen, dass Sabotage in all ihren Varianten ein vollkommen normales und enorm verbreitetes Element des kapitalistischen Arbeitsalltags ist.





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