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Editorial: Perspektiven Nr. 3 (Herbst 2007)
von Perspektiven-Redaktion

Unsicher, gestresst, auf ständigen Ab- und Widerruf gestellt? Arschkarte gezogen! Pech? Nein, Prekarisierung! Um das Leben, Arbeiten, Schlafen, Duschen und vor allem Kämpfen in prekären Verhältnissen geht es in dieser Ausgabe von Perspektiven. Denn dies ist mittlerweile kein Minderheitenprogramm mehr, sondern schwebt zumindest als ständiges Bedrohungsszenario über unser aller Köpfe und Hände. Die vielfältigen Dimensionen der Prekarität, theoretisch wie praktisch, lokal und global, historisch wie aktuell und ihre Verbindungen mit Rassismus, Migration, Gewerkschaftsarbeit und Klassenkämpfen, ziehen sich wie ein roter Faden durch die ganze Ausgabe.

Zunächst setzen sich Mario Becksteiner und Florian Reiter mit der Rolle der EU und insbesondere der europäischen Kommission in der Durchsetzung praktischer und ideologischer Normalisierung prekärer Beschäftigungsverhältnisse auseinander. Das theoretische Konzept der Multitude, entwickelt von den postoperaistischen Theoretikern Michael Hardt und Toni Negri, ist Gegenstand von Benjamin Opratkos Analyse und Kritik.
Maria Asenbaum und Karin Hädicke widmen sich kontroversen Debatten um die neuen Organisierungsstrategien der Gewerkschaften im prekären Bereich. Welche Klassenbegriffe, welches Selbstverständnis stecken hinter Organizing und Social Movement Unionism?
Die aktuellen Probleme und konkreten Auseinandersetzungen der Gewerkschaftsbewegung in den USA erfahren wir aus erster Hand vom Gewerkschaftsaktivisten und ehemaligen Herausgeber der Labor Notes, Kim Moody. Zur prekären Situation und Organisierungsversuchen der Arbeiterinnen der „anderen Supermacht“ können wir einen Artikel der chinesischen Sozialwissenschaftlerin Pun Ngai präsentieren. Auf Basis eigener empirischer Untersuchungen und praktischer Erfahrung analysiert sie das Dormitory Labour Regime in den Exportindustriezonen Südchinas, wo vor allem binnenmigrantische Arbeiterinnen ein prekäres Leben zwischen Fabrikshalle und angeschlossenem Schlafsaal führen.
Über Lebensbedingungen und Arbeitskämpfe der LandarbeiterInnen in Almería (Andalusien) berichten Lisa Bolyos und Dieter Behr in einem Interview, die in der Solidaritätskampagne für die LandarbeiterInnengewerkschaft SOC (Sindicato de Obrer@s del Campo) aktiv sind.
Schließlich zeigt Stefan Probst, dass Prekarisierung nichts Postmodernes ist. Sein kulturhistorischer Artikel entführt in die stinkenden Kloaken von London, Paris und Wien um die vorletzte Jahrhundertwende und rekonstruiert die Darstellungsformen urbanen Elends zwischen Ekel und Sensationslust.
Über die politische Analyse des heutigen urbanen Elends von Mike Davis schreibt Philipp Probst in seinem Rezensionsfeature zu Planet der Slums.
Die weiteren Rezensionen drehen sich um Rechtsextremismus und Neoliberalismus, elitäre Hochschulpolitik, kontroverse Wettervorhersagen und den sechsmonatigen Streik bei Gate Gourmet.
Die fotografische Gestaltung der Ausgabe hat wieder unser prekärer Kreativarbeiter Reinhard Lang übernommen, dessen Bilderserie die alltägliche Präsenz manueller Lohnarbeit vor Augen führt. Zuletzt noch ein Hinweis auf unsere neue Homepage: www.perspektiven-online.at wartet auf deinen Klick. Dort kannst du die bisherigen gesammelten Perspektiven-Werke ebenso finden wie ein Abonnement für die zukünftige Gesamtausgabe bestellen.

Viel Spaß beim Lesen und Diskutieren wünscht
Eure Perspektiven-Redaktion





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