Auf der diesjährigen Gay and Lesbian Pride Parade in Budapest kam es zu Angriffen durch ungarische FaschistInnen auf AktivistInnen – die dann auch noch von Faschos angezeigt wurden. Perspektiven sprach mit Rainer, Aktivist und einer der Angezeigten, über die Parade und die Vorfälle danach.
Perspektiven: Du warst bei der Parade in Budapest und Ziel des Angriffs der FaschistInnen. Kannst du uns die Ereignisse schildern?
Rainer: Aus Wien war ein Bus in Budapest, der von dem Bündnis radical queer organisiert und von der ÖH finanziert worden ist. Der Bus war ausgebucht, rund 50 Menschen sind gemeinsam auf die Parade gefahren. Die Parade selbst war wie schon letztes Jahr relativ bunt und vielfältig und auch international gut besucht. Im Gegensatz zu letztem Jahr, wo ich auch teilgenommen habe, hat die Paraderoute dieses Jahr bis zum Schluss funktioniert. Letztes Jahr musste sie in der Mitte abgebrochen werden, weil eine Fascho-Demo die Route blockiert hatte und die Polizei gemeint hat, sie könne nicht mehr für Sicherheit sorgen. Die Faschos haben heuer wieder versucht zu blockieren, aber die Parade ist um die Faschos herum geleitet worden. Deshalb waren die Faschos relativ weit weg und nur in Sicht-, aber nicht in Steinwurfreichweite. Genau wie letztes Jahr waren wir diesmal wieder durch hohe Zäune von den Faschos getrennt. Man konnte die Faschos die ganze Paradenroute lang sehen, mit einschlägigen Zeichen wie dem deutschen Gruß und Sieg Heil Rufen, aber auch Gesten, die das Durchschneiden der Gurgel andeuteten. Manche hatten Schilder, auf denen der rosa Winkel abgebildet war und eine Schlinge mit dem Spruch „So gehört mit Schwulen umgegangen!“, also einer klaren Mordaufforderung.1 Sie haben auch lauthals homophobe und antisemitische Sprüche skandiert, aber insgesamt war die Parade lauter, weil die Faschos doch recht weit weg waren. Die Parade hat vor dem Parlament geendet. Allerdings nur in Sichtweite, direkt davor wurde nicht genehmigt. Generell war es so, dass die Parade eigentlich untersagt wurde und erst rechtlich durchgefochten werden musste. Der oberste Gerichtshof hat schließlich der Parade rechtgegeben, dass sie stattfinden und in Sichtweite des Parlaments enden darf. Dort fand dann auch die Abschlusskundgebung statt. Wahrscheinlich spielte bei dieser Entscheidung auch eine Rolle, dass Ungarn zu dieser Zeit die EU-Ratspräsidentschaft inne hatte. Nach der Kundgebung haben wir zunächst innerhalb der Polizeiabsperrung auf unseren Bus gewartet, um einen Zusammenstoß mit Faschogruppen zu vermeiden. Die Leute aus Wien sind dann geschlossen zum Bus gegangen. Ein Teil von uns war schon im Bus als der etwas langsamere Teil ca. 20 Meter dahinter angegriffen wurde. Zwei Frauen haben die AktivistInnen mit Reizgas attackiert, das extrem gestunken hat. Ich habe später im Bus gesehen, wie Leute, die das auf die Haut bekommen hatten, rote und entzündete Stellen bekamen.
Waren die zwei Angreiferinnen allein?
Die zwei waren zuerst alleine und zunächst nicht als Faschos erkennbar. Sie hatten keine einschlägigen T-Shirts an oder ähnliches. Bei den Frauen war aber von Beginn an ein Journalist dabei, von dem wir jetzt wissen, dass es ein Jobbik2-naher Journalist ist. Dieser hat die ganze Zeit fotografiert und gemeinsam mit den zwei Frauen die ganze Aktion gestartet, um an coole Fotos zu kommen. Später haben wir erfahren, dass das eine Taktik von Jobbik ist, die sie öfter fahren. Sie inszenieren bei linken oder eben schwul/lesbischen Paraden solche Angriffe, um sich später selbst als Opfer darzustellen. Wir haben dann versucht mit Schirmen die Angriffe abzuwehren. Es war auch nicht so tragisch, aber auf einmal ist noch eine Gruppe junger Männern im Laufschritt aus einer Seitenstraße dazu gestoßen. Es waren ca. zehn Leute und doch mehr Schlägertypen. Ab da ist es sehr chaotisch geworden. Die Hälfte von uns war noch draußen und die andere im Bus. Es hat einen kleinen Tumult gegeben, wobei die Faschos auch handgreiflich geworden sind. Während dieser Handgreiflichkeiten – die etwa eine Minute gedauert haben – war dann auch schon die Polizei da, weil die ja eh in der Nähe waren, bzw. waren die ganze Zeit schon Polizisten in Zivil um uns herum, wie wir nachher festgestellt haben. Wir sind in den Bus eingestiegen, weil wir einfach wegwollten und auch nicht wussten ob der Gruppe von Faschos weitere folgen würden. Die Polizei hat uns dann am Losfahren gehindert und gefragt, ob wir Anzeige erstatten wollen. Niemand wollte das, weil wir einfach wieder nach Wien zurück wollten. Schließlich zeigte sich, dass wir nur aufgehalten wurden, weil die Faschos eine Anzeige gegen uns erstatten wollten. Mittlerweile sind bei denen weitere Personen dazugestoßen: Die Anwältin Andrea Borbély von Jobbik ist sehr schnell dazugekommen und der Jobbik-Parlamentsabgeordnete Gyula György Zagyva, der auch gleich ums Eck war.
Waren die auch schon bei der Gegendemonstration?
Von der Anwältin wissen wir es. Es hat ja schon während der Parade Angriffe auf einzelne AktivistInnen gegeben. Wir sind später von einer Aktivistin angeschrieben worden, die uns erzählt hat, dass sie auch bei einem Übergriff attackiert wurde, bei dem die Anwältin anwesend war. Dort wurde die Aktivistin von Faschos sogar mit einem Messer bedroht. Teilweise waren diese Leute also auch schon bei anderen Angriffen dabei. Jedenfalls hat sich herausgestellt, dass die Faschos Anzeige erstatten wollten. Die Polizei meinte, es würde ein „großer, junger, blonder Mann mit schwarzer Kleidung“ gesucht werden. Er sollte sich stellen, sonst würden von allen Anwesenden die Personalien aufgenommen. Es hat sich natürlich kein großer, junger, blonder Mann aus dem Bus hinausbewegt und gestellt. Sie wollten dann, dass wir alle aussteigen um die Pässe abzugeben. Die Polizei hat uns dann mit Zwang geräumt und wir mussten unsere Ausweise abgeben. Die Parade war um sieben Uhr vorbei und kurz danach war auch der Angriff. Das Ganze hat sich bis zehn Uhr hingezogen. Es gab eine Gegenüberstellung. Wir wurden alle einzeln vor den Faschos , die noch da waren, hingestellt und die Faschos konnten sich dann mehr oder weniger die Leute aussuchen, von denen sie behauptet haben, sie hätten sie angegriffen. Bei der Gegenüberstellung war dann auch nicht mehr von einem großen, blonden, jungen Mann die Rede, sondern von zwei Angreifern. Zwei Männer, trotzdem mussten sich auch alle Frauen aus dem Bus der Reihe nach aufstellen. Die Faschos haben davor alles gefilmt, bei der Gegenüberstellung nur mehr die Polizei.
Habt ihr eine Gegenanzeige gemacht?
Nein, das wollte vor Ort niemand von uns. Im Nachhinein haben Anwälte von uns gemeint, das könnte man machen, aber niemand von uns wollte das. Ob es besser gewesen wäre, gleich mit einer Anzeige zu drohen, ist schwer zu sagen. Am Anfang haben wir ja geglaubt, dass wir schnell los fahren können und erst im Laufe des Abends ist klar geworden, dass die uns nicht so schnell weglassen. Der Botschafter von Österreich ist gekommen und hat uns eine Dolmetscherin zur Verfügung gestellt. Manche von uns haben aber eh ungarisch gesprochen, bzw. konnten einzelne Polizisten deutsch. Es gab also kein Verständigungsproblem.
Weißt du Näheres über die attackierende Gruppe bzw. deren Verbindungen zu Jobbik?
Die Faschotypen, die uns angegriffen haben, hatten einschlägige T-Shirts mit Großungarnabbildungen. Sie waren von einer Faschogruppe die sich 64 Burgkomitate Jugendbewegung nennt. Das ist eine Splittergruppe von Jobbik, bzw. ist auch Teil davon.
Hängen die mit den Ungarischen Garden3 zusammen?
Den genauen Unterschied zu den Garden kenne ich nicht. Der anwesende Parlamentsabgeordnete ist aber Ehrenvorsitzender dieser 64-Burgkomitate-Partie. Die Anwältin wiederum verteidigt die ungarischen Garden im neuen Verbotsgesetzverfahren. Die ungarischen Garden wurden ja schon einmal verboten; die haben sich dann als Neue ungarische Garde neu gegründet und meinen jetzt, dass sie nicht mehr verboten sind. Auch auf der Gegendemonstration waren die ungarischen Garden in Uniform, zusammen mit anderen Jobbik-Parlamentsabgeordneten anwesend. Die Gegendemo selbst war von den 64 Burgkomitate organisiert. Die hängen also sehr stark zusammen.
Zwei von Euch wurden dann angezeigt…
Genau, zuerst wurden vier aussortiert und dann zwei angezeigt, darunter auch ich. Wir sind ins Gefängnis auf die nächste Polizeiwache überstellt worden. Auf der Wache wurde uns immer mitgeteilt, wir wären nur als Zeugen da und dürften nicht weggehen. Wir waren auch noch „nur Zeugen“, als wir durch den Innenhof geführt und in einen kleinen Raum mit drei Einzelzellen gebracht wurden. Dann hat es geheißen, wir müssten unsere Schuhbänder abgeben, unsere Taschen leeren und alles abgeben. Ich habe dann gefragt, ob wir immer noch nur Zeugen sind, weil mir das doch etwas komisch vorgekommen ist. Nach einem Telefonat mit seinem Vorgesetzten hat der Wachbeamte gemeint, nein, jetzt wären wir keine Zeugen mehr, ab jetzt wären wir Beschuldigte. Dann wurden wir getrennt in die Einzelzellen geführt, damit wir uns nicht absprechen können.
Wie lang wart ihr in den Zellen, wie lang hat das gedauert?
Um zwölf sind wir in die Zellen gekommen und um halb vier, vier sind wir wieder rausgekommen. Wir waren also vier Stunden in den Zellen, dann wurde uns präsentiert, was uns eigentlich vorgeworfen wird: öffentliche Aufhetzung einer großen Menschenmenge mit Gewalt. Das ist ungefähr gleichbedeutend mit Landfriedensbruch, der Vorwurf ist in Ungarn aber noch einmal skurriler. Meine Einvernahme war dann ziemlich kurz, weil ich nur gesagt hab, ich war nix, ich hab nichts gemacht, ich sag jetzt nichts mehr. Wobei mir zu dem Zeitpunkt schon klar war, dass wir rausgelassen werden.
Aber die Anzeige steht?
Ja, die Anzeige gibt es, die kommt zum Staatsanwalt und der muss entscheiden, ob ein Verfahren eingeleitet wird.
Die Ereignisse in Budapest sind ja nicht die ersten Übergriffe von NeofaschistInnen auf GayPride Paraden. Erst kurz davor haben in Split 10.000 Menschen eine Parade angegriffen. Hat das auf der Demonstration selbst eine Rolle gespielt?
Die Ereignisse von Split habe ich nur über die Medien mitbekommen, und sie waren auch auf der Parade nicht so stark Thema. Ich war aber auch letztes Jahr schon in Budapest und in Bratislava auf der Parade, die auch von Fascho-Gegendemos konfrontiert wurden. Es gibt die Queer- bzw. Regenbogenparade in Ungarn genauso lange wie in Wien, also seit Mitte der Neunziger Jahre. Bis 2007 ist sie ganz normal ohne Komplikationen oder besonderen Polizeischutz abgelaufen. Erst nach den großen Krawallen von 2006, als sich die rechtsextreme Szene organisiert hat, wurde die Parade 2007 zum ersten Mal angegriffen und kann nur unter massivem Polizeischutz stattfinden.
Aber zumindest seit 2001, als zum ersten Mal 1000 Leute auf die Demonstration mobilisiert werden konnten, hat es schon rechte Gegenmobilisierungen gegeben?
Es gab davor schon rechte Gegendemonstrationen. Mit dem Faschoaufschwung 2006 wurden die allerdings wesentlich größer. Es gab Angriffe mit Chemikalien, Säure, Steinen und Eiern, und besonders 2008 wurde die Pride massiv angegriffen. 2009 wurde auch schon ein größerer Bus aus Wien heftig angegriffen. Die haben es gerade noch in den Bus hinein geschafft, als ein Faschotrupp auf sie zu gerannt ist.
Kannst du kurz erklären, wie es zu diesem Aufschwung der Rechten 2006 gekommen ist? Wie hängt das mit der allgemeinen Stimmung im Land zusammen?
Auslöser war damals die Veröffentlichung eines Tonbands, auf dem der damalige sozialdemokratische Ministerpräsident (Ferenc Gyurcsány, Anm.) zugibt, gelogen zu haben. Es folgten monatelange Aufstände und Krawalle. Seitdem gibt es eine enorme Rechtswende in Ungarn und einen Aufschwung von Jobbik und deren paramilitärischer Formation, den „Ungarischen Garden“. Die im Parlament vertretene Jobbik hetzt gegen Minderheiten und eben auch gegen die Parade. Allerdings ist auch die jetzige Regierungspartei Fidesz weit Rechts, was sich in ihrer minderheitenfeindlichen Politik zeigt bzw. in ihrem Umgang mit KritikerInnen. Besonders absurd ist eine bestimmte Auslegung des Paragraphen 174/B, „Gewalt gegen eine Gemeinschaft“, der zunächst als Minderheitenschutz verabschiedet wurde, nun aber systematisch von rechter Seite genutzt wird. Inszenierte Angriffe wie bei uns werden dann zum Beispiel gegen Roma verwendet, um diese einzuschüchtern.
Wie waren vor dem Hintergrund die Reaktionen innerhalb der Bevölkerung auf die Parade?
Das hat mich eher positiv überrascht. Entlang der Route, gerade dort wo sie durch die Innenstadt umgeleitet wurde, haben viele Leute aus den Fenstern geschaut und das Ganze als Spektakel gesehen. Da haben viel mehr Personen positiv gewirkt und gewunken, als den Finger gezeigt. Allgemein aber sagen die Leute, die dort länger gewohnt haben bzw. wohnen, dass es seit 2006 extrem arg geworden ist. Im Rest des Landes soundso, aber eben auch in Budapest. Das betrifft Roma oder auch Schwule/Lesben, die das öffentlich zeigen und dafür extrem attackiert werden. Auch viele Juden überlegen sich, ob sie wegziehen sollen, weil es so schlimm geworden ist.
Zur Parade selber, in Wien gibt es oft die Kritik, dass die Regenbogenparade zu wenig politisiert ist. Wie ist die Politisierung innerhalb der Pride in Ungarn? Welches Spektrum an Ansichten und Zielen umfasst das Bündnis?
In Ungarn ist das etwa so wie hier. Es gibt unterschiedliche Fraktionen und Ausrichtungen, die auf so einer Parade mitgehen. In Wien gibt es die linke schwul/lesbische Szene, z.B. um die Rosa Villa, die versuchen zu intervenieren und andere Inhalte reinzubringen; also nicht einfach Homoehe fordern, sondern auch über die Gesellschaft reden. In Ungarn hast du das Spektrum genauso, nur unter verschärften Bedingungen. Das Bündnis ist sehr gemischt und inhaltlich sehr widersprüchlich, auch was die politische Ausrichtung betrifft.
Inwiefern?
Hier ist der Nationalismus in der Gesamtbevölkerung größer und das spiegelt sich in der Parade wider. Genauso ist die Linke in ganz Ungarn marginalisiert, und auch in der Parade macht sie nicht den größten Teil aus. Natürlich ist das nicht das ganze Bündnis und es gibt sehr gute Leute drinnen aber eben auch nationalistische. Es gibt Leute im Bündnis, die nationalistisch, rassistisch drauf sind. Zum Beispiel gab es auf der Parade auch transsexuelle Roma. Auf der After-Party wurden die Roma von den rassistisch eingestellten Teilen rausgeworfen. Dann gibt aber auch Teile, die das definitiv nicht sind und das auch zum Thema machen und dagegen arbeiten wollen. Von daher gibt es auch im Bündnis in Ungarn selber die Diskussion, inwieweit erwünscht ist, dass Leute von außerhalb an der Parade teilnehmen. Man merkt das auch wenn man dort ist und klar ist, dass die Alerta Antifascista-Rufe eher von den Leuten aus Wien und Berlin kommen, als von den UngarInnen. Letztes Jahr hat es einen kleinen Block von ungarischen Anarcho-SyndikalistInnen gegeben, die auch antifaschistische Sprüche drauf gehabt haben. Das sind aber halt die 15, die es in ganz Budapest gibt.
Wie ist das Medienecho auf die Parade, und besonders auf die Angriffe der Neofaschisten?
Im Vorfeld gab es viele Berichte, weil die Parade zunächst untersagt wurde und erst später rechtlich durchgeboxt werden musste. Danach wurde unser Fall relativ intensiv behandelt, zum Beispiel wurde auf dem U-Bahn Infoscreen eingeblendet, dass zwei ÖsterreicherInnen verhaftet wurden, also eher nicht unter dem Gesichtspunkt der rechten Gewalt. Wir haben versucht, auch mit ungarischen JournalistInnen und bürgerlichen Medien in Kontakt zu kommen und ihnen Interviews angeboten, aber es gab eher Desinteresse. Die Leute, die in Ungarn gewohnt haben bzw. sich besser auskennen, haben die Einschätzung, dass in der Mainstreampresse über Übergriffe von Rechten generell kaum berichtet wird. Die wollen das nicht wahrhaben und schweigen das Ganze lieber tot. Wir haben Interviews vor allem mit freien Radios und linken JournalistInnen geführt, soweit das im Zuge des verschärften Mediengesetzes unter der Regierung Fidesz überhaupt möglich ist. Ein Interview haben wir etwa mit Tilos Rádió geführt, das vor einem halben Jahr vom Verbot bedroht war, weil es einen Ice-T Song gespielt hat. Das ist praktisch das einzig freie Radio, in dem unzensuriert oder überhaupt über solche Dinge geredet wird. Alle anderen Radios, sei es halbstaatliche oder private, berichten über so etwas nicht, sie trauen sich nicht oder wollen nicht.
Gab es Interesse seitens österreichischer Medien?
Ja, allerdings war es hier in der Medienarbeit oft schwierig, nicht in einen Diskurs über unterentwickelte und rückständige OsteuropäerInnen rein zu fallen. Beim Schlagwort „Ungarn“ denken sofort alle an Faschismus und meinen, dort gäbe es Probleme, die wir „bei uns“ überhaupt nicht hätten. Das Interesse in Österreich spielt sich oft über einen komischen Demokratiediskurs ab, bei dem die Ungarn wegen ihrer realsozialistischen Vergangenheit noch immer nicht demokratisch seien, und das mit der Demokratie einfach noch nicht so draußen hätten. Gleichzeitig wird wenig darüber gesprochen, dass die FPÖ bei über 25% liegt. Das ist auch nicht Nichts. Interessant sind auch die Verbindungen der FPÖ zu Ungarn und der Jobbik. So hat zum Beispiel der FPÖ-Nationalratsabgeordnete Johannes Hübner Jobbik auf deren Wahlkampfveranstaltung „viel Glück“ gewünscht. Gleichzeitig versucht Andreas Mölzer seine rechte Europapartei4 auch mit Jobbik aufzubauen, worüber weniger geredet wird.
Wer waren die Leute, die aus Österreich nach Budapest gefahren sind?
Wie gesagt, der Bus wurde von dem Kollektiv radicalqueer organisiert, die in den letzten Jahren auch zum noWKR-Ball mobilisiert haben und auch schon öfter in Budapest auf der Parade waren. Insgesamt waren die TeilnehmerInnen sehr heterogen. Einige JournalistInnen, viele AktivistInnen – insgesamt ein breites Spektrum. Es waren alle links, aber eben nicht unbedingt aus der gleichen Strömung. Es sind auch einige Einzelpersonen mitgefahren, die gar niemand gekannt haben. Für die war die Situation noch schwieriger. Während wir auf der Wache waren, hat der Bus gewartet, weil es immer geheißen hat, wir kommen vielleicht doch bald frei. Irgendwann sind sie verständlicherweise gefahren, aber davor standen sie vor dem Parlament, wo kurz davor die Gegendemo der FaschistInnen stattgefunden hat, und in der ganzen Stadt waren Faschos unterwegs. Polizei war auch keine mehr unterwegs, bzw. wurde ein Polizeiwagen für den Bus abgestellt. Es war also eine ziemlich unangenehme Situation, auf freier Fläche zu warten und eine relativ große Zielscheibe abzugeben.
Wie glaubst du geht das mit der Anklage weiter?
Wenn es zum Prozess kommt – das zeigt sich ja erst – dann sehe ich dem eher entspannt entgegen.
Wirst du nächstes Jahr wieder hinfahren?
Ja, natürlich! Wir lassen uns nicht einschüchtern und werden nächstes Jahr doppelt so viele sein.
Danke für das Interview
Weiter Informationen findet Ihr unter
http://radicalqueer.blogsport.eu
http://pusztaranger.wordpress.com
Anmerkungen
1 Siehe http://pusztaranger.wordpress.com/2011/06/20/budapest-pride-2011-jobbik-zeigt-wiener-aktivisten-an/
2 Die ungarische Jobbik (Jobbik Magyarországért Mozgalom) ist eine seit 2003 existierende rechtsextreme Partei. Jobbik bedeutet sowohl „die Besseren“ als auch „Die Rechteren“. Vgl. zur Situation in Ungarn: “Dreiviertel-faschistisches Klima”, Interview mit Tamás, G.M. in Perspektiven Nr.8.
3 Die Ungarischen Garden, deren Auftreten stark an die faschistischen Pfeilkreuzler erinnern, bilden den paramilitärischen Arm der ungarischen NeofaschistInnen.
4 Andreas Mölzer versucht seit einigen Jahren eine Fraktion rechtsextremer Parteien im Europaparlament aufzubauen. Daran sollen Gruppen wie der holländische Vlaams Belang, der Front National, die Lega Nord u.a. teilnehmen. Erste Versuche eine Fraktion „patriotisch gesinnter“ Abgeordneter aufzubauen, gipfelten 2007 in der Gründung der Fraktion Identität, Tradition, Souveränität, die sich aber nach internen Konflikten wieder auflöste.