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Feuer und Flamme dem Patriarchat!
von Birge Krondorfer, FrauenMädchenLesbenZentrum, Anna Svec, Flora Alvarado-Dupuy, Marlen Stahrmüller und Neva Löw; Interviewerinnen: Veronika Duma, Julia Hofmann und Fanny Müller-Uri

Am 19. März ist das 100-jährige Jubiläum des Internationalen Frauentags. 1911 fand in Wien die erste große Demonstration für die Rechte von Frauen statt, an der 20.000 Menschen teilnahmen. Anlässlich des Jubiläums wird dieses Jahr im Rahmen eines Bündnisses zu einer breiten Demo mobilisiert, die an eine lange Tradition internationaler Frauenkämpfe anknüpft. Wir haben Feministinnen aus drei unterschiedlichen Kontexten gebeten, per Mail zum Internationalen Frauentag, den damit verknüpften Forderungen und Zielen, den Herausforderungen feministischer Bündnisarbeit und den Perspektiven über dieses Datum hinaus, Stellung zu nehmen.


Ihr kommt alle aus unterschiedlichen politischen Kontexten. Welche Bedeutung hat dieser Tag für euch und in der Kontinuität welcher Kämpfe und Bewegungen seht ihr euch?

Birge: Nun ja, ich sehe das nicht so, dass wir aus so unterschiedlichen feministischen Zusammenhängen kommen. Ich habe vor ca. 30 Jahren im autonomen Flügel der zweiten Frauenbewegung (FB) begonnen und bin der Tradition nach wie vor verbunden – bei aller Veränderung des Flügels selbst und bei allem, wie frau sich selbst so entwickelt bzw. geprägt wird, oder wie die gesellschaftlichen Umstände alle sozialen Bewegungen entweder vereinnahmt oder aufgelöst haben. Das ist allgemein ein großes Problem. Allerdings habe ich die Binnenerodierung innerhalb der FBen durch die sogenannten postfeministischen Strömungen als besonders schmerzlich empfunden. An der politischen Bedeutung des Internationalen Frauentags möchte ich festhalten; dieser scheint ja auch in vielen Frauenorganisationen wichtig zu sein – auch wenn es mir manchmal analog zu den Weihnachtschristen vorkommt: Einmal im Jahr gibt es eine Gedenkminute und sonst passiert nicht viel; zumindest in den Wohlstandsgegenden unsrer Welt – wobei Österreich da im Unterschied zu anderen westlichen Ländern eh noch eine recht lebendige Frauenszenerie hat –, denn wie ich gehört habe, wird in bestimmten Teilen Afrikas z.B. der Frauentag in einem Ausmaß und einer Form begangen, die hier gar nicht vorstellbar ist.

Autonome Feministinnen und Lesben aus dem autonomen FrauenLesbenMädchenZentrum (FZ)1: Anlässlich des 100. Jahrestages des Internationalen Frauentages gedenken wir respektvoll allen Frauen, die sich den Grenzen ihres Zeitalters, den sexistischen, rassistischen und sozialen Kategorisierungen nicht unterworfen haben und für die Freiheit der Frauen und Menschheit großen Widerstand geleistet haben. Unsere Verbundenheit mit diesen Frauen heißt für uns, uns auf ihren Widerstand zu beziehen, ihnen Bedeutung beizumessen und diese Kämpfe zu noch größeren Erfolgen zu führen. Am 8. März 2011 wird es eine FrauenLesben-Demonstration zum Internationalen Frauenkampftag geben; nicht weil es „in den letzten Jahren immer schon so war“, sondern weil uns die Selbstorganisierung von FrauenLesben grundsätzlich wichtig ist und weil wir wollen, dass am 8.3. feministische Aktionen regional – mit internationaler Verbundenheit – stattfinden. Denn Feminismus und Frauenbefreiung sind international.

Anna, Flora, Marlen, Neva: Als Sozialistinnen sehen wir uns auch und gerade am Frauenkampftag in der Tradition proletarischer und sozialistischer Frauenbewegungen und deren Kämpfen um die Rechte der Arbeiterinnen und einer gleichberechtigten Position innerhalb linker sozialistischer Bewegungen. Weil gerade die Forderung nach gelebter Gleichstellung in sozialistischen Kontexten wohl immer wieder neu ertrotzt werden muss, ist auch für uns das Angehen gegen das Konzept von Haupt- und Nebenwiderspruch in der Linken ein wichtiges Kampffeld. Da heißt es auch immer in der eigenen Organisation aufräumen. Keinesfalls nur am Frauenkampftag, denn das hieße seine ursprüngliche Bedeutung als Mahnmal und besonderer Solidaritätsmoment in ein nützliches Alibi umzuwandeln, sich als linke Organisation nicht das ganze Jahr mit Frauenpolitik auseinandersetzen zu müssen. Wird er aber als das gesehen was er ist, als Möglichkeit der Solidarisierung und der Zusammenführung von Kämpfen, kann es der Frauenkampftag ganz schön in sich haben. Innerhalb der SJ wird eben das anhand der Vernetzung verschiedener Frauen aus dem SP Vorfeld versucht, Aktionen in allen SJ-Bezirken sollen feministische Kampfthemen nach außen tragen. Auch das vor einigen Jahren erkämpfte Feministische Seminar nur für Frauen ermöglicht einen kämpferischen Raum für Diskussion, Solidarisierung und Empowerment. Und den brauchen wir, denn: das Vorankommen feministischer Kämpfe ist immer auch ein Gradmesser für unser generelles Vorankommen als Linke, für den Fortschritt der Bewegung.

Was waren historisch gesehen die zentralen Forderungen? Gab es einen Wandel innerhalb dieser Forderungen? Und welche sind für euch heute noch zentral?

B: Am 19. März 1911 gingen rund 20.000 Frauen – und Männer – auf die Wiener Ringstraßen, um für Frauenrechte zu kämpfen. Ihre Anliegen waren das allgemeine Frauenwahlrecht, gleicher Lohn für gleiche Arbeit, der 8-Stunden-Tag, die Senkung der Lebensmittelpreise, die Einführung einer Sozialversicherung, die Legalisierung des Schwangerschaftsabbruchs und Frieden. Die Kämpfe der FB begannen rund um das Abtreibungsrecht und im Kontext der 68er-Bewegung. Es ging um das Selbstbestimmungsrecht und weibliche Freiheit und Unabhängigkeit von den Männern (politisch und privat). Damit verbunden war immer auch eine fundamentale Gesellschafts- als Herrschaftskritik und die Internationalität, also die Politisierung der Ausbeutung von Frauen (ihren Körpern usw.) weltweit.

FZ: Vor beinahe 100 Jahren, am 19. März 1911, fand in Wien die erste große Demonstration für Frauenrechte statt. Damals wie heute gilt: Um die Selbstorganisierung von Frauen und Frauenbewegungsgeschichte zu begreifen ist es auch notwendig, die gesellschaftlichen Kontexte zu betrachten. 1911 waren in Österreich Frauen vom allgemeinen Wahlrecht ausgeschlossen und es war Frauen verboten, Mitglied in politischen Vereinen zu werden oder politische Frauenvereine zu gründen. Frauen erkämpften sich die Möglichkeit, sich politisch zu organisieren und ihren Stimmen Gehör zu verschaffen.
2011 leben wir in einer (patriarchalen) Gesellschaft, die von Gleichberechtigung spricht und in der Frauen – immer noch und immer wieder – von ökonomischer und politischer Benachteiligung und von sexistischer Gewalt betroffen sind. Wir erleben eine Verschärfung patriarchaler Zustände, mit einem Erstarken der Männerrechtsbewegung und Abtreibungsgegner, dem „geduldeten“ Selbstverständnis, dass Frauen geringer entlohnt werden, und Verhältnissen, in denen Frauen – scheinbar selbstbestimmt – allerorts pornografisch vermarktet werden. Hierarchische Geschlechterverhältnisse und soziale Geschlechterrollen werden mit Wissenschaften und Religionen erneut biologisch/“natürlich“ oder „gottgewollt“ begründet, oder „Gender“ liberal umgedeutet und als „individuelle Wahl“ begriffen. Erkämpfte Frauenorte, feministische Strukturen, solidarische Unterstützung oder Frauenveranstaltungen werden mit so genannter Gleichstellungspolitik angegriffen und als „Diskriminierung von Männern“ definiert. Auf den Unis sind z.B. Frauenlehrveranstaltungen offiziell nicht mehr durchsetzbar; etliche Frauenberatungsstellen wurden mittels Subventionsvorgaben dazu gezwungen, zu Familienberatungsstellen zu werden. Als „Fortschritt“ gilt die Beteiligung von einzelnen Frauen im Management und im Militär. Es wird uns vorgegaukelt, dass „Frauen alle Möglichkeiten haben“. Wenn`s eine nicht schafft oder sich nicht an den Herrschaftsverhältnissen beteiligen will, ist sie „selber schuld“. Sie wird darin maximal individuell betreut oder „gecoacht“, um wieder zu „funktionieren“. Und dann gibt‘s noch die theoretische Diskussion der „Dekonstruktion der Geschlechter“, woraus einige folgern, dass es Frauen nicht gibt bzw. nicht mehr geben soll. Parallel dazu entwickelt sich immer mehr ein rassistisches Selbstverständnis, in dem – plötzlich auch mann – medial über die Unterdrückung von Frauen in „anderen Ländern“ spricht, die gleichzeitig als „rückständig“ betrachtet werden. Die Individualisierung und Vermarktung der Frauen im kapitalistischen Patriarchat wird hingegen als „entwickelte Emanzipation“ gesehen.

A, F, M, N: Die Forderungen der ersten Frauenbewegung nach Frauenwahlrecht und Partizipation am bürgerlichen Staat stießen ja selbst innerhalb der Sozialdemokratie auf einigen Widerstand. Viktor Adler bringt den Standpunkt der Partei in dieser Frage auf den Punkt: „Es hat niemals eine Sozialdemokratie gegeben, die nicht das Frauenwahlrecht als eine ebenso notwendige Sache angesehen hätte wie das der Männer. (…) Aber es fragt sich, ob die politische Lage reif ist, um einen Feldzug für das Frauenwahlrecht zu unternehmen. Und da sage ich ihnen rundweg, in Ländern wie Österreich, Belgien usw., wo das Männerwahlrecht noch nicht einmal erkämpft ist, wo wir alle Kräfte auf diesen Punkt konzentrieren müssen, wäre es eine politische Torheit, diesen Kampf abzulenken auf einen Punkt, der voraussichtlich erst später zu erreichen sein wird. Von diesem Standpunkt der politischen Taktik muss ich sagen: Wir müssen bei jeder Gelegenheit erklären, dass wir für das Frauenwahlrecht sind, dass wir auch den ersten Schritt auf diesem Gebiet machen wollen, aber dass der letzte Schritt erst dann gemacht werden kann, wenn der erste Schritt gemacht ist, und der ist: die Erkämpfung des Wahlrechtes für die Männer.“
Die sozialistischen Frauen ließen sich diesen Verweis ihrer Rechte auf den zweiten Platz aber nicht gefallen und blieben hart. Parallel ging es immer auch um Arbeitskämpfe, die proletarische Frauen in den Betrieben und auf der Straße ausfochten. In der zweiten Frauenbewegung änderte sich der Schwerpunkt feministischer Kämpfe, andere Forderungen wurden zentral. Neben der konstanten Forderung nach völliger rechtlicher Gleichstellung wurde auch in den Privatbereich vorgedrungen. „Das Private ist politisch“ gehört zu den wichtigsten Slogans der Zweiten Frauenbewegung. Aus diesen alten und immer wieder neu zu erkämpfenden Forderungen und neuen Themengebieten wie queer theory und postcolonial feminism ergibt sich ein breites Feld antisexistischer Kämpfe, die es auch innerhalb der Organisation immer wieder neu durchzuringen gilt.

Welche Bedeutung kommt eurer Meinung nach dem Frauenkampftag – sowohl international als auch in Bezug auf Österreich – heute noch zu?

B: Es ist frappierend, genauer gesagt entwürdigend, wie einige der Forderungen, die seit hundert Jahren bestehen, immer noch nicht eingelöst sind oder bis zur Unkenntlichkeit amalgamiert wurden. Deshalb heißt der Slogan der Plattform für den 19. März ja auch: AUS! Aktion Umsetzung. Sofort!

A, F, M, N: In Österreich reiht sich der Frauentag für viele zwischen Valentins- und Muttertag als deren logische Ergänzung ein und ist ein Anlass, Frauen Blumen und Pralinen zu schenken. Wenn frau Glück hat, übernimmt der Haberer auch mal den Abwasch. Auch in der SPÖ hat der Frauenkampftag seine ursprüngliche Bedeutung weitgehend verloren. Stattdessen werden Blumen verteilt und Kaffeekränzchen abgehalten. Durch das Einwirken von einzelnen Frauen gibt es in manchen Bezirken den Versuch, den feministischen Anspruch dieses Tages wieder mit Leben zu erfüllen. Trotz alledem dürfen wir jedoch nicht vergessen, dass der Tag uns die Möglichkeit gibt und ein Anlass ist, um auf patriarchale Verhältnisse hinzuweisen und dagegen auf die Straße zu gehen.

Das diesjährige Bündnis ist politisch ziemlich breit angelegt. Die verschiedenen Gruppierungen und Einzelpersonen, die dieses Bündnis mittragen, wurden aufgefordert ihre spezifischen Forderungen aufzustellen. Einige von euch sind bei diesem Bündnis dabei, andere nicht. Warum?

B: Für die Frauenrechte-Demo wurden und werden alle Frauen, Frauengruppen- und organisationen gebeten, ihre Forderungen zu sammeln. Ziel ist es, die Vielzahl der Mängel öffentlich zu machen, und nicht eine Überinstanz, die meint, sagen zu können was wirklich wichtig wäre, zu installieren. Sicher, vieles wird ähnlich sein, einiges auch widersprüchlich, denn keine Einzelne kann wissen, was die andere sich wünscht, oder wünschen muss. Als Mitbegründerin der Plattform kann ich nur sagen, dass ich die Idee der Anknüpfungsfähigkeit für viele unterschiedliche Positionen durch das Erinnern an die Frauenkämpfe von vor hundert Jahren und die Würdigung der Frauen von damals eine gute Idee finde.

FZ: Bei den ersten Vorbereitungstreffen im Sommer und Herbst 2010 haben wir uns als Autonome Feministinnen an der Vorbereitung zur Frauendemonstration am 19.3.2011 beteiligt. Wir fanden und finden die Idee wichtig, weil der 8. März als Internationaler Frauenkampftag Teil unserer Frauenbewegungsgeschichte ist. Warum sind wir letztendlich aus der Vorbereitung ausgestiegen? Einer der Konflikte in der Vorbereitung zur Demonstration am 19.3. war für uns, dass ein Großteil des Vorbereitungsplenums das „breite Bündnis“ nur in der Beteiligung von der SPÖ, den Gewerkschaften und etablierten Fraueneinrichtungen sah und sieht und nicht in der Basisarbeit in den eigenen Strukturen, Stadtteilen und Arbeitszusammenhängen. Es wurde argumentiert, dass wir nur dann viele werden können, wenn sich die SP-, Gewerkschaftsfrauen und der Frauenring beteiligen. Wir sehen in der Beteiligung dieser Organisationen jedoch nicht die Garantie, dass 20.000 Frauen auf die Straße gehen. Wir sehen darin mehr ein Anbiedern an die institutionalisierte Macht. Die ÖVP-, SPÖ-, Grüne- und Gewerkschaftsfunktionärinnen tragen die herrschende Politik mit, die sich gegen die meisten Frauen richtet und staatlichen Rassismus, Überwachung, Militarisierung und neoliberale Politik etabliert. Aber wir wissen, es gibt auch Widerstand in deren eigenen Reihen. Wir wollten die „Funktionärinnen“ der SP, Gewerkschaften und Grünen nicht ausladen, aber ihnen auch nicht extra nachlaufen. Wir erwarten eher, dass sie sich aus eigenem Interesse beteiligen und z.B. die Frauen an der „Basis“ in den Stadtteilen und Betrieben über die Vorbereitungen informieren, damit diese sich einbringen können (nicht nur für Wahlen!). Die Kraft von autonomen Frauenstrukturen wird sich darin zeigen, ob es eine Demonstration wird, wo Frauen für sich und für eine notwendige gesellschaftliche Veränderung auf die Straße gehen, oder ob es öffentlich eine Demo von SP, Gewerkschaften und „prominenten“ Frauen wird, denen wir dann zuhören und zuapplaudieren „dürfen“. Dieses Zusammenkommen ist kein „Event“ und keine inszenierte „Show-Bühne“, es ist ein Zusammenkommen mit Entschiedenheit, Begehren und Leidenschaft für Frauenbefreiung! Dann kann sich Zusammenarbeit, mit allen Konflikten und Unterschieden zu einer gemeinsamen Kraft entwickeln – für eine starke feministische Bewegung „von unten“.

Was kann und soll dieser Tag leisten? Was erwartet ihr euch davon? Was sind mögliche Probleme?

B: Der 19.3 soll einfach demonstrieren, dass die Welt, so wie sie sich für Frauen darstellt, ein Ding der Unmöglichkeit ist – auch wenn immer so getan wird, als sei eh alles in Butter, die Frauenbefreiung ein alter Hut, Gleichheit kein Problem usw. Eine Riesendemo ist ein Signal – nicht mehr aber auch nicht weniger. Es gibt vehemente Wünsche, dass es bei diesem Signal nicht bleiben soll, sondern die politische Arbeit danach gemeinsam weitergehen möge. Ein Hauptproblem ist, dass sehr oft die Gleichen sich ehrenamtlich engagieren und bis zum Umfallen hackeln – während die Vielen in vornehmer Distanz auf den Zuschauerinnenrängen verharren oder sich in Kritik zurückziehen, was auch nicht gerade hilfreich ist.

FZ: Wir wollen eine große Frauendemonstration mit vielen Frauen. Darin waren wir uns alle einig. Doch wie und mit welchen dies erreicht wird, da gab es unterschiedliche Ansichten. Wir sahen die Demo als Möglichkeit und Chance für ein breiteres Frauenbündnis und die Realisierbarkeit einer größeren Frauendemonstration. Warum? Weil der Anlass, “100 Jahre Frauentag” für unterschiedliche Feministinnen – Lesben, autonome FrauenLesbenGruppen, Frauenorganisationen, Migrantinnenprojekte, Fraueneinrichtungen, Frauen aus antirassistischen, antifaschistischen und linken Gruppen und Bewegungen und aus Parteien – ein Anlass sein könnte, auf die Straße zu gehen. Die Spaltung – autonome FrauenLesben gehen auf die Straße, Frauenprojekte und -einrichtungen bemühen sich um (hart erkämpfte) Subventionen und die Parteifrauen und etablierte Frauenorganisationen feiern – wenn überhaupt – in ihren Hallen – ist ja in den letzten zehn, fünfzehn Jahren immer wieder praktiziert worden. Es ist die immer wiederkehrende Auseinandersetzung mit und in Bündnissen, welche als „Partnerinnen“ politisch wahrgenommen werden. Bündnisse und Zusammenarbeit sind eine Frage der eigenen Stärke aber auch der gegenseitigen Anerkennung und Sichtbarkeit. Selbstorganisierte/Autonome Strukturen „scheuen“ Bündnisse mit Institutionen und Parteien oft, weil sie befürchten, vereinnahmt zu werden. Erfahrungen dafür gibt es zuhauf. Etablierte Strukturen und Einrichtungen hingegen ignorieren oft autonome, selbstorganisierte Organisationsstrukturen oder benützen sie als so genannte Basis oder als Aktivistinnen, die bei Aktionen den „Kopf hinhalten“, von denen man sich dann aber „in Ruhe und in Sicherheit“ distanzieren kann. Mit „Chaotinnen“, „Autonomen“, „militanten Emanzen“ oder „Kampflesben“ will man nichts zu tun haben, wenn der Freund oder einE NachbarIn über „die“ schimpfen, wenn die Medien hetzen, wenn Demos verboten werden, wenn aktiver Widerstand mit Terrorismus-Vorwurf oder als „Mafia“ verfolgt wird.

A, F, M, N: Ein sehr breites Bündnis birgt die Gefahr, inhaltslos zu werden. Frausein alleine heißt nicht, dass wir alle dieselben politischen Interessen haben. Gerade am Beispiel von Maria Rauch-Kallat (Club alpha, ÖVP-Frauen), die auch Teil des Bündnisses ist, wird deutlich, dass wir nicht nur andere, sondern widersprüchliche Forderungen vertreten. So wurden in ihrer Amtszeit bspw. die Finanzierung autonomer Frauenhäuser gekürzt und andere reaktionäre Maßnahmen getroffen.
Eine große feministische Frauendemo kann jedoch auch Debatten „von unten“ anstoßen. Feministische Interventionen finden heute scheinbar nur in Form von staatlicher Frauenpolitik und universitären Debatten statt. Unser Ziel muss es aber sein, feministische Standpunkte auf die Straße und ins Bewusstsein aller Menschen zu tragen und die ewige Leier von der „eh schon erreichten Gleichberechtigung“ endlich abdrehen.

Eine Diskussion, die jedes Jahr intensiv geführt wird, ist, ob die Demo eine reine Frauendemo sein soll oder nicht. Dieses Jahr ist die Demo am 19. März gemischt. Wie steht ihr zu dieser Frage?

B: Bin absolut dafür, dass die jährlichen internationalen Frauentage auch solche bleiben. Es dürfen aber auch gerne andere linke usw. Gruppen jedes Jahr eine Demo für mehr Geschlechtergerechtigkeit organisieren. Das wäre super. Für mich ist der 19.3. 2011 in vieler Hinsicht die Ausnahme von der Regel und nicht identisch mit dem 8. März.

FZ: Die Auseinandersetzung „warum eine Frauendemonstration“ und „es gibt auch solidarische Männer“, gibt es über die Jahre immer wieder in den Vorbereitungen. Das Problem wären nicht die „solidarischen Männer“. Möglichkeiten für Solidarität gäbe es auch so genug: das Klo putzen, die Wäsche waschen, den Haushalt mitorganisieren statt „mal mitzuhelfen“, mit Buben antisexistische Gespräche führen, antipatriarchale Männergruppen bilden, solidarische Aktionen in der Stadt machen, Arbeitskolleginnen in ihrem Kampf um gleiche Löhne unterstützen, die eigenen Privilegien hinterfragen, u.s.w. Das Problem sind eher diejenigen, die dann unbedingt bei einer Frauendemonstration mitgehen wollen oder sich mit Feministinnen „schmücken“, aber patriarchale Strukturen nicht in Frage stellen wollen. Jene, die sich öffentlich als „Feminist“ präsentieren und „privat“ Frauen oder Mädchen als Sexobjekte behandeln und sich bekochen lassen.
Die Vorstellung von einigen, dass Männer aus „Solidarität“ die Technik auf der Demo machen könnten, sehen wir als Unterstützung der patriarchalen Arbeitsteilung, die Frauen aus bestimmten wirtschaftlichen Bereichen ausgrenzt. Mit der Frauenbewegung haben sich Frauen und Mädchen und immer schon viele Lesben, mit viel Kraft und trotz zahlreichen Konfrontationen mit dem sexistischen Alltag bei Ausbildungen und Arbeiten, u.a. technische und handwerkliche Bereiche angeeignet, die uns (immer noch) vorenthalten werden und an denen wir immer wieder strukturell gehindert werden. Und es gibt sie: die Elektrikerinnen, Mechatronikerinnen, Tischlerinnen, Schlosserinnen, DJanes, Licht- und Tontechnikerinnen… Bei einer Demonstration „anlässlich 100 Jahre Frauentag“ und „für Frauenrechte“ müssten Frauen und Lesben gefragt werden, die Technik zu machen!
Manchmal wird die politische Auseinandersetzung um die Selbstorganisierung von Frauen auf eine Ebene von so genannter „sexueller Differenz“ reduziert. Lesben „mögen keine Männer“, (heterosexuelle) Frauen wollen auch mit „ihrem Freund“ demonstrieren können.
Lesbische Existenz lässt sich nicht auf eine „sexuelle Differenz“ reduzieren, sondern ist ein wichtiger Ausdruck und eine Lebendigkeit von (notwendiger) Frauenkollektivität und Frauenbezogenheit, worin sich Frauen als „vollwertige“ und gleichwertige Subjekte begegnen. Dies bedeutet Mut und Widerstand in einem patriarchalen System. Diese Frauenbezogenheit und die autonome Selbstorganisierung von Frauen ist eine wichtige Kraft für die Frauenbefreiung – für alle Frauen!

In der Diskussion im Vorbereitungsplenum wurde gesagt, dass sich die SPÖ und die Gewerkschaften nicht beteiligen wollen, wenn Männer nicht mitgehen „dürfen“. Die offene Auseinandersetzung darüber wurde nicht geführt. Einigen war das Mitmachen von etablierten (Frauen-)Organisationen einfach wichtiger als die Kraft und Stärke einer Frauendemonstration. Bei der letztendlichen Abstimmung im Vorbereitungsplenum waren zehn Frauen für eine gemischte Demo, sechs für eine Frauendemonstration und einige haben sich der Stimme enthalt. Nach der Abstimmung sind Autonome Feministinnen vom FZ aus der Vorbereitung rausgegangen.

A, F, M, N: In einer sexistischen Gesellschaft brauchen Frauen eigene Freiräume, einerseits als Schutz- und Rückzugsort, andererseits als Raum der politischen Organisierung. Frauenfreiräume sind auch ein unverzichtbares Mittel, um feministische Kämpfe in gemischten Organisationen zu ermöglichen.
Solange auf der Demo ein klar antisexistischer Konsens herrscht, sehen wir es als unproblematisch, wenn Männer mitgehen und sich solidarisieren, solange sie dabei eine untergeordnete Rolle spielen. Es muss den Frauen vorbehalten sein, die Demo zu organisieren, Entscheidungen zu treffen, und Forderungen zu entwickeln.

Was sollte eurer Meinung nach der politische impact der Demo sein?

B: Wie gesagt, wichtig ist das Signal, die Langfristigkeit von feministischen Bündnissen ohne Grabenkämpfe, die je nach Situation, Inhalt und Kontext punktuelle sein können. Ich find es schwierig, alles aufzuzählen. Es kann ja der Plattformwebsite entnommen werden, was die verschiedenen Frauen unter feministischer Politik verstehen. Es hat sich ja schon bis ins deutsche Feuilleton herumgesprochen, dass die Situation der Frauen in Österreich im europäischen Vergleich ganz schlecht ist. Ganz allgemein würde ich sagen: gegen die zunehmende Feminisierung der Armut – für mehr feministisches Bewusstsein. Es fehlt an explizit feministischer Bildung.

FZ: Die Demonstration am 19.3. wird jetzt eine „Demonstration für Frauenrechte“ sein. Grundsätzlich sind zusätzliche gemischte Demonstrationen gegen Sexismus und Patriarchat und für Frauenrechte wichtig. Viel zu wenig wird bei Veranstaltungen, Aktionen und Demonstration gegen Sexismus Stellung bezogen. Wir kennen keine Aktion oder Demo, wo auch Männer gegen Vergewaltigungen oder Frauenmorde öffentlich Aktionen gesetzt haben. Zu sagen, „Ich schlage mein Frau nicht“, ist dabei eher zynisch, denn das sehen wir als minimalste Selbstverständlichkeit! Es bräuchte den Mut, auch gegen das patriarchale System und gegen das patriarchale-männliche Selbstverständnis aufzutreten, bei sich selbst und gegenüber anderen Männern.
Wir verstehen eine Frauendemonstration als einen wichtigen Bestandteil einer Selbstorganisierung von Frauen. Dieses Bewusstsein von Selbstorganisierung ist für jede Einzelne und für Frauen gemeinsam ein kämpferischer Bruch mit dem patriarchalen System und seinen Lebensbedingungen, ein Bruch mit männlicher Dominanz und männlicher Vorherrschaft – auch in seinem neuen neoliberalen Gewand von so genannter Partnerschaft und Gender Mainstreaming, die eine „weibliche“ Ergänzung zum „(männlichen) Mensch“ als „Herr“ postuliert.

A, F, M, N: Eine Demo alleine kann nicht das erreichen, was in der Gesellschaft und im Kampf gegen das Patriarchat erreicht werden muss. Um eine gesellschaftliche Veränderung herbeizuführen, bedürfte es einer breiten Bewegung. Eine Bewegung, die feministisch und zugleich auch dezidiert links und sozialistisch ist und die Forderungen auf der Straße durchkämpft. Frauenpolitische und feministische Forderungen müssen in die Gesellschaft getragen werden und eine möglichst breite Debatte auslösen.
Es ist notwendig, sich auch bzw. vor allem mit migrantischen Frauen zu vernetzen und mit ihnen gemeinsam Kämpfe zu führen. Die feministische Bewegung muss über ihre eigene Weißheit reflektieren und Weiße Frauenbündnisse überdenken. Wir finden es wichtig, sich über die eigene Klassenposition sowie über rassistische Diskriminierungsmuster bewusst zu werden und diese auch in den eigenen Reihen zu bekämpfen. Ein breites antikapitalistisches feministisches Bündnis kann kein Weißes bürgerliches Frauenbündnis sein!
Zu guter Letzt ist eine Programmatik von Nöten, die Geschlecht als Herrschaftsinstrument angreift und das System radikal in Frage stellt. Wir brauchen eine breite antikapitalistische Frauenbewegung!

In Zeiten von verschärften globalen Klassengegensätzen und immer repressiver werdenden Migrationsregimen stellt sich vermehrt die Frage nach einem gemeinsamen Kampf von Frauen aus unterschiedlichen sozialen und regionalen Kontexten. Muss nicht ein feministischer Kampf daher Fragen von Rassismus, Nationalismus und Klasse miteinbeziehen?

B: Diese Frage stellt sich realpolitisch tatsächlich vermehrt. Jedoch waren den feministischen Kämpfen, so wie ich sie kenne, immer schon die Kämpfe gegen Rassismus, Nationalismus und Klassenherrschaft eingeschrieben. Auch wenn heute oft so getan wird, als wäre das nicht so. Man müsste da nur mal die Flugblätter zum 8. März der letzten 30 Jahre durchlesen.

Anna, Flora, Marlen, Neva: Ja fix. Und ob!

Was könnten/sollten Ziele/Strategien jenseits dieses symbolischen Tages sein, um die Frauenbewegung/feministische Themen zu stärken und in der Gesellschaft stärker zu verankern?

B: Diese Frage lässt sich beim besten Willen nicht so beantworten. Es gibt keine Patentrezepte, jede Kollektivität muss das selber tun und sich erarbeiten. Es gibt ja auch hunderte Bücher dazu. Ganz grundsätzlich fehlt m.E. eine größere Bewegung, mehr Auseinandersetzung unter denjenigen, denen das überhaupt ein Anliegen ist, und überhaupt mangelt es an feministischer Bewusstseinsbildung. Und ganz überhaupt geht es um eine im weiten Sinne linke und feministische Repolitisierung der Gesellschaft und es fehlen (uns) Theorien und Praxen alternativer Politik- und Ökonomieformen.

FZ: Es braucht eine breite und radikale feministische Bewegung die diese Herrschaftsverhältnisse auf den Kopf stellt und zerlegt!

A, F, M, N: Es muss um die Organisierung von Frauen gehen und deren Vernetzung über Organisationsgrenzen hinweg. Das Ziel muss sein, das Patriarchat zu stürzen und die Gesellschaft umzukrempeln. Das geht nur, wenn Bündnisarbeit effektiv gestaltet wird. Innerhalb aller gemischten Organisationen müssen feministische Kämpfe geführt, Frauenfreiräume geschaffen und Frauen gestärkt bzw. gegenseitig bestärkt werden. Es muss bei den feministischen Kämpfen über die Organisationsgrenzen hinweg eine Orientierung auf die Subalternen geben und es müssen strategisch gemeinsame Forderungen aufgestellt werden. Die feministische Bewegung muss sich weg von dem Weißen und ausschließenden bürgerlichen Feminismus bewegen.
Feuer und Flamme dem Patriarchat, Kampf dem Sexismus in Arbeit, Alltag, Staat!

Birge Krondorfer ist Philosophin, Lehrbeauftragte an den Universitäten Klagenfurt und Innsbruck und tätig im feministischen Bildungs- und Kulturverein Frauenhetz, den sie auch mit gegründet hat.

Das FrauenMädchenLesbenZentrum versteht sich als Teil der autonomen FrauenLesbenBewegung. Als solche bietet es einen Raum für die feministische Auseinandersetzung mit weiblichen Lebensbedingungen und der Reflexion und Entwicklung widerständiger Praxis gegen Sexismus und sexistische Herrschaftsverhältnisse. Die FZ-Bar befindet sich im Wiener Werkstätten- und Kulturhaus WUK in Wien.

Anna Svec, Flora Alvarado-Dupuy, Marlen Stahrmüller und Neva Löw sind langjährige Aktivistinnen in der Sozialistischen Jugend Wien und Teil der Marxistischen Initiative Marxist*in.

Das Interview führten Veronika Duma, Julia Hofmann und Fanny Müller-Uri.

Anmerkung
1 Dieses Interview wurde aus einer Stellungnahme von autonomen Feministinnen und Lesben aus dem FZ zusammengestellt.





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