Aus der unüberschaubaren Zahl an spannenden Beiträgen, die seit Erscheinen der letzten, „grünen“ Perspektiven-Ausgabe zum Thema „ökologische Krise“ veröffentlicht wurden, wollen wir ein besonders gelungenes Heft herausgreifen.

In Ausgabe 279 von Das Argument wird eine Kritik gesellschaftlicher Naturverhältnisse in zweifacher Hinsicht angegangen. Einerseits werden bestehende Formen des gesellschaftlichen Umgangs mit Natur analysiert und kritisiert – etwa in Karl Otto Henselings Beitrag zum Umbau der Stoff – und Energiewirtschaft oder Ulrich Brands Beitrag zu aktuellen, „postneoliberalen“ ökologischen Strategien. Gleichzeitig werden die theoretischen Konzepte der „Produktion von Natur“ und der „gesellschaftlichen Naturverhältnisse“ selbst einer theoretischen Diskussion unterzogen und jeweils von einer Pro- und Kontraseite betrachtet. Hier sind die Beiträge von Bettina Köhler, Frieder Otto Wolf, Neil Smith und Victor Wallis überaus interessant.

In der selben Ausgabe des Argument ist der erste Teil eines äußerst lesenswerten Beitrags von David McNally abgedruckt, der die aktuelle Entwicklung Von der Finanzkrise zur Weltwirtschaftskrise überzeugend analysiert. Im Gegensatz etwa zu Robert Brenner (vgl. dessen Beitrag in Perspektiven Nr.6) geht McNally von einer globalen Wiederherstellung der Profitraten in den 1980er Jahren aus, sieht aber ebenso wie dieser die neoliberale Politik der letzten zwanzig bis dreißig Jahre als einen Mechanismus, der Krisen zwar erfolgreich hinauszögern oder in die Peripherie verlagern konnte, dadurch aber letztlich die Grundlage für die aktuelle, schwere Finanz- und Überakkumulationskrise legte.

À propos Finanzkrise: ein bereits im April 2006 in der American Historical Review erschienener Artikel von Jonathan Ira Levy ist durch diese zu unverhoffter Aktualität gelangt. Er zeigt, wie die heute vieldiskutierten „Futures“ – spekulative Termingeschäfte an Börsen – bereits Ende des 19. Jahrhunderts in den USA entstanden, etwa indem noch nicht geerntetes Getreide ge- und verkauft wurde und eine eigenständige Gruppe von HändlerInnen solcher fiktiver Waren entstand. Levy zeigt auf spannende Weise, dass die Probleme, die bereits damals mit dieser Form des Warentausches verbunden waren, jenen auf den globalen deregulierten Finanzmärkten der letzten Jahre nicht unähnlich waren.

Gewohnt zuverlässig setzen die GenossInnen der Zeitschrift Wildcat in der Analyse der Krise auf einen Blick von unten. In der aktuellen Ausgabe werden deshalb internationale Klassenkämpfe in den Blick genommen, die aktuell unter den Bedingungen der Krise geführt werden: in England, China, Indien, den USA und Polen etwa.

Als Nachtrag zu Perspektiven Nr.6 (Schwerpunkt USA: Brüche im Imperium) wollen wir den jüngsten Artikel von Mike Davis in der New Left Review empfehlen. Er zeigt eindrücklich, wie der Sieg Obamas als tektonische Verschiebung in den traditionellen WählerInnenstrukturen der USA verstanden werden muss. Die widersprüchliche soziale Basis des „Obama-Projekts“ zwischen neu gewonnener Suburbia-Mittelkasse, den Silicon Valley-Fraktionen der US-Bourgeoisie und breiter subalterner Unterstützung sagt viel über dessen Widersprüchlichkeit aus, argumentiert Davis.

Schließlich noch ein Hinweis auf einen Artikel in den aktuellen grundrissen, der von Karl Reitter vor dem Hintergrund linker Debatten um den jüngsten Krieg Israels gegen den Gazastreifen geschrieben wurde. Er seziert präzise die Argumentationsfiguren, die von den bedingungslosen VerteidigerInnen der israelischen Regierungen in linken Debatten vorgebracht werden, und zeigt, wie diese eine kritische Auseinandersetzung mit dem Nahost-Konflikt verhindern. Man muss nicht jedem inhaltlichen Argument folgen, um diesen Beitrag für äußerst nützlich in den oftmals hitzigen Debatten zu diesem Thema zu halten.

Zum Nachlesen:

Henseling, Karl Otto: Die Große Transformation. Strategischer Umbau der Stoff – und Energiewirtschaft;
Köhler, Bettina: Gesellschaftliche Naturverhältnisse, Politische Ökologie und ökologisch-feministische Sichtweisen;
Brand, Ulrich: Postneoliberale Antworten auf die ökologische Krise;
Wolf, Frieder Otto: Wider die Kategorie der gesellschaftlichen Naturverhältnisse;
Smith, Neil: Zur kapitalistischen Produktion von Natur;
Wallis, Victor: Wider die These von der ‚Produktion von Natur’,
alle in: Das Argument Nr. 279, 6/2008, 827-838, 850-883

McNally, David: Von der Finanzkrise zur Weltwirtschaftskrise (1. Teil), in: Das Argument Nr. 279, 6/2008, 796-805

Levy, Jonathan Ira: Contemplating Delivery. Futures Trading and the Problem of Commodity Exchange in the United States, 1875–1905, in: The American Historical Review 11(2), April 2006, online unter http://www.historycooperative.org/journals/ahr/111.2/levy.html

Wildcat Nr. 83, Frühjahr 2009

Davis, Mike: Obama at Manassas, in: New Left Review Nr. 56, März/April 2009, 5-42

Reitter, Karl: Argumentationsfiguren und Begründungsstrukturen um den Krieg gegen Gaza, in: grundrisse Nr.29, 2009, 19-24, online unter http://www.grundrisse.net/grundrisse29/Krieg_gegen_Gaza.htm