Rezension: Jonathan Neale: Der amerikanische Krieg. Vietnam 1960-1975. Köln: Atlantik/Neuer ISP Verlag 2004. 17,30 €
In Der amerikanische Krieg schildert der Marxist Jonathan Neale eindrucksvoll, wie die Supermacht USA einen Krieg gegen eine militärisch unterlegene Guerillaarmee gleich an zwei Fronten verloren hat: in Vietnam und in den USA.
Doch es handelt sich um weit mehr als nur um einen geschichtlichen Abriss über einen längst vergangenen Krieg. Die Stärke dieses Buches liegt darin, dass Neale einerseits den Konflikt, in dem sich die USA sowohl innen- als auch außenpolitisch befand, mit einer bestechenden Klarheit beschreibt und analysiert. Andererseits – und das macht dieses Buch so einmalig und beeindruckend – lässt er auf lebendige und authentische Weise die Betroffenen des Krieges zu Wort kommen: Die vietnamesischen WiderstandskämpferInnen, die amerikanischen Soldaten in Vietnam, deren sich ängstigenden Mütter und die AntikriegsaktivistInnen in den USA.
Die Niederlage der US-Regierung resultierte aus drei Elementen: Der erbitterte vietnamesische Widerstand, die Protestbewegung in den USA und letztlich die Auflehnung und Verweigerung der Soldaten innerhalb der US-Armee selbst. Die Bilder der Tet-Offensive, in der vietnamesische GuerillakämpferInnen die US-Botschaft in Saigon stürmten und für einige Stunden besetzt hielten, gingen um den gesamten Globus. Zusätzlich sah sich die US-Regierung konfrontiert mit einem Protest nie gekannten Ausmaßes, die auch die BürgerInnenrechtsbewegung der Schwarzen und die Eltern der Soldaten miteinschloss.
Neben dem vietnamesischen Widerstand und dem Protest in den USA lag der Grund für das Scheitern der USA v.a. auch am Widerstand innerhalb der US-Armee selbst. Neale schreibt: „Die GIs in Vietnam kamen aus der Arbeiterklasse, und ihr Auftrag lautete, eine Revolte armer Bauern zu zerschlagen. Sie wussten es. Sie waren in einen grausamen Krieg geschickt worden und wurden ermuntert, zu töten und Leichen zu zählen. Der Widerspruch, in dem sie gefangen waren, die Qual und die Konfusion, auf der falschen Seite zu stehen, trieb viele zur Grausamkeit. Dieselben Kräfte jedoch konnten die Männer zur selben Zeit zur Revolte gegen den Krieg treiben – und sie revoltierten auch.“ Zunächst begannen einige Soldaten Antikriegstreffen zu organisieren. Was als kleinere Versammlungen von Einzelnen begann, weitete sich rasch aus. GIs traten organisiert auf, verweigerten Befehle und schossen sogar auf Offiziere.
Heute wird häufig von einer „Vietnamisierung“ des Irakkriegs gesprochen. Tatsächlich finden sich im Irakkonflikt die drei tragenden Elemente, die den USA ihrem unpopulär geführten Krieg und der jetzigen Besatzung zum Verhängnis werden könnten: Der Widerstand der IrakerInnen, eine weltweite Antikriegsbewegung und zunehmender Unmut in der Armee.
Deshalb ist das Buch so wertvoll; nicht nur weil es packend geschrieben ist, auch weil sich aus den Protesten der Bewegung von damals viele relevante Lehren für heute ziehen lassen.