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Zuckerrohr und Peitsche
von Camila Moreno, Franziskus Forster, Katharina Hajek, Felix Wiegand

Agrartreibstoffe sind keine „Strategie gegen den Klimawandel“, sondern Teil des Problems. Franziskus Forster, Katharina Hajek und Felix Wiegand sprachen im Juni 2008 mit Camila Moreno, brasilianische Aktivistin der KleinbäuerInnen-, LandarbeiterInnen- und Landlosenbewegung Via Campesina, über die ökologischen und sozialen Konsequenzen industrialisierter Landwirtschaft, die „Geopolitik der Agrartreibstoffe“ und nachhaltige Alternativen.

Fangen wir mit einer einfachen Frage an: Könntest Du kurz erklären, was Agrartreibstoffe sind und warum dieses Thema im Moment so heiß diskutiert wird?

Der Name Agrartreibstoffe ist bereits ein kritischer Begriff von Sozialen Bewegungen, die den Begriff Biotreibstoffe nicht akzeptieren. Sie nennen es Agrartreibstoffe um klar zu machen, dass wir über eine weitere Warenkette des Agrar-Lebensmittels-Sektors sprechen. Der Agrar-Lebensmittel-Sektor und der Energiesektor sind heute die Sektoren, die am stärksten von Unternehmen kontrolliert werden und die höchste Machtkonzentration aufweisen. Mit der Entstehung der Agrar-Energie-Industrie erleben wir nun die Fusion dieser beiden Sektoren; natürlich in Zusammenarbeit mit der Automobilindustrie und der alten Ölindustrie.

Was sind Agrartreibstoffe? Hauptsächlich Ethanol und Biodiesel. Ethanol wird in den USA aus Getreide und in Brasilien aus Zuckerrohr hergestellt. Biodiesel wird aus verschiedenen Quellen gewonnen, aus Raps, Sojabohnen und Palmöl, wobei letzteres die profitabelste Quelle ist.

Welcher Zusammenhang besteht zwischen Agrartreibstoffen und der Öl- und Automobilindustrie und was hat dies mit den steigenden Benzin, Erdöl- und Erdgaspreisen zu tun?

Agrartreibstoffe sind Teil einer größeren Agrar-Energie-Strategie. Wir sprechen hier nicht nur über Flüssigtreibstoffe, sondern generell über Energie, die aus Biomasse gewonnen wird. Wir benutzen die Landwirtschaft also, um Essen, Werkstoffe, Treibstoffe und Futter herzustellen.

Der allgemeine Hintergrund ist die Erschöpfung der Ölvorräte. Wir haben Peak-Oil erreicht bzw. wir erreichen es in einigen Jahren. Der Ölpreis hat sich im Zeitraum von April 2007 bis April 2008 verdoppelt und es zeichnet sich keine Abschwächung des Preises ab. Es kann eine Spekulationsblase sein, wie manche behaupten, aber der entscheidende Punkt ist, dass es immer teurer wird, die verbleibenden Ölvorräte zu fördern. In Zukunft wird man mehr Energie aufwenden müssen, das Öl zu fördern, als man durch dieses gewinnt. Zusätzlich ist es notwendig, die Suche nach Öl in neue und ökologisch empfindliche Gegenden wie die Nordsee oder den Amazonas auszuweiten. Und im Nahen Osten gibt es einen Krieg, von dessen Ausgang die weitere Ölförderung abhängt.

Die propagierte Strategie, mit Agrartreibstoffen den Klimawandel zu bekämpfen, wurde zu Beginn des Jahres 2008 von zwei großen Studien zerpflückt, die ihren Fokus auf die gesamte Energiebilanz der Agrartreibstoffe richteten. Sie konnten zeigen, dass Agrartreibstoffe nicht nur genauso viel Emissionen produzieren wie Öl, sondern sogar noch mehr. Es geht hier also nicht um die Bekämpfung des Klimawandels, sondern um den Versuch, eine Krise hinauszuzögern, die wir bereits erleben. Es handelt sich um eine Systemkrise, weil die Agrartreibstoffe nicht losgelöst von der völlig auf Erdöl basierenden industriellen Landwirtschaft existieren.

In Brasilien produzieren wir seit 33 Jahren Ethanol, aber der entscheidende Punkt ist, dass wir es jetzt herstellen, um Treibstoffe für den Leichttransport und eine 25-prozentige Beimischung zum Benzin zu gewinnen. Aber man bewegt keinen Traktor oder die acht Achsen eines großen Trucks nur mit Ethanol. Sie funktionieren ausschließlich mit Diesel, weil Diesel ein stärker konzentrierter Treibstoff ist. Wir sprechen darüber, einen kleinen Teil des Öls zu sparen, um die Transportkosten niedrig zu halten und die KonsumentInnen und speziell die Mittelklasse – die immer noch sehr stark auf die individuelle Mobilität und ein Auto-zentriertes Leben Bezug nimmt – den Anstieg der Ölkosten nicht spüren zu lassen. So ist zum Beispiel der Lebensmittelpreis bereits mit dem Preis für Schweröl verbunden, das man für den Transport der Lebensmittel benötigt. Das ist der Grund für die Explosion der Lebensmittelpreise und die Hungerrevolten. Im Gegensatz dazu explodieren die Preise für den Individualverkehr noch nicht. Es gab in Europa Proteste, die jedoch hauptsächlich vom Produktions-Sektor ausgingen, z.B. von Landwirten und Fischern. Alle, die auf Diesel angewiesen sind, protestierten. Aber wir haben keine Bewegung von urbanen KonsumentInnen gesehen, die gegen die steigende Treibstoffpreise protestiert hätten.

Abgesehen von den Preisen für Benzin und Lebensmittel, welche sozialen Auswirkungen haben Agrartreibstoffe noch? Inwieweit hängen diese mit den sogenannten „Umweltproblemen“ zusammen?

Zunächst müssen wir uns die Frage stellen: wenn mehr und mehr Konsens darüber besteht, dass Agrartreibstoffe keine „Strategie gegen den Klimawandel“ darstellen, warum unterstützen die Regierungen diese dann immer noch? Weil, wie ich schon erwähnt habe, Agrartreibstoffe einen Spielraum oder ein Zeitfenster schaffen. Die Geschichte des Kapitalismus ist eng verbunden mit fossilen Treibstoffen. Ohne diese hätte der globale Handel und die globale Plünderung der Rohstoffe nie eine derartige Geschwindigkeit und Intensität erreichen können. Die ganze industrielle Revolution basierte auf dem Verbrennen von Kohle, ab den 1850er Jahren wurde dann das Erdöl ein Bestandteil der Ökonomie. Wenn es nun ausgeht, wie soll das System, der weltweite Handel, die Produktion, der Transport und der Export von Waren aufrecht erhalten werden?

Agrartreibstoffe sind also keine „Strategie gegen den Klimawandel“, sondern bloß der Versuch, ein System am Leben zu erhalten, das von selbst zusammenbrechen würde. Dieses System hat von Anfang an ökologische und soziale Katastrophen provoziert: seit der Transformation der traditionellen Landwirtschaften in den verschiedensten Ländern nach dem Zweiten Weltkrieg durch die Grüne Revolution …

Könntest Du kurz den Begriff „Grüne Revolution“ erklären?

Der Begriff der „Grünen Revolution“ verweist auf die in den USA entwickelte und bewusst geplante Strategie, nach dem Zweiten Weltkrieg sozialistische oder kommunistische Aufstände zu verhindern. Der „roten“ Revolution mit einer „grünen“ Revolution entgegenzutreten. Die Idee war: wenn wir Nahrung für die bäuerliche Bevölkerung in der dritten Welt sicherstellen, dann werden sich die Massen nicht der „roten Bedrohung“ anschließen. Deshalb entwickelten sie das, was hybrides Saatgut genannt wird. Dieses kann nach der Aussaat nicht wiederverwendet werden. Damit wurde eine historische Wende vollzogen: zum ersten Mal in der Geschichte wurde Saatgut entwickelt, das die BäuerInnen sowie die landwirtschaftliche Produktion insgesamt an ein vollständig technologisches Paket band. Das Paket beinhaltete Dünger auf Erdöl-Basis, Agrarchemikalien, Mechanisierung, Abhängigkeit von Treibstoffen und Zugang zu Krediten. Das erste hybride Saatgut wurde in Indien und Südostasien eingesetzt, später in Mexiko. Das erste Beispiel war der „Goldene Reis“, von dem behauptet wurde, er wäre besser und enthalte mehr Vitamine, so dass er die Menschen von Mangelernährung befreien könnte. Heute wissen wir, dass diese Dinge hauptsächlich von Rockefeller und der Ford-Foundation vorangetrieben wurden, dem „philantrophischen“ Gesicht des Kapitalismus. Viele Regierungen südlicher Staaten wandten diese Pakete an. Darin liegt die Hauptursache vieler Auslandsschulden. Fast die gesamten Schulden Brasiliens basieren auf den Krediten, die aufgenommen wurden, um das Modell der industriellen Landwirtschaft einzuführen. In Indien und später auch Brasilien war das Paket zusätzlich mit Bevölkerungskontrolle und einem massiven Sterilisations-Programm verbunden.

Heute lässt sich noch ein anderer Aspekt der „Grünen Revolution“ ausmachen: nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs hinterließ die Kriegsindustrie viele Schiffe, Chemikalien und massenhaft Panzergestelle, aus denen man Traktoren bauen konnte. Es existierte also eine umfangreiche industrielle Infrastruktur, die im Krieg entstanden war und die Wirtschaft während des Krieges florieren ließ. Nun wurde ein sehr zufriedenstellender Weg gefunden, all diese vorhandenen Anlagen zu Geld zu machen und die Chemikalien loszuwerden. Um ein Beispiel für die Chemikalien zu geben: Monsanto1 produzierte das Entlaubungsmittel „agent orange“, das im Vietnamkrieg eingesetzt wurde. Am Ende des 20. Jahrhunderts tritt Monsanto als „Saatgutunternehmen“ auf, will die Welt von Hunger befreien und gewinnt viele Nachhaltigkeitsauszeichnungen. Ich will Euch nicht die Geschichte von Monsanto erzählen, aber alle Unternehmen, die am Ende des 20. Jahrhunderts die Saatgutproduktion beherrschen, haben eine katastrophale Vergangenheit.

Mit dem hybriden Saatgut wurden die BäuerInnen nicht nur dazu gezwungen, für jede Aussaat neues Saatgut zu kaufen, sondern sie mussten auch ihr Land der Bank als eine Garantie geben, um die Kredite für die Umsetzung des Pakets zu erhalten. Damit wurde ein riesiger Markt für die ohnehin bereits produzierten Chemikalien geschaffen. Es half Deutschland, seine Wirtschaft wiederaufzubauen, da alle großen Chemiekonzerne zu dieser Zeit aus Deutschland kamen: Bayer, BASF etc. Dies hat auch die Erosion der Biodiversität angestoßen, die wir heute erleben. Die Food and Agriculture Organisation (FAO) meint, dass wir im 20. Jahrhundert nicht weniger als 75 Prozent der gesamten agrarischen Biodiversität verloren haben. Diese gesamte Entwicklung ging Hand in Hand mit der Schaffung freier Flächen durch Abholzung, DDT2 wurde großräumig eingesetzt, um Gegenden von Moskitos zu befreien. All dies, um die Märkte mit Nahrung auf Getreidebasis zu überschwemmen. Diese wurde auch entwickelt, um industrielle Proteine einzuführen. Zuvor nahmen die Menschen nämlich unterschiedliche Proteine zu sich, anhängig davon, in welchem Ökosystem sie lebten. Aber mit der industriellen Revolution in der Landwirtschaft wurden – neben der Umstellung auf Getreide – auch die Grundlagen der „fast food“-Ernährung geschaffen, durch die Rind, Geflügel und Schwein zu den universellen und globalen Proteinquellen wurden. Natürlich handelt es sich dabei um eine große Industrie, die große ökologische und soziale Auswirkungen hat.

Ich habe so weit ausgeholt, um den Zusammenhang zwischen den ökologischen und sozialen Auswirkungen der Agrartreibstoffe aufzuzeigen. Seit Beginn der „Grünen Revolution“ haben ExpertInnen, AktivistInnen und soziale Bewegungen auf die verheerenden Folgen aufmerksam gemacht. Aber dies hat das Projekt nicht aufgehalten, weil die Regierungen wirklich überzeugt waren, eine Intensivierung der Produktion wäre notwendig. Das Hungerproblem wurde nicht an der Wurzel gepackt, z. B. mit einer Landreform in Lateinamerika. Die Strategie war vielmehr, die Industrialisierung der Lebensmittelproduktion zu fördern. Jetzt – mit der durch die gentechnisch veränderten Organismen (GMO) losgetretenen „zweiten Grünen Revolution“ – erleben wir eine neue Welle der Belastung von Land, von Wasser etc. Das wird überall kritisiert. Aber die Regierungen sind die einzigen, die in der Lage wären, verbindliche Rechtsvorschriften für den Konsum und die Produktion von Agrartreibstoffen zu erlassen. Für diese existiert deshalb ungebrochene Unterstützung, weil keine Regierung die politische Aufgabe übernehmen will, ihren BürgerInnen offen zu sagen: „Dieser Lebensstil kann nicht weitergehen, wir müssen ihn dramatisch ändern“. Das ist genau der Punkt! Es existiert keine politische Plattform, weder auf Seiten der Linken noch der Rechten, die ehrlich genug wäre, den BürgerInnen zu sagen: „Diese Welt braucht einen Neustart, wir müssen innehalten, das Ganze überdenken und neu planen“. Und es geht hier nicht um technische Lösungen oder ein besseres Management, das Ganze muss vielmehr strukturell völlig neu konzipiert werden, ausgehend von der Lebensmittel- und Energieversorgung der heutigen Millionenstädte.

Was verstehst Du unter der sogenannten „Geopolitik der Agrartreibstoffe“?

Der Begriff „Geopolitk der Agrartreibstoffe“ ist ein Begriff, der von verschiedenen Gruppen des globalen Südens geprägt wurde, die sich das erste Mal im Juni 2007 in Ecuador getroffen haben. Es gab zu dieser Zeit viele Debatten über Agrartreibstoffe, aber wir waren uns einig, dass wir, wenn wir diese thematisieren wollten, so etwas wie einen gemeinsamen Ausgangspunkt brauchten: Ernährungssouveränität3. Wir diskutierten über dieses Thema in Ecuador, einem kleinen Land, dessen Wirtschaft völlig vom Erdöl-Export abhängig ist. Es ist auch das Land, in dem TEXACO zum ersten Mal überhaupt für verursachte Umweltschäden verklagt wurde. Und es ist auch ein Land, dessen Ölreserven maximal noch für zwölf bis zwanzig Jahre reichen werden und das sich deshalb gegenwärtig Gedanken über Veränderungen macht. Sie schreiben im Moment an einer neuen Verfassung, die einen Wandel hin zu einem „Ecuador nach dem Öl“ vorsieht. Wir dachten also, dies wäre ein großartiger Ort, um über dieses Thema zu sprechen. Es waren Mitglieder des Oil-Watch-Networks mit dabei. Dieses Netzwerk überwacht – wie der Namen schon sagt – seit mehr als 15 Jahren die Produktion und den Verkauf des Erdöls. Sie teilten mit uns sehr wichtige Erfahrungen darüber, wie Gebiete, in denen die Pipelines verliefen, im letzten Jahrhundert die Geopolitik entscheidend beeinflussten. Wenn man sich vergegenwärtigt, dass der Aufbau der Infrastruktur für die Förderung und den Transport des Öls viel Zeit in Anspruch nimmt und die entsprechenden Gebiete buchstäblich „gesäubert“ werden müssen, beginnt man zu verstehen und die Teile des Puzzles zusammen zu setzen.

Im Zusammenhang mit den Agrartreibstoffen passiert genau dasselbe. Zum Beispiel kann man sagen, dass in Lateinamerika heute alle großen Infrastrukturmaßnahmen mit der Energieproduktion und -distribution zu tun haben. Es gibt Häfen, Speicher, zwei Ethanol-Pipelines, die Umleitung von Flüssen, Mega-Dämme: all das ist Teil der großen Infrastruktur, die errichtet wurde, um Energie zu produzieren, zu exportieren und eine billige Energieversorgung für die Produktion sicher zu stellen. Doch diese Entwicklung verlangt die Säuberung bestimmter Gebiete, die Errichtung von „Schutzgebieten“. Geschützt vor wem? Geschützt vor den Menschen, die dort eigentlich leben! Wenn die Gebiete erst einmal gesäubert sind und die Dinge ins Laufen kommen, dann sind sie nicht mehr zu stoppen, weil die Menschen in den Städten leben und deshalb nicht mitbekommen, was tatsächlich passiert.

Wenn man ausgehend von diesen Infrastrukturprojekten einen Schritt weiter geht, bekommt man in den Blick, wie die Politik in Lateinamerika durch diese neue Geopolitik umgestaltet wird. Die ersten, die davon profitieren, sind die Brasilianische Regierung und die Ethanol-Allianz zwischen den USA und Brasilien, die den neu entstehenden internationalen Agrar-Energie-Markt beherrscht. Dabei ist ein sehr wichtiger Punkt, dass die Entscheidungen über die Bedingungen und die Standards des Ethanol-Sektors in ihrer Hand liegen. Um eine internationale Ware zu werden, muss dieser Sektor nämlich völlig standardisiert werden und wer die Standards bestimmt, bestimmt auch, wie dieser funktioniert. Wir dachten: „Oh, das ist ein zu vernachlässigender Aspekt!“, aber das ist es nicht! Denn wenn man ein oder zwei Grad in der Reinheit oder der Konzentration des Treibstoffs ändert, läuft es nicht mehr durch die Motoren, da diese – im Gegensatz zu früheren Generationen – sehr komplex, vollständig elektronisch und überaus empfindlich sind und nur wenige Unternehmen auf der Welt die entsprechenden Technologien besitzen. Das ganze erscheint zwar wie eine rein technische Frage, aber das ist es definitiv nicht! Die Frage ist, wer die Standards für die Produktion setzt und die Automobil-Industrie hat großen Einfluss darauf.

Diese Allianz zwischen Brasilien und den USA bedeutet nun für letztere erst einmal eine weitere sichere Quelle für Treibstoff, die sie unabhängiger von Konflikten im Nahen Osten und anderswo macht. Gleichzeitig hilft es Brasilien, zum neuen „Giganten des Südens“ zu werden, eine Position, die schon lange angestrebt wurde. Es nutzt seinen gesamten Staatsapparat, um zu sagen: „Jetzt sind wir hier, wir möchten mit den Großen mitspielen und einen permanenten Sitz im UN Sicherheitsrat“. Das ist eine Obsession für Brasilien.

Zusätzlich zu dem Ethanol haben wir ca. 240 km vor der Küste in tiefen Gewässern die weltweit drittgrößten Erdöl und -gasreserven. Dies eröffnete einen großen Spielraum für Spekulationen, da es ein sehr kostspielig zu förderndes Öl und Gas ist, Brasilien jedoch die führende Technologie für die off-shore-Förderung besitzt.

Brasilien kombiniert also Agrartreibstoffe mit gewöhnlichen fossilen Brennstoffen und ist zusätzlich dieser „Wassergigant“, der auch Energie aus Wasserkraft/Hydroenergie bereitstellen kann. Und das passt sehr gut in die Interessen der USA, weil es Chavez völlig marginalisieren würde – Chavez und Venezuela als die Ölmacht der Region. Es könnte z. B. auch der Abhängigkeit vom Erdgas Evo Morales’ ein Ende bereiten – Brasilien importiert gegenwärtig eine Menge dieses Erdgases. Wir könnten im Hinblick auf die Energie selbstversorgend sein, aber wir beziehen Energie aus dem Ausland, weil es sich lohnt, billiges Öl zu kaufen und unser qualitativ hochwertiges Öl teuer zu verkaufen. Wir verkaufen also eine Menge davon ins Ausland und gleichzeitig importieren wir Diesel, nicht weil wir es nicht hätten, sondern weil es sich auszahlt. Brasilien raubt damit den am stärksten links orientierten Regierungen in Lateinamerika und deren Ansichten die Aufmerksamkeit, sie werden in den Schatten gestellt vom „neuen Giganten“ Brasilien.

Brasilien maßt sich auch an, nach Afrika zu expandieren. Weil Brasilien „ein Freund Afrikas“ ist. Unsere Bevölkerung besteht zu mehr als 60 Prozent aus „Afro-BrasilianerInnen“. Als Land, das von Sklavenhänden erbaut wurde, sei Brasilien berufen, nach Afrika zu gehen, diese Schuld zu bezahlen, und so weiter und so fort. Brasilien wird in Afrika ein warmer Empfang bereitet, wegen der Nahrungsmittelknappheit und Lulas Charisma. Die USA wären dazu nie in der Lage. Brasilien macht sich also den Weg frei und sagt: wir sind nur hier um Zuckerrohrplantagen anzulegen, unsere Entwicklungsbank kann euch Geld leihen, weil wir diese Süd-Süd-Kooperation haben. De Facto ist dies jedoch nur Wasser auf die Mühlen der Großindustrie. Der Aufstieg Brasiliens hat auch die Art und Weise verändert, in der sich Europa, z. B. Deutschland, gegenüber dem Land verhält. Plötzlich bekommt Brasilien Besuch von Angela Merkel und jedeR versucht, es Brasilien recht zu machen, weil jedeR ein riesiges Interesse an Brasilien hat – so nehmen zumindest wir in Brasilien es war. Denn nun haben wir etwas anzubieten, unsere Regierung ist mehr denn je dazu bereit, das Land zu missbrauchen, um die globalen Märkte zu versorgen. Lula sagte letztes Jahr, dass die BetreiberInnen von Zuckerplantagen für mehr als 500 Jahre als Bad Guys angesehen wurden – nun sind sie unsere Helden, da sie den Markt mit dem versorgen können, was dieser verlangt. Und er hat gesagt, dass wir die Pflicht haben, diese Versorgung für sie sicherzustellen. Das ist vollkommen unterwürfig.

Die europischen Regierungen sind schließlich nicht hier, um alle zwei Jahre ein Fass zu kaufen, sondern es geht um riesige Mengen, die jeden Tag im Hafen von Rotterdam einlaufen. Wenn man eine derart große Nachfrage hat, muss man ohne Unterbrechung anbauen, verarbeiten, lagern und liefern, d.h. man benötigt eine umfassende Infrastruktur und eine gut getimte Logistik, Lastwagen, Tanks, Schiffe usw. Wenn man nach Sao Paolo reist, sieht man gleich, dass das kein Kindergeburtstag ist. Aber je mehr der Anbau von Agrartreibstoffen zunimmt, desto größer wird das Interesse des Kapitals sein, Infrastruktur zu errichten. Und wie man im Irak sieht, fließen beim Aufbau von Infrastruktur gewaltige Geldsummen. Das alles hält die Wirtschaft am Laufen und das ist genau das, was sie brauchen.

Was bedeutet diese Entwicklung, die Errichtung dieser Infrastruktur, die Umstrukturierung der Wirtschaft, diese neue Agro-Industrie, für die Menschen in Brasilien und speziell für die Bevölkerung des Amazonas-Gebietes?

Zunächst einmal, dass wir in Brasilien jeden Tag mit dieser neuen Agro-Energie überschwemmt werden. Wir sind seit mehr als dreißig Jahren daran gewöhnt. Das ist sehr stark nationalistisch aufgeladen und die Mittelklasse findet Gefallen daran: sie sind es, die die Autos fahren und für das Ethanol nur ein Drittel des normalen Benzinpreises zahlen. Es ist also billiger und es wird nicht weiter darüber nachgedacht. Für einen anderen Teil der Bevölkerung, die sozialen Bewegungen, die bereits zuvor begonnen hatten, gegen die Expansion des Agro-Buisness zu mobilisieren und Widerstand zu leiten, bedeuten die Entwicklungen lediglich die Vergrößerung eines bereits bestehenden Problems. Natürlich haben wir die Expansion des Agro-Business genau beobachtet und Widerstand geleistet, aber mit der Förderung von Agrartreibstoffen – ein mit internationalem Kapital angestoßener Prozess – nahm die Geschwindigkeit, mit der das Land durch Monokulturen verändert wurde, dramatisch zu. Die Entwicklung begann also bereits zuvor, nahm nun jedoch eine andere Dimension an.

Zuallererst müssen wir verstehen, dass die Ausbreitung industrieller und genetisch modifizierter Monokulturen sowie der massive Einsatz von Chemikalien in der Landwirtschaft die Hauptursache für den Teufelskreis ist, den das Agro-Business losgetreten hat: die Abholzung, der Verlust der Biodiversität, die Vertreibung der Bevölkerung von ihrem Land. Sie kommen mit ihren Monokulturen und verschmutzen den Boden und das Wasser, beschleunigen die Erderwärmung und treiben die Bevölkerung in die Randgebiete der Großstädte. Dort benötigen sie Unterkünfte, Gesundheitsversorgung, Bildungseinrichtungen und Wasser und weil sie das alles nicht kriegen, nimmt die Gewalt um die Städte herum zu. Außerdem hat das alles die Vereinheitlichung der Ernährung zur Folge und treibt die „Supermarktisierung“ des alltäglichen Lebens voran. Die städtischen Siedlungen – konzipiert als Orte, um dort sein Leben zu fristen, zu konsumieren und zu wohnen – sind allesamt um diese riesigen Supermarkt- und Einkaufszentren herum gebaut, wo du hingehst und deinen ganzen Tag nur damit verbringst, Dinge zu kaufen. Das ist sehr amerikanisch, alles ist genormt, es gibt viele Shops und sie kontrollieren genau, was du isst und was du kaufst. Sogar die Sozialleistungen für arme Menschen bestehen darin, Lebensmittelmarken für diese Zentren zu verteilen. Die Lebensmittel sind komplett industriell hergestellt, machen dich krank und fett aber nicht satt. Den Armen sieht man ihren Hunger nicht an, sie sind fett. In Brasilien kann man einen ziemlich klaren Unterschied erkennen: die Armen sind fett und ein klares Zeichen des sozialen Aufstiegs besteht darin, schlank zu sein und den gängigen Schönheitsidealen zu entsprechen.

Aber der entscheidende Punkt ist, dass diese Entwicklung mit einer noch stärkeren Ausrichtung der Ökonomie auf den Export landwirtschaftlicher Güter Hand in Hand geht. Man muss sich das überlegen, diese Landwirtschaft ist keine Landwirtschaft, sondern Bergbau! Man beutet die gesamt Fruchtbarkeit des Bodens, die gesamten Mineralien aus, schickt die Erzeugnisse nach Europa, nach China, wo sie dann gegessen werden; aber die Exkremente gelangen niemals zurück nach Brasilien, der biologische Kreislauf wird niemals wieder hergestellt. Im Ergebnis bedeutet dies, dass nach 30 Jahren Landwirtschaft in der Amazonas-Region der Boden bereits ausgelaugt ist, und dies trotz großer Mengen von Dünger und Zusatzstoffen, die aus Sibirien und Israel importiert werden. Man kann die Phosphate usw. nicht produzieren, also müssen sie von irgendwoher herangeschafft werden.

Für viele Menschen liegt es demnach auf der Hand, dass und wie dieses ganze System zusammenbricht. Warum wird dies nicht eingestanden und der Bevölkerung reiner Wein eingeschenkt? Die Ernährungskrise hat grade erst angefangen, sie wird aber bestehen bleiben. Wir bräuchten eine völlige Umgestaltung des Ernährungssystems, von Nahrungsmittelproduktion und -handel, eine Wiederentdeckung traditionellen Saatguts, das gegenüber Klimawandel und extremen Naturereignissen viel widerstandsfähiger ist. Wir aber tun genau das Gegenteil: wir fördern die Erforschung von GMOs mit höherer Widerstandskraft gegenüber Trockenheit, obwohl es die GMOs selbst sind, die die Trockenheit verursachen! Es ist wie bei einem Hund, der versucht, sich in den eigenen Schwanz zu beißen und deshalb die ganze Zeit im Kreis läuft. Währenddessen schmelzen die Pole.

Die Situation ist also sehr ernst und gleichzeitig ist es sehr schwierig, in die öffentliche Wahrnehmung zu gelangen, weil das Problem so vielschichtig ist. Manche Menschen lernen es auf die härteste Art und Weise: sie stehen auf ihren Feldern und sehen, dass sie keine Landwirtschaft mehr betreiben können, weil ständig extreme klimatische Ereignisse geschehen. Landwirtschaft ist davon abhängig, eine Versicherung zu besitzen, weil es z. B. passieren kann, dass ein großer Sturm die Ernte zerstört. Die brasilianische Regierung vergibt eine Versicherung jedoch nur dann, wenn man den Kaufbeleg seines modifizierten Saatgutes vorweist. Die Sache ist also die, dass man das eigentliche Problem kaufen muss: die GMOs. Es ist interessant zu wissen, dass die meisten dieser Entwicklungen durch staatliche Politik vorangetrieben werden. Natürlich haben die Unternehmen einen gewissen Einfluss, aber die Regierungen werden nicht gezwungen, so zu handeln. Sie glauben selbst daran. Die ganze Kritik am Neoliberalismus fokussierte immer auf die Unternehmen, aber nun, da wir uns in einer post-neoliberalen Phase befinden – fall es sie überhaut gibt –, ist der Staat stärker denn je. Und er greift auf sein Gewaltmonopol zurück.

Wie leisten die Menschen, die davon physisch betroffen sind, Widerstand?

Es gibt viele Kämpfe und viel Widerstand. Die Bewegung der ländlichen Bevölkerung war federführend darin, das Agrartreibstoff-Projekt anzuprangern. Es gab viele Protestmärsche, sie besetzten Fabriksgelände, blockierten Straßen etc. Vor kurzem, am 11. Juni, gab es einen nationalen Mobilisierungstag, an dem die Bewegungen, die Teil von Via Campesina Brasilien sind, teilnahmen – darunter die Landlosenbewegungen und andere –, aber auch städtische Bewegungen. Sie organisierten sich, besetzten Ländereien, die gepachtet wurden, um neue Plantagen aufzubauen, und Areale vor wichtigen Ethanol-Fabriken, sie zerstörten ein Versuchslabor für GMO-Zuckerrohr, sie besetzen die Gebäude und Lagerhallen großer Agrarunternehmen und verteilten die Lebensmittel unter der umliegenden Bevölkerung. Dies wurde von den internationalen Medien stark beachtet und war in allen Zeitungen, weil es zeitgleich in allen elf Provinzen stattfand und eine Welle der Repression seitens des Militärs und der Polizei hervorrief. Aber Fakt ist, dass sie sehr erfolgreich waren, indem sie zeigen konnten, „wir sind hier“, „wir werden stärker“, „wir werden dies nicht mehr hinnehmen“. Es gibt direkte Aktion und direkte Konfrontation, die ganz anders ist als das was ihr in Europa macht, weil man hierbei wirklich sein Leben riskiert.

Aber es gibt auch alternative Ideen, das Konzept der Energiesouveränität. Letztes Jahr hatten wir die erste landesweite Konferenz zu Agrarenergie, die über 500 Delegierte von sozialen Bewegungen, Umwelt-NGOs, Gewerkschaften, Kirchen und Universitäten zusammenbrachte und aus der eine gemeinsame Deklaration zu Agrarenergie hervorging. In dieser heißt es, dass wir in keiner Weise die Export-orientierte Agrartreibstoff-Politik unserer Regierung unterstützen. Konkret fordern wir die Suche nach alternativen Energiequellen. Menschen benötigen Energie, sie waren immer abhängig von Agrarenergie. Was die Bewegung tut – und wir unterstützen das – ist eine kleinräumliche Produktion von Agrartreibstoffen für den lokalen Gebrauch aufzubauen. Das könnte auf ein Abkommen zwischen den StadtbewohnerInnen und der ländlichen Bevölkerung hinauslaufen, wonach letztere Lebensmittel und Treibstoff produzieren, die lokal vertrieben werden. Das trägt dem Umstand Rechnung, dass gegenwärtig allein schon für den Transport der Agrartreibstoffe selbst Treibstoff verbraucht wird. Durch die Nutzung von Agrartreibstoffen auf lokaler Ebene würde sich die Abhängigkeit vom Öl reduzieren. Das muss mit einer umfassenderen Veränderung Gesellschaft einhergehen, die z. B. öffentlichen Verkehrsmitteln den Vorzug geben würde. Zusammen mit anderen Organisationen haben wir eine Broschüre zu Energiesouveränität herausgegeben, konkret geht es um die Erfahrungen autonomer Energieproduktion in der Region von Brazil. Dort gibt es viele kleine Städte, die ihre Lebensmittel lokal produzieren. Der erste Punkt wäre, dass man so positiven Einfluss auf die Umwelt nimmt und eine Nachfrage nach Arbeitskräften schafft. Wenn dies auf lokaler Ebene stattfindet, kann man sich mit allem, was schief läuft, lokal befassen. Weil die Menschen es aus erster Hand wissen.

Der Kampf findet also auf zwei Ebenen statt: direkten Widerstand leisten, wachrütteln und die Menschen konfrontieren und gleichzeitig neue Ideen und alternative Modelle der Energieversorgung und Lebensmittelproduktion entwerfen. Ich glaube, die ländliche Bevölkerung ist eine wirkliche Avantgarde. Es gibt ein internationales Positionspapier von Via Campesina, das heißt „Kleinbauern stoppen die Erderwärmung“. So wird zum Ausdruck gebracht, dass die gegenwärtige landwirtschaftliche Produktionsweise die Hauptursache für die Erderwärmung ist. Dies umfasst nicht nur die Produktion, sondern auch den Verkauf und den ganzen Prozess der Distribution. Und die Bauern schaffen zwar nicht die endgültige Lösung, aber das ist doch ein wichtiger Schritt in Richtung einer Alternative. Der dominanten Ansicht nach ist der/die KonsumentIn, der/die ein Hybridauto oder Energiesparlampen kaufen kann, das entscheidende politische Subjekt und der/die TrägerIn des Wandels. Demgegenüber sagen wir, dass es die Bevölkerungsmehrheit in den ländlichen Gebieten des globalen Südens ist, die genau jetzt etwas ändern kann, wenn sie ihre Landwirtschaft ändert, ihre Wälder aufforstet, Gemischtanbau betreibt, auf agrarökologischer Basis wirtschaftet, die durch die Agrarindustrie zerstörten Agrarsysteme wieder herstellt und ohne schwere Maschinen und Importprodukte arbeitet. Natürlich würde dies zunächst eine umfassende Landreform und die Schaffung vieler Arbeitsplätze erfordern.

In einem nächsten Schritt müssten wir die Notwendigkeitbetonen, dass die Menschen wieder in die ländlichen Gebiete zurückkehren. Der Trend der Urbanisierung ist nicht nachhaltig. Die Idee, völlig zusammengepfercht in urbanem Raum zu leben ist lediglich 200 Jahre alt. Es war eine Fantasie, die mit dem Ende des Öls zusammenbricht. Die Menschen werden gezwungen sein, aufs Land zurückzugehen, in kleinere Städte, zu einer humaneren Größenordnung, weil die Nahrung aus der näheren Umgebung wird kommenmüssen, weil dies die einzige Möglichkeit sein wird, wie wir uns das leisten können, weil die Energieversorgung von lokalen Quellen abhängig sein wird. Dies im Gegensatz zu Erdöl, dessen entscheidendes Merkmal es ist, als flüssiger Treibstoff überall hintransportiert und überall gelagert werden zu können. Doch z. B. ohne die Fortsetzung des Irak-Krieges oder die ganzen Distributionsketten ist das Auto einfach nur ein Gerippe. Es bewegt sich nicht, es ist kein selbstständiges Ding. Es ist eine Maschine, die lediglich hier liegt, so lange, bis man die nötige Energie hat. Daher muss man die Auto-fixierte Kultur und ihre Verbindung mit Mobilität und Freiheit – „Autokultur als Kultur der Freiheit“ – de-mystifizieren. Das war nur ein Traum, der zum Alptraum geworden ist und bald ein Ende haben wird!

Natürlich ist unsere Lage hier in Europa nicht mit der in Brasilien zu vergleichen. Welchen Beitrag können soziale Bewegungen, zivilgesellschaftliche Akteure, AktivistInnen etc. aus dem globalen Norden dennoch zugunsten dieser Kämpfe in Brasilien und im globalen Süden allgemein leisten?

Ich denke an zwei Dinge. Erstens: Die EU hat sich das Ziel gesetzt, Agrartreibstoffe zu importieren und insofern dieses Ziel politisch gesetzt wurde, kann es politisch abgeschafft werden. Zu allererst: Akzeptiert es nicht! Weil ich letzte Woche in Irland war: Sagt einfach Nein! Lasst die EU nicht eine Supermacht werden. Dies ist nur ein kleinerer Punkt, der jedoch nahe bei dem ist, was in meinen Augen die viel versprechendste Bewegung in Europa ist. Obwohl es keine europaweite Bewegung gegen die EU gibt, existiert die Frage des Klimawandels als Moment der Mobilisierung. Ich habe gehört, dass es Klima-Camps geben soll, und das ist, finde ich, sehr interessant. Wir würden nicht von euch erwarten, euch mit der Bewegung der BäuerInnen zu erheben, weil ihr diese Form der Umwelt nicht mehr habt. Ihr habt die Wälder komplett zerstört, ihr habt Plantagen und euer Lebensstil bedeutet die Wiederholung dessen im Rest der Welt. Aber wenn man den extremen Klimawandel und die Verantwortlichkeit Europas – als weltweites Modell – zum Ausgangspunkt nimmt, besteht die Möglichkeit, eine starke Allianz zu bilden, um das Thema Klimawandel ernsthaft anzugehen. Nachdem in Dänemark im Dezember 2009 die nächste Conference of the Parties der UN Convention on Climate Change stattfindet, habt ihr einen Zeitraum von eineinhalb Jahren, um das Thema Klimawandel richtig zu politisieren und den Fokus auf KonsumentInnen wirklich in Frage zu stellen. Denn der/die KonsumentIn kann nicht die Lösung sein. Was wir zu allererst brauchen ist keine individuelle Unterstützung, sondern eine soziale Bewegung in Europa. Alles andere führt nirgendwohin. Weil freundliche Menschen, die ihre Autos mögen, gibt es mehr als genug. Was wir brauchen ist eine kollektive Antwort, organisiert und strukturiert. Wir verlangen keine neue Partei, sondern eine soziale Bewegung, die die Menschen auf die Straße bringt und der EU klar macht, dass es so nicht geht.

Danke für das Interview!

Anmerkungen

1 Weltweit agierender Saatgutkonzern
2 Krebserregendes Pestizid
3 Bezeichnet das Recht, die Landwirtschafts- und Ernährungspolitik selbst zu definieren. Der Begriff wurde 1996 anlässlich der Welternährungskonferenz von der KleinbäuerInnen- und LandarbeiterInnenbewegung Via Campesina geprägt.

Transkription und Übersetzung: Katharina Hajek und Felix Wiegand





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