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Catastrofuck!
von Werner Sturmberger

Rezension: In the Loop, Spielfilm, GB, USA, 109 Minuten, Regie: Armando Iannucci, Kamera: Jamie Carney.

Alastair Campbell findet den Film nicht besonders lustig. Am ehesten noch dann, wenn er weniger direkt die Politik der Regierung des United Kingdom aufs Korn nimmt und sich stattdessen mehr auf das Absurde des Zwischenmenschlichen bezieht. Alastair Campbell findet, dass dieser Film jungen Menschen Politik madig machen und ihnen so jegliches Interesse daran vergällen könnte – und setzt so stillschweigend Parteipolitik mit jeglicher Form von Politik gleich. Alastair Campbell ist auch nicht besonders davon überzeugt, dass in diesem Film die Geschehnisse rund um das Kabinett Tony Blairs, die schlussendlich zum Irak-Krieg führten, besonders treffend oder auch nur ansatzweise realistisch wiedergegeben wurden.
Das alles ist nur wenig verwunderlich, schließlich war Alistair Campbell eine zentrale Figur von New Labour in der Ära Blair gewesen – zuerst als dessen Wahlkampfmanager, dann als Pressesprecher und quasi inoffizieller Vizekanzler. Als solcher war er auch in eines der größeren Politikdesaster der letzten Jahre verwickelt, spielte er doch eine zentrale Rolle bei der Verfassung des September Dossier der britischen Regierung über Iraks Potential zur Herstellung und zum Einsatz von Massenvernichtungswaffen – Campbell ließ den Bericht auf Linie mit den USA trimmen und Zweifel an der Existenz dieser Waffen aus dem Bericht verschwinden. Das Dossier war so einerseits einer der Ecksteine der argumentativen Aufbereitung des bevorstehenden Irakkrieges und führte andererseits zu einem der größten Polit-Skandale der britischen Nachkriegsgeschichte: David Kelly war Experte für Biowaffen, der Informationen über die Veränderungen des Berichts geliefert hatte und schlussendlich aufgrund massiven Drucks durch die Blair-Regierung als BBC-Informant genannt wurde. Zwei Tage nachdem er vor dem britischen Parlament dazu vernommen worden war, wurde er mit offenen Pulsadern in einem Waldstück aufgefunden.
Armando Ianuccis Satire In the Loop endet jedoch mit der Veränderung des Berichts und dessen Präsentation bei einer UN-Konferenz, auf der weitere Maßnahmen gegen einen ungenannten Staat im Nahen Osten beschlossen werden sollen. Das Setting für diesen Film übernimmt Ianucci, umtriebiger Satiriker und Drehbuchautor in der britischen Medienlandschaft, weitgehend von der BBC-Satire-Serie The Thick of it, die um einen unfähigen Kabinettsminister sowie einen zynischen Pressesprecher und Sekretär des Ministerpräsidenten kreist. In the Loop als Spin-Off von The Thick of it greift diese Konstellation auf: Malcolm Tucker, ein Berserker von einem Pressesprecher, der in seinen furiosen Fluchorgien selbst einen Fuhrknecht beschämen könnte (Alastair Campbell stand für ihn Modell) muss sich ständig mit den verbalen Fauxpas des „Minister of International Development“, Simon Foster herumschlagen.
So beginnt das Chaos denn auch, als Foster zum Abschluss eines Interviews auf die Frage, ob denn ein Krieg im Nahen Osten bevorstehen würde, diesen mehr versehent- als willentlich als „unforeseeable“ deklariert. Beim Versuch, sich von diesem Statement wieder zu distanzieren und seine absolute Meinungslosigkeit zu diesem Thema zum Ausdruck zu bringen, entschlüpft Foster dieses sprachliche Kleinod: „Look, all sorts of things that actually are very likely, are also unforseeable. For the plane in the fog, the mountain is unforeseeable, but it is then suddenly very real and inevitable. The mountain in the metaphor is a completely hypothetical mountain that could represent anything. […] To walk the road of peace, sometimes we need to be ready to climb the mountain of conflict.”
Aufgrund seiner flexiblen Meinung wird er nun zum Spielball zweier amerikanischer Regierungsbeamten: Linton Barwick, US Assistant Secretary for Policy, der den Krieg vorbereitet und Karen Clarke, US Assistant Secretary for Diplomacy, die diesen verhindern will. Zum Verhängnis wird ihm allerdings nicht nur seine Inkompetenz, die Parteilinie in Interviews wiederzugeben, sondern auch die losen Steine seiner Gartenmauer, die immer weiter Richtung Nachbarsgarten abrutscht und in den Medien allmählich zum Gesprächsthema Nummer eins avanciert. Und fehlt einmal der erste Stein in der Mauer ist der Durchbruch – oder in diesem Fall das Desaster – nahe, sodass sogar noch der eigene Rücktritt zur Katastrophe gerät.
In the loop ist eine unheimlich rasante Satire voller großartiger Einzeiler und inventive swearing („Catastrofuck!“). Für Tempo sorgen dabei einerseits die staccatoartigen Dialoge und zahlreichen Settings, wie auch die sehr umtriebige Kameraführung, die das Agieren der ProtagonistInnen weniger glamourös, sondern eher dokumentarisch portraitiert. Was vielleicht so besonders gefällt an In the Loop ist die Diskrepanz in der Sprachverwendung der MeinungsprofessionalistInnen in dieser Satire: einerseits derb und schmutzig, aber auch eindeutig, wenn inoffiziell, dagegen weichgespült, inhaltsleer und manipulativ nach außen. Iannuccis Satire funktioniert sogar so gut, dass man sich manchmal wünscht, sie wäre etwas weiter von der ihr zugrunde liegenden Realität entfernt, um befreiter lachen zu können. Denn jede gute Satire ist immer auch schmerzhaft, wenn sie den Aberwitz der Realität im Spiegel des Humors zeigt, so auch In the Loop.





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