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von Michael Doblmair

Rezension: Markus Marterbauer: Wem gehört der Wohlstand? Perspektiven einer neuen österreichischen Wirtschaftspolitik. Wien: Zsolnay 2007.
In Zeiten der scheinbaren Alternativlosigkeit neoliberaler Politikkonzepte kommt ein Buch über die Frage „Wem gehört der Wohlstand?“ gerade recht. Markus Marterbauer, Wirtschaftsforscher am Wiener WIFO, verschafft hiermit dem fast vergessenen linken Flügel innerhalb der Sozialdemokratie und der Gewerkschaften Gehör und zeigt (keynesianistische) Alternativen zur momentan herrschenden Politik in Österreich auf.

Als zentrales Problem sieht Marterbauer das Zurückbleiben der heimischen Nachfrage hinter den in den letzten Jahren getätigten Investitionen und den erzielten Gewinnen. Wirtschaftswachstum bedeute immer auch ein Wachstum an Arbeitsplätzen. „Es gibt kein ,Jobless Growth’“, postuliert er. Im Schnitt rechnet Marterbauer, dass bei einem Wirtschaftswachstum von über zwei Prozent die Arbeitslosigkeit zu sinken beginnt. Doch das starke Wachstum des Exports in Österreich bewirkt dies nicht. Die hohen Gewinne der Unternehmen der letzten Jahre wurden nicht an die ArbeiterInnen in Form von höheren Löhnen, welche die Kaufkraft stärken würden, weitergegeben, und zusätzliche Investitionen wurden nicht in ausreichendem Maß getätigt.

Der Argumentation liegt ein linkskeynesianistisches Theorem zugrunde. UnternehmerInnen, Marterbauer spricht vom oberen Einkommensdrittel, erhöhen mit ihrem zusätzlichen Einkommen weniger die Nachfrage, weil sie ihre Bedürfnisse schon gedeckt wissen und oft keinen Sinn darin sehen sich einen zweiten oder dritten Wochenendjet zu leisten. Das führt dazu, dass sie ihr zusätzliches Einkommen vermehrt sparen oder in Aktien und anderen Wertpapieren anlegen. Dies führt zu einem Anstieg des spekulativen, nicht produktiven Finanzkapitals. ArbeiterInnen, oder hier das untere Einkommensdrittel, hingegen würden dadurch, dass sie mit ihrem niedrigen Einkommen kaum oder gerade mal das Auslangen finden, ein höheres Einkommen zur individuellen Bedürfnisbefriedigung vermehrt auf den Markt tragen. Die erhöhte Nachfrage schafft ihrerseits Bedarf an mehr Produktion, somit mehr Arbeitsplätze.

Marterbauer zieht die logische Konsequenz und fordert staatliche Eingriffe zugunsten der unteren Einkommen (die Netto-Realeinkommen je unselbstständig Beschäftigtem/r sind die letzten 10 Jahre stagniert, während das gesamte Einkommen der Volkswirtschaft um 25% gewachsen ist). Beschäftigungspolitik und Budgetpolitik seien hier geeignete Instrumente. Für erstere fordert Marterbauer eine Arbeitszeitverkürzung auf eine 35 Stundenwoche bei kostenneutralem Lohnausgleich (der Lohnausgleich erfolgt im Ausmaß der Produktivitätssteigerung), eine Reduktion geleisteter Überstunden, mehr Möglichkeiten für Karenz (Kinder und Bildung) und den Einsatz der Gewerkschaft für absolute Lohnerhöhungen, um die faktisch niedrigeren Einkommen von Frauen relativ stärker zu erhöhen.

In der Budgetpolitik teilt er gleich zu Beginn Budgetdefizite in „gute“ und „schlechte“. Schlechte seien solche, die Unternehmen bei einigermaßen ausreichendem Wirtschaftswachstum begünstigen, während gute jene seien, die die Umverteilung von oben nach unten vorantreiben. In diesem Sinn schlägt Marterbauer die Wiedereinführung der Vermögenssteuer, die Erhöhung (statt der aktuell geschehenen Abschaffung) der Erbschaftssteuer und die gezielte Besteuerung von Stiftungen, die nicht dem Allgemeinwohl dienen, vor. Staatliche Investitionen in Bildung (ohne Zugangsbeschränkungen), Gesundheit und Mobilität sollen die Produktivität zusätzlich erhöhen.

Marterbauer kritisiert zu Recht die falsche Politik der letzten sechs Jahre, die das genaue Gegenteil dessen war, was er als Lösungsvorschläge für eine gerechtere Welt vorstellt. Sein Buch ist ein willkommener Anlass, die wichtige Frage der Umverteilung von oben nach unten neu zu diskutieren. Doch auch wenn er sich bewusst ist, dass einer aktiven Umverteilungspolitik „starker Widerstand gewiss“ (120) ist, überschätzt er letztlich doch die Möglichkeiten des kapitalistischen Staates, angesichts langfristiger ökonomischer Stagnation im Weltmaßstab Krisen nachhaltig zu verhindern. Dass die Hoffnungen, die davon genährt werden, auf theoretischen Fehlschlüssen aufsetzen, kann im Artikel zu „Kreisky und Keynes“ im vorliegenden Heft (12-17) nachgelesen werden.





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