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Hinter dem Faschismus steht…?
von Hanna Lichtenberger, Veronika Duma und Tobias Boos

Marxistischer Faschismusanalyse wird häufig eine ökonomistische und funktionalistische
Perspektive vorgeworfen. Hanna Lichtenberger, Veronika Duma und Tobias Boos zeigen, dass sich jedoch bereits in den Anfängen der Faschismustheorien brauchbare Ansätze finden, die, verbunden mit neueren Erkenntnissen, dabei helfen können, den Faschismus als autoritäre Krisenbearbeitungsstrategie besser zu verstehen.

Der Aufstieg und die Machtergreifung faschistischer Bewegungen und Parteien im Europa der 1920er und -30er Jahre stellt das historische Beispiel rechter und autoritärer Krisenbearbeitung dar. Die aktuellen Umtriebe (neo-)faschistischer Parteien in Europa erinnern daran, dass es sich keineswegs dabei um ein längst überwundenes Phänomen der Vergangenheit handelt. Stimmen für eine faschistische Ordnung der Gesellschaft sind auch aktuell immer wieder zu vernehmen und stoßen weiterhin durchaus auf Zustimmung. Während in gegenwärtigen, bürgerlichen Debatten mit Bezug auf die ökonomische Krise häufig Parallelen zu jener Periode und insbesondere zur Weltwirtschaftskrise von 1929/30 gezogen werden, wird über die damaligen politischen Entwicklungen jedoch kaum gesprochen.
Um eventuellen Vermutungen, in diesem Artikel werde nun in allen Farben der Teufel an die Wand gemalt, zuvorzukommen: Nein, wir behaupten nicht, dass der nächste Faschismus unmittelbar vor der Tür steht. Es geht jedoch darum, sich ein theoretisches Rüstzeug zuzulegen – nicht nur um auf die Option des Faschismus als Form möglicher, autoritärer Krisenbearbeitungsstrategie hinzuweisen. Während einerseits, wie oben angemerkt, im bürgerlichen politischen Diskurs über eine potentielle faschistische Gefahr lieber geschwiegen wird, gibt es andererseits auf der Linken eine Tendenz zur inflationären Verwendung des Faschismusbegriffs, also einen Hang zur Ausweitung des Begriffs auf ein zu breites Spektrum autoritärer und rechter Politiken. Ein differenziertes, theoretisch fundiertes Verständnis des Faschismusbegriffs und – damit untrennbar verbunden – des historischen Faschismus ist jedoch wesentlich für die Entwicklung aktueller, linker Strategien.

Theorie und Praxis von Links
Im Gegensatz zu all jenen Ansätzen, die Faschismus mit einer Liste von (ideal-)typischen Merkmalen zu fassen versuchen und folglich zwangsweise von einem statischen, nicht erklärenden, sondern bloß beschreibenden Modell ausgehen1, fassen wir faschistische Bewegungen als aktive Kraft in der Gesellschaft, als spezifische Form einer reaktionären Massenbewegung auf. Dieser Zugang ist keinesfalls neu. Er knüpft an Debatten an, die so alt sind, wie der Faschismus selbst. Geführt wurden sie von all jenen ArbeiterInnen, GewerkschafterInnen und AntifaschistInnen, KommunistInnen oder SozialdemokratInnen, die sich in Opposition zu den anwachsenden faschistischen Bewegungen jener Zeit befanden.2 Ihre unterschiedlichen Wege, den Faschismus zu analysieren, sind folglich immer vor dem Hintergrund der damals verfolgten politischen Strategien zur Verhinderung oder Überwindung des Faschismus zu verstehen.
Um unseren Zugang einzubetten, sollen zuerst die Debatten dieser linken Kräfte in den 1920er, 1930er und 1940er Jahren skizziert werden. Die Diskussionen beziehen sich auf jene Länder, in denen faschistische Bewegungen zuerst entstanden und auch (im Gegensatz zu anderen Ländern) an die Macht gelangten, also v.a. auf Italien und Deutschland. Bei allen Parallelen und gemeinsamen Elementen zwischen den Entwicklungen in den beiden Ländern, stellt der Nationalsozialismus jedoch einen Sonderfall des Faschismus dar.3 Da der Holocaust nicht mit den Auswirkungen des italienischen Faschismus vergleichbar ist, werden wir dem deutschen Faschismus in diesem Artikel auch zum Schluss etwas mehr Platz einräumen.

„Ultralinke“ vs. „Rechte“ Ansätze
Seit dem Aufkommen der faschistischen Bewegungen nach dem Ersten Weltkrieg gab es verschiedene, sich auf Marx berufende Theorien, die sich mit dem Phänomen des Faschismus auseinandersetzten. Die Debatten zur Einschätzung der faschistischen Bewegung wurden vor allem entlang der (offiziellen) Positionen der Sozialdemokratischen und Kommunistischen Parteien der einzelnen Ländern sowie der jeweiligen Internationalen geführt. Der britische Historiker Dave Renton fasst die unterschiedlichen Ansätze innerhalb der Linken in drei Strängen zusammen. Er unterscheidet einen „ultralinken“, einen „rechten“ und einen „dialektischen“ Interpretationszugang.
Bei den „ultralinken“ Ansätzen stand v.a. die Frage nach dem Zweck und der Funktion des Faschismus im Vordergrund. Diese wurde aber oftmals verkürzt beantwortet. Der Faschismus wurde bloß als eine Konterrevolution unter vielen verstanden, als ein Instrument in den Händen der herrschenden kapitalistischen Klassen, mit dem Ziel, die ArbeiterInnenschaft zu zerschlagen.4 Diese Position wurde etwa von den italienischen und deutschen KPs in den 1920er und frühen 1930er Jahren vertreten5 und setzte sich mit der Durchsetzung der stalinistischen Konterrevolution seit Ende der 1920er Jahre auch in der Kommunistischen Internationalen (KI)6 durch.7 Ein Ausdruck „ultralinker“ Ansätze war die so genannte Sozialfaschismusthese, nach der die Sozialdemokratie den linken Flügel des Faschismus darstellt. Eine Folge dieser Position war die strikte Ablehnung der Zusammenarbeit mit (der Führungsriege) der Sozialdemokratie, da diese, genauso wie der Faschismus, als ein „Kampfesmittel der großkapitalistischen Diktatur“ bezeichnet wurde.8
Die von Renton als „rechte“ Erklärungen des Faschismus bezeichneten Ansätze hingegen ignorierten den Aufstieg und die Funktion des Faschismus. Sie fokussierten stattdessen auf den Massencharakter und die Ideologie der faschistischen Bewegungen.9 Dabei wurde der Faschismus als eine vom KleinbürgerInnentum dominierte Massenbewegung, die völlig unabhängig von kapitalistischen Kräften agierte, verstanden.10 All jene, die diese Interpretation teilten, charakterisierten den Faschismus als exotisches, teils sogar pathologisches Phänomen, als Bedrohung für die kapitalistische Gesellschaftsordnung. Dementsprechend wurde ein funktionierender, reformierter Kapitalismus als Bollwerk gegen den Faschismus begriffen. Diese Position wurde zumeist in den SPs sowie in der KI nach deren strategischer Wende um 1934/35 vertreten.11
Beide Ansätze unterschätzten auf Grund ihrer Analyse die faschistische Gefahr und bereiteten zudem die Grundlagedafür, dass sich die Zusammenarbeit der SPs und KPs äußerst schwierig bis unmöglich gestaltete.12

„Dialektische“ Ansätze
Der dritte, „dialektisch“ genannte Zugang kombinierte die Erkenntnisse der anderen beiden Ansätze. Indem er deren Unterschiede auf Widersprüche innerhalb der faschistischen
Bewegung bzw. des Faschismus an der Macht zurückführte, lieferte er die Basis für ein komplexeres und vielschichtigeres Verständnis des Faschismus.13 Vor der stalinistischen Konterrevolution in der Sowjetunion fanden auf Kongressen der KI in den Jahren 1922 und 1923 Diskussionen darüber statt, dass der Faschismus als eine anti-proletarische Bewegung mit Verbindungen zu kapitalistischen Kräften und zugleich als eine Massenbewegung mit eigener Logik gesehen werden sollte.14 Das Spannungsverhältnis zwischen der prokapitalistischen sozialen Funktion – als „Rasierklinge der herrschenden Klasse“ – und der kleinbürgerlich dominierten sozialen Basis des Faschismus stand im Zentrum der Diskussionen.15 Ein Ausgangspunkt für diesen Ansatz bildete der Sieg Mussolinis in Italien und die Einsicht, dass andere Strategien zur Bekämpfung des Faschismus nötig gewesen wären. Aber nicht nur innerhalb der KI, auch in den linken Flügeln der SPs wurde, v.a. in den 1930er Jahren, teilweise auf Basis des „dialektischen“ Zugangs argumentiert.
Ein bekanntes Beispiel für die Verbindung der „linken“ und „rechten“ Argumentationslinien ist die Rede Clara Zetkins, einer revolutionären Feministin innerhalb der SP, vor dem Exekutivkomitee der KI im Jahre 192316: „Linke“ und „rechte“ Ansätze kritisierend, bezeichnet sie den Faschismus als eine Massenbewegung mit sozialen Wurzeln, hebt aber ebenso dessen Verbindungen zu kapitalistischen Kräften und infolgedessen den Terror gegen die organisierte ArbeiterInnenklasse hervor: „[D]er Träger des Faschismus ist nicht eine kleine Kaste, sondern es sind breite soziale Schichten, die selbst bis in das Proletariat hineinreichen. […] Wir werden ihn nicht auf militärischem Wege allein überwinden […], wir müssen ihn auch politisch und ideologisch niederringen“. 17 „[…] Zwei Wesenszüge sind [dem Faschismus] in allen Ländern einig: ein scheinrevolutionäres Programm, das außerordentlich geschickt an die Stimmungen, Interessen und Forderungen breitester sozialer Massen anknüpft, dazu die Anwendung des brutalsten, gewalttätigsten Terrors.“18 Zetkin betont den sozioökonomischen Kontext, der das Wachstum faschistischer Kräfte ermöglichte: die Krise der kapitalistischen Wirtschaft, die Auswirkungen des Krieges und der „Stillstand der Weltrevolution“.19
Auch die Argumentation von Leo Trotzki ist ein Beispiel für ein „dialektisches“ Verständnis des Faschismus. Wie Zetkin hebt er die Konflikthaftigkeit und Widersprüchlichkeit innerhalb der faschistischen Bewegung hervor und beschreibt die gesellschaftlichen Rahmenbedingungen der Entwicklungen. Trotzki betont die Verbindung zwischen Faschismus und Kapital, während er die faschistische Bewegung als Bewegung von KleinbürgerInnen und der neuen Mittelklasse beschreibt: „In der durch Krieg, Niederlage, Reparationen, Inflation, Ruhrbesetzung, Krise, Not und Erbitterung überhitzten Atmosphäre erhob sich das Kleinbürgertum gegen alle Parteien, die es betrogen hatten. Die schwere Frustration der Kleineigentümer, die aus dem Bankrott nicht herauskamen, ihre studierten Söhne ohne Stellung und Klienten, ihre Töchter ohne Aussteuer und Freier, verlangten nach Ordnung und nach einer eisernen Hand“.20 Und weiter: „Der deutsche wie der italienische Faschismus stiegen zur Macht über den Rücken des Kleinbürgertums, das sie zu einem Rammbock gegen die Arbeiterklasse und die Einrichtungen der Demokratie zusammenpressten. Aber der Faschismus, einmal an der Macht, ist alles andere als eine Regierung des Kleinbürgertums“.21
Insgesamt hilft uns dieser „dialektische“ Ansatz also dabei, die internen Widersprüche zwischen den Ansprüchen und Erwartungen der Massenbasis und den reaktionären Zielen der Bewegung in den Blick zu bekommen. Darüber hinaus können, daran anschließend, die Dominanz spezifischer Klassenfraktionen im Faschismus an der Macht gekennzeichnet und die Dynamiken der verschiedenen Phasen des Faschismus analysiert werden.22 Eine differenzierte, marxistische Analyse sollte daher bei den „dialektischen“ Zugängen ansetzen und Elemente der „rechten“ und „linken“ Ansätze zusammenführen sowie erweitern.
In diesem Artikel werden wir deshalb für die Analyse des Faschismus auf folgende Fragen näher eingehen: (1) Was waren die Konstitutionsbedingungen für den Aufstieg des Faschismus? (2) Wie setzte sich die soziale Basis der faschistischen Bewegungen und Parteien zusammen? (3) Worin bestand die soziale Funktion des Faschismus? (4) Welche Dynamiken und Widersprüchlichkeiten waren in den verschiedenen zeitlichen Etappen bei der Entwicklung des Faschismus (Faschismus als Bewegung, Faschismus an der Macht) wesentlich, und (5) welche Klassenfraktionen waren wann im Faschismus an der Macht relevant? Die hier aufgezählten Fragen werden am besten nicht durch eine abstrakte, theoretische Abhandlung beantwortet, sondern durch eine – wenn auch sehr überblicksmäßige – Nachzeichnung der verschiedenen Entwicklungsphasen, hier exemplarisch am Beispiel von Italien und Deutschland.

Der Aufstieg des Faschismus
Die Gesellschaften in Deutschland und Italien waren wesentlich von den Erfahrungen der Jahre 1914–1918 geprägt. Eine entscheidende Rolle für die Ausbildung der faschistischen Ideologie und der späteren Organisationen faschistischer Milizen spielten daher die nach dem ersten Weltkrieg zurückgekehrten Offiziere. Nationalismus, die im Krieg verinnerlichten Vorstellungen von Disziplin und hierarchischer Befehlsordnung sowie heroische und martialische Lebensvorstellungen mischten sich mit dem Hass auf die (ökonomischen) „GewinnerInnen“ des Krieges. Die Kriegsrückkehrer fühlten sich von der bürgerlichen Gesellschaft verraten und verstoßen. Darüber hinaus legte der Friedensvertrag von Versailles den Abbau eines Großteils der Berufsarmee fest, der besonders die Offiziere betraf.
Otto Bauer, Führer der österreichischen Sozialdemokratie jener Zeit, schilderte, wie diese Ansichten in einer Art von rechtem „Antikapitalismus“ gebündelt wurden. Dieser richtete sich einerseits gegen die Großbourgeoisie und – so die antisemitische Bezeichnung – das „raffende“ Kapital, andererseits gegen das (organisierte) Proletariat. Vor allem in Deutschland paarte sich diese Haltung noch mit dem Gefühl der Niederlage, die genährt wurde durch die “Dolchstoßlegende“. So wurden äußere Feinde beschworen, zu deren Abwehr es der nationalen Einheit bedürfe.23 Sowohl in Italien als auch in Deutschland, wo nach dem Ersten Weltkrieg in einigen Städten Fabriken von bewaffneten ArbeiterInnen besetzt oder Räterepubliken ausgerufen wurden, erwiesen sich diese Kräfte als Basis einer anti-proletarischen Reaktion.24
In Italien wuchs die faschistische Bewegung sehr schnell. Aus verschiedenen (zum Teil auch konkurrierenden) Gruppierungen bestehend, die sowohl am Land als auch in den Städten systematische und oft tödliche Angriffe gegen ArbeiterInnen und deren Infrastruktur durchführten, vereinigten sich die FaschistInnen25 im November 1921 zum Partito Nazionale Fascista (PNF). Nach dem so genannten „Marsch auf Rom“, bei dem tausende FaschistInnen auf die Hauptstadt zusteuerten, beauftragte der italienische König den faschistischen Führer Mussolini schließlich mit der Bildung einer neuen Regierung. Mussolini versprach eine starke Regierung, ein Ende der vermeintlichen „Gesetzlosigkeit“ sowie die „Wiederherstellung des italienischen Nationalstolzes“.26
Auch in Deutschland erwuchs die faschistische Bewegung aus dem Milieu nationalistischer und antisozialistischer Offiziere und Soldaten die sich in sogenannten Freikorps organisierten. Die Straßen-Schlägertrupps fanden sich in der bald gegründeten SA wieder, die NSDAP zog währenddessen in die Parlamente ein. Erst zehn Jahre später als in Italien, wurde Hitler – nachdem die bürgerlichen Parteien es nicht schafften, eine stabile Regierung zu bilden und nachdem mehrere Gespräche mit Präsident Hindenburg, führenden Generälen und UnternehmerInnen stattfanden – im Jänner 1933 zum Reichskanzler ernannt.27

Zur sozialen Zusammensetzung
Während in beiden Ländern Offiziere und Soldaten für die Entstehung faschistischer Bewegungen eine entscheidende Rolle spielten, trugen Personen aus den verschiedensten sozialen Zusammenhängen28 zur Ausbreitung dieser Massenbewegungen bei. Die soziale Basis des Faschismus war demnach „nicht eine kleine Kaste, sondern [...] breite soziale Schichten, große Massen, die selbst bis in das Proletariat hineinreichen.“29 Diese Einschätzung Zetkins aus dem Jahre 1923 nimmt bereits vieles von dem vorweg, was später oftmals im Rahmen der so genannten Mittelstandsthese30 diskutiert wurde. Wichtig scheint in diesem Zusammenhang jedoch, dass sich die soziale Zusammensetzung im Laufe der Zeit veränderte und sich der aktivistische Kern der Partei von deren WählerInnen sozial durchaus unterschied.
Blickt man etwa auf die Aufstiegsphase des Nationalsozialismus, so lässt sich in Bezug auf die Mitgliederzahlen der NSDAP eine Dominanz des „Mittelstandes“ bzw. des KleinbürgerInnentums, also von HandwerkerInnen, Kaufleuten, KleinunternehmerInnen, Angestellten und BeamtInnen, feststellen. Das betrifft v.a. den aktivistischen Kern der Organisation, der die lokalen Strukturen der SA bildete und ausbaute. Wie Zetkin anmerkt, schlossen sich auch ArbeiterInnen den faschistischen Bewegungen an, waren jedoch im Verhältnis zur Gesamtbevölkerung in der NSDAP deutlich unterrepräsentiert.31 In der Endphase der Weimarer Republik und v.a. nach der Machtübernahme traten vermehrt AkademikerInnen und Mitglieder der herrschenden Klasse in die Partei ein.32 Innerhalb der WählerInnenschaft der NSDAP überwog jedoch das kleinbürgerliche Element.33 Die Unterschiede hinsichtlich der Bereitschaft, sich ganz der faschistischen Idee zu verschreiben, zeigt auch die hohe Differenz zwischen den WählerInnenstimmen und den tatsächlichen Mitgliederzahlen bis 1933. „Im Gegensatz zu dem ,harten Kern‘ der NS-Aktivisten, die ihre bürgerliche Existenz weitgehend hingeworfen und sich der Hitler-Bewegung ganz verschrieben hatten, waren die Millionen Wähler, die die immer mehr mittelständische, ,bürgerliche‘ Massenbasis der NSDAP ausmachten, keineswegs so ohne weiteres gewillt, ihre elementaren Interessen aufzugeben. Ihr Engagement für die Hitler-Partei war nicht unbedingt.“34 Die zu verbuchenden Erfolge und Versprechungen zogen jedoch immer neue SympathisantInnen an. Auch in Italien kamen FaschistInnen aus unterschiedlichen Teilen der Gesellschaft. Dort war das KleinbürgerInnentum jedoch ebenso überdurchschnittlich vertreten.35 Um die Bedeutung des KleinbürgerInnentums für den Aufstieg des Faschismus besser fassen zu können, muss daher im Folgenden deren Situation nach dem Ersten Weltkrieg genauer betrachtet werden.

„Demagogischer Antikapitalismus“
Die Unruhen der letzten Jahrzehnte und der wirtschaftliche Niedergang, unter dem das KleinbürgerInnentum mehr noch als das Großkapital zu leiden hatte, bildeten die Grundlage für eine doppelte Ablehnungshaltung nach oben und nach unten. Das KleinbürgerInnentum verlor durch die steigende Inflation und die ökonomische Krise zunehmend seine Ersparnisse. Gleichzeitig musste es miterleben, wie Teile der Bourgeoisie Gewinne aus der Krise zogen oder dieser zumindest besser standhielten. „Aufgerieben zwischen der ArbeiterInnenklasse auf der einen und der KapitalistInnenklasse auf der anderen Seite, wandte sich das KleinbürgerInnentum in seiner Mehrzahl dem Faschismus zu. Der rückwärtsgewandte ,Antikapitalismus‘ der Nazis, der gegen ,das große Geld‘ und gleichzeitig gegen den ,jüdischen Bolschewismus‘ polemisierte und selektiv vorindustrielle Zustände romantisierte, kam da gerade Recht.“36
Ideologisch gesehen konvergierten die Ansichten der KleinbürgerInnen mit den Weltanschauungen der Ex-Offiziere und Soldaten. Der britische Marxist Alex Callinicos beschrieb diese Ideologie, anknüpfend an Daniel Guerin, als „demagogischen Antikapitalismus“: Die Idee einer Volksgemeinschaft, welche die Versöhnung aller Klassen Deutschlands auf „Rassenbasis“ versprach. Diese „rassistische, pseudorevolutionäre Ideologie bildete den Zement des Nationalsozialismus als Massenbasis“.37 Nicht den inneren Kampf zwischen Kapital und Arbeit gelte es demnach auszufechten, sondern sich dem „jüdischen Finanzkapital“ und der äußeren Bedrohung durch „minderwertige Rassen“ zu erwehren, wobei diese Argumente in Deutschland hervorragend an großdeutsche Phantasien der vorangegangen Jahrzehnte anknüpfen konnten. Gestützt wird diese These nicht zuletzt durch die Rhetorik Hitlers, der den Kampf „Volksdeutschland gegen Parteideutschland” heraufbeschwor oder in seinen Reden immer wieder davon sprach, dass „[a]us Parteimenschen, aus Standes- und Klassenzugehörigen [...] Deutsche werden [müssen].“38
Oft wird zu Recht argumentiert, dass der Antisemitismus in Italien eine andere Rolle spielte als in Deutschland. Tatsächlich hat Mussolini in den 20er Jahren behauptet, dass der „echte“ Faschismus durch den Antisemitismus kompromittiert werde. Die Tatsache, dass zumindest anfänglich Antisemitismus weniger „offizielles Programm“ war als in Deutschland, heißt aber nicht, dass Italien kein rassistischer Staat gewesen wäre. In Italien wurden 1938 die rassistischen Gesetze von Nazi-Deutschland übernommen, und tausende JüdInnen wurden unter dem italienischen Faschismus deportiert und ermordet.39 Außerdem spielte ein tief verankerter Rassismus bei Italiens Angriffen auf Äthiopien und Tunesien, bei denen zahlreiche Menschen durch Giftgaseinsätze ermordet wurden, eine wesentliche Rolle.40 Rassismus und Antisemitismus nahmen zwar eine unterschiedliche Stellung ein, waren aber in beiden Ländern Teil der faschistischen Ideologie. Der in beiden Ländern rhetorisch propagierte „Antikapitalismus“ entsprach auf ökonomischer Ebene keinesfalls dem tatsächlichen Programm des Faschismus. Dies zeigte sich deutlich bei dessen Machtergreifung und der damit einhergehenden inneren Kräfteverschiebung. Die an die Bedürfnisse seiner Basis angebiederten Forderungen des Faschismus erwiesen sich als leere Worthülsen. So fragt etwa Clara Zetkin mit Blick auf Italien: „Was hatte der Faschismus politisch versprochen, als er mit wild wehendem Lockenhaar wie Simon herbeistürmte?“ Weder die beteuerte Reform des Wahlrechts, die Einführung des Frauenwahlrechts, die Schaffung eines Wirtschaftsparlaments oder eine Alters- und Invalidenversicherung – um nur einige Beispiele zu nennen – wurden nach der Eroberung der Staatsmacht verwirklicht. „Es ist der krasseste Widerspruch vorhanden zwischen dem, was der Faschismus verheißen hat, und dem, was er den Massen bringt. Gleich einer Seifenblase ist in der Luft der Wirklichkeit das Gerede zerstoben, dass im faschistischen Staat das Interesse der Nation über allem steht“.41 Diese nicht erfüllten Versprechungen sowie die inneren Widersprüche des Faschismus zwischen seiner Massenbasis und den Interessen der Herrschenden lassen sich am besten mit Blick auf die spezifische Konstellation der Kräfteverhältnisse erklären. Dabei ist es wichtig, die Klassenverhältnisse sowohl auf vertikaler als auch auf horizontaler Ebene unter die Lupe zu nehmen: Der Fokus soll also sowohl auf das Verhältnis zwischen ArbeiterInnenklasse und Bourgeoisie, als auch auf die Auseinandersetzungen innerhalb der bürgerlichen Klassenfraktionen gelegt werden. Nur so können die Lage der ArbeiterInnenklasse einerseits und die folgenschweren „Zweckehen“ und Interessenskonvergenzen zwischen einzelnen Kapitalfraktionen und Faschismus andererseits erklärt werden.

Kräfteverhältnis vertikal: Gleichgewichtsthese oder Pattsituation?
Vielen Faschismustheorien ist gemeinsam, dass sie in der Schwäche der ArbeiterInnenklasse – auf Grund der vorausgegangenen Kämpfe und Niederlagen – eine zentrale Konstitutionsbedingung des Faschismus sehen. Grundlage vieler marxistischer Interpretationen des Kräfteverhältnisses zwischen ArbeiterInnenklasse und Bourgeoisie ist Karl Marx‘ Analyse der Entwicklungen der französischen Revolution und des napoleonischen Staatsstreiches am 18. Brumaire, die 1852 erstmals veröffentlicht wurde. Darin beschäftigt sich Marx nicht nur mit den Klassengegensätzen, sondern auch mit den Widersprüchen innerhalb der herrschenden Klasse, die sie in die Handlungsunfähigkeit manövrieren und schließlich zu einer Verselbstständigung der Exekutive führen. In „Bürgerkrieg in Frankreich“ beschreibt Marx das für den „Bonapartismus“ – die Herrschaft Louis Napoleons – charakteristische „Gleichgewicht“ der Klassen: „In Wirklichkeit war es die einzige mögliche Regierungsform zu einer Zeit, wo die Bourgeoisie die Fähigkeit, die Nation zu beherrschen, schon verloren und wo die Arbeiterklasse diese Fähigkeit noch nicht erworben hatte.“42
Trotzki verstand das Verhältnis der Kräfte im Faschisierungsprozess im Sinne eines Gleichgewichts der Klassen: „Setzt man eine Kugel auf die Spitze einer Pyramide, so kann ein geringer Anstoß sie nach links oder rechts hinab rollen lassen. Das ist die Lage, der sich Deutschland mit jeder Stunde nähert“.43 Und weiter schreibt er: „Die Faschisten wachsen sehr schnell. Die Kommunisten wachsen gleichfalls, aber bedeutend langsamer. Das Wachstum der äußersten Pole beweist, daß sich die Kugel auf der Pyramidenspitze nicht halten kann. Das rasche Anwachsen der Faschisten bringt die Gefahr, daß die Kugel nach rechts hinab rollen kann. Das ist eine gewaltige Gefahr.“44 Auch Otto Bauer übernahm Marx’ Analyse der Verselbstständigung der Exekutive für den Nationalsozialismus: „Die Bourgeoisie hatte nur noch die Wahl, die faschistische Privatarmee, die sie finanziert und bewaffnet hatte, gewaltsam zu zerschmettern und damit das niedergeworfene Proletariat zu entfesseln oder der Privatarmee des Faschismus die Staatsmacht zu übergeben. In dieser Situation ließ die Bourgeoisie ihre eigenen Vertreter in der Regierung und im Parlament im Stich, sie zog die Übergabe der Staatsmacht an den Faschismus vor[…]“.45
Die ArbeiterInnenklasse hatte nach dem Ersten Weltkrieg zahlreiche Niederlagen hinnehmen müssen. Es sind die Nachwehen dieser Niederlagenserie, welche die Situation der ArbeiterInnenklasse während des Faschisierungsprozesses charakterisieren. Zugleich war die Bourgeoisie zu diesem Zeitpunkt zu schwach, um ihre Interessen mittels der demokratischen politischen Institutionen durchzusetzen, aber stark genug um mit Hilfe der FaschistInnen die ArbeiterInnenklasse gewaltsam zu bekämpfen.46 Mit dem Blick auf die zahlreichen Niederlagen der ArbeiterInnenklasse kann kaum von einem Gleichgewicht der Kräfte gesprochen werden. Vielmehr handelte es sich um eine Patt-Situation, in der weder ArbeiterInnenklasse noch die herrschenden, bürgerlichen Klassen die Kraft für eine offensive Taktik hatten.

Zerschlagung der ArbeiterInnenklasse
Die These, dass der Faschismus letztendlich nur ein Instrument der Bourgeoisie war, ist weiter oben als verkürzt bzw. einseitig kritisiert worden. Dies kann jedoch auf keinen Fall bedeuten, die eindeutige Interessenskonvergenz zwischen Industriellen, UnternehmerInnen etc. und den FaschistInnen zu verneinen. Wie Alex Callinicos feststellt, trafen sich „die Interessen der Nazis […] im Ziel der Zerschlagung der organisierten Arbeiterklasse mit denen vieler führender Industrieller, Bankiers, Generäle und Großgrundbesitzer.“47 Ebenso wurden in Italien die faschistischen Milizen zur Zerschlagung der ArbeiterInnenklasse durchaus bewusst eingesetzt, bzw. ließ man sie ohne Eingriff des staatlichen Gewaltapparats walten.
So zeichnete sich die erste Phase bzw. Welle48 der faschistischen Bewegung in Italien durch Überfälle auf und Straßenkämpfe mit organisierten ArbeiterInnen aus. Einer der ersten gezielten großen Übergriffe auf die ArbeiterInnenbewegung und deren Strukturen ereignete sich in Mailand, wo die FaschistInnen ihre größte Basis hatten. 1919 griffen ca. 300 bewaffnete FaschistInnen das Büro von Avanti!, der Tageszeitung des PSI (Partito Socialista Italiano) an. Die zweite Welle fand am Land statt und stand größtenteils nicht unter der Kontrolle Mussolinis bzw. der Bewegungen in den Städten. Allerdings waren die Ereignisse in den ländlichen Regionen von Beginn an durch ihre Kooperationsform zwischen FaschistInnen und GroßgrundbesitzerInnen wegweisend: Direkt nach dem Krieg wurde das Land von Streikwellen und Fabrikbesetzungen durchzogen. Die GroßgrundbesitzerInnen sahen ihre Besitztümer zunehmend bedroht. Einerseits hatte die Regierung nach dem Krieg große Agrarreformen durchgeführt, andererseits fielen die Erntepreise rapide. Zudem begannen die LandarbeiterInnen sich zu organisieren und besetzten immer öfters Ländereien und Betriebe. In den Jahren 1920 und 1921 griffen die GroßgrundbesitzerInnen erstmal gezielt auf die vagabundierenden faschistischen Milizen zurück, um mit deren Hilfe die sich organisierenden LandarbeiterInnen niederzuschlagen. Diese Entwicklungen vollzogen sich zu Beginn unabhängig von den Parteistrukturen, die Mussolini vor allem in den Städten zu etablieren begann. Nachdem sich allerdings diese Art der Zusammenarbeit als sehr erfolgreich erwiesen hatte, begannen auch immer mehr städtische Industrielle sie zur Durchsetzung ihrer Interessen zu nutzen. Abgebildet wird dieses unheilvolle Bündnis auch in der massiven Finanzierung der faschistischen Partei durch das Kapital in den Jahren 1921-24.49 Die Attacken gegen die organisierte ArbeiterInnenklasse wurden zudem bald gesetzlich legitimiert: Sobald die faschistischen Bewegungen an die Macht kamen, wurden die sozialdemokratischen und kommunistischen Parteien und deren Vereine sowie die Gewerkschaften aufgelöst und verboten.50
Auch für Deutschland stellt der Historiker Ian Kershaw fest, dass sich strukturelle Zusammenhänge zwischen kapitalistischen Kräften und dem Aufstieg des Nationalsozialismus aufzeigen lassen: „Erstens ist klar, daß bei einflussreichen Teilen der industriellen Elite schon lange vor dem politischen Durchbruch der Nazis eine zunehmende Bereitschaft bestand, die Weimarer Republik zugunsten einer attraktiveren autoritäreren Lösung fallenzulassen, die dann als erstes durch die Unterdrückung der Arbeiterschaft die Profitabilität wieder herstellen würde“.51 Zweitens habe im industriellen Sektor, der durch die Wirtschaftskrise gespalten und von der sich verschärfenden Rezession betroffen war, die Bereitschaft zugenommen, eine Regierungsbeteiligung der Nazis zu akzeptieren. Auch wenn nicht alle Teile den Nazis wohlgesonnen waren, sollte so der politische Rahmen erhalten bleiben, in dem sich das kapitalistische System wieder erholen könne.52

Die zweifache Krise der Bourgeoisie
Nachdem eben die vertikale Ebene, also die Auseinandersetzung zwischen organisierter ArbeiterInnenklasse und Bourgeoisie behandelt wurde, soll sich der Blick nun auf die horizontale Ebene, auf die Konflikte zwischen den herrschenden Klassenfraktionen richten. Autoren wie Nicos Poulantzas53 haben darauf hingewiesen, dass am Beginn der Faschisierung eine tiefe Krise der Bourgeoisie stand, die diese auf Grund ihrer großen Heterogenität nicht bearbeiten konnte und die ihren Ausdruck u.a. in einer großen Instabilität der bürgerlichen Regierungen fand. Zwei wesentliche Faktoren sind hier relevant: zum einen die Krise der Parteienvertretung des „Blocks an der Macht“54 und zum anderen die Widersprüche innerhalb der herrschenden Klasse.
Bei der Krise der Parteienvertretung des Blocks an der Macht handelt es sich um eine „Repräsentationskrise“: „An einem bestimmen Punkt ihres geschichtlichen Lebens lösen sich die gesellschaftlichen Gruppen von ihren traditionellen Parteien, das heißt, die traditionellen Parteien in dieser Organisationsform, […] werden von ihrer Klasse oder Klassenfraktionen
nicht mehr als ihr Ausdruck anerkannt“.55 Aus der Perspektive gesellschaftlicher Stabilität ist dies „heikel und gefährlich, weil das Feld frei ist für die Gewaltlösungen, für die Aktivität obskurer Mächte“.56 In einer solchen Phase der politischen Orientierungslosigkeit der einzelnen Klassenfraktionen des Blocks an der Macht gelang es dem Faschismus, die Lücke, die entstanden war, zu füllen.57 So konnte der Bruch zwischen den herrschenden Klassenfraktionen und ihren politischen Parteien innerhalb des staatlichen Systems zeitweise überwunden werden.
Der andere Faktor der Krise des Blocks an der Macht besteht in der Art ihrer eigenen Organisation. Der Faschisierungsprozess stellt eine Situation dar, in der sich die Widersprüche innerhalb des Blocks an der Macht immer drastischer zuspitzen und die Organisation der Interessen der Herrschenden durch den Staat nicht mehr wie gewöhnlich funktioniert. Während der Faschisierung ist keine Klassenfraktion mehr in der Lage, innerhalb des Blocks an der Macht hegemonial zu werden – weder mit eigenen politisch-organisatorischen Mitteln noch über den Umweg der bürgerlich-parlamentarischen Demokratie.58 In dieser Situation ist der Block an der Macht zersplittert, was zu großen strukturellen Veränderungen in Wirtschaft und Gesellschaft führt.59

Ein effektives aber instabiles Bündnis
Diese Veränderungen werden an jenem, von Poulantzas etwas unglücklich als „Point of No Return“60 bezeichneten Zeitpunkt schlagend, an dem die faschistische Partei die Unterstützung der Klassenfraktion des Großkapitals gewinnt. Dieser Punkt war in Deutschland mit der Regierung Brüning erreicht. Hier musste zum einen die faschistische Partei dem Großkapital Zugeständnisse machen, die ihrer antikapitalistischen Rhetorik widersprachen.61 Zum anderen drang das KleinbürgerInnentum als Staatspersonal in die Staatsapparate ein und wurde über das Bündnis der Klassenfraktionen teilweise in den Block an der Macht integriert. Nach der Ernennung Hitlers zum Kanzler kam es zwischen Nazis und Großkapital zu Spannungen. Letztere wollten die NationalsozialistInnen lediglich als JuniorpartnerInnen in die Regierung holen und so die Bewegung unter Kontrolle halten.62 Jedoch konnte das Großkapital auch in diesem neuen Bündnis nicht hegemonial werden, „[d]enn allein Hitler und die riesige, wenn auch potenziell instabile, Massenbewegung, die er anführte, vermochten die Straßen zu beherrschen“.63 Als diese Massenbewegung mit wachsender Zahl und Schlagkraft Ansprüche auf die Staatsmacht erhob, musste die Bourgeoisie sich entscheiden: Entweder sie verzichtete auf die Staatsmacht oder sie verteidigte den bürgerlichen Staat gegen die FaschistInnen. Zumindest auf militärischer Ebene war letzteres weder für Deutschland noch für Italien eine rein hypothetische Möglichkeit. So war die staatliche Exekutive in Italien in den Jahren 1919–1922 quantitativ bedeutend verstärkt worden und den organisierten FaschistInnen durchaus gewachsen. Die Verteidigung des bürgerlichen Staates gegen die FaschistInnen hätte jedoch vermutlich ein Wiedererstarken der ArbeiterInnenbewegung bedeutet, was die Herrschenden keinesfalls in Kauf nehmen wollten. Anstatt sich den FaschistInnen entgegen zu stellen, unterstützte die Bourgeoisie diese deshalb häufig indirekt oder direkt, etwa durch Waffenlieferungen, bei Angriffen auf die ArbeiterInnenklasse.64 Um ihre ökonomische Macht zu erhalten, geben die bürgerlichen Parteien schließlich auch die politische Macht an die FaschistInnen ab – in der Hoffnung, diese Lösung sei eine vorübergehende. In Poulantzas Worten: Zur Stabilisierung der ökonomischen Hegemonie musste das Großkapital letztendlich die politische Macht aufgeben, wodurch es zur Ausformung der speziellen relativen Autonomie des Faschismus gegenüber der ökonomisch hegemonialen Klassenfraktion kam. Es enstand ein „effektives Bündnis“, das jedoch unglaublich heterogen und instabil war.65

„Primat der Politik“?
Die Auseinandersetzung mit dem Verhältnis zwischen den Klassen und Klassenfraktionen, mit der Funktion, den Dynamiken und Widersprüchlichkeiten des Faschismus, wirft die Frage danach auf, inwieweit die faschistische Politik von wirtschaftlichen Überlegungen geprägt wurde, oder, anders formuliert: welchen Grad der politischen Autonomie, der auf ein Primat der ideologischen und politischen Ziele über die ökonomischen Interessen hinauslief, erreichten die faschistischen Regime?66 Mit Blick auf diese Frage, die vor allem in Bezug auf den deutschen Faschismus diskutiert wird, liefert der Historiker Timothy Mason mit seiner These vom „Primat der Politik“ einen zentralen Beitrag für die marxistische Interpretation des Verhältnisses von Nationalsozialismus und den herrschenden ökonomischen Klassen. Er kritisiert sowohl die bürgerliche Interpretation des Nationalsozialismus, die das Verhältnis von Politik und Ökonomie nicht hinterfragt bzw. von einer allgemeinen Trennung der beiden Bereiche ausgeht, als auch jene Position, die von HistorikerInnen der DDR vertreten wurde, welche die Existenz eines autonomen politisch-ideologischen Bereichs verneint.67
Masons zentrales Argument ist, dass „die Innen- und Außenpolitik der nationalsozialistischen Staatsführung ab 1936 in zunehmendem Maße von der Bestimmung durch die ökonomisch herrschenden Klassen unabhängig wurde, ihren Interessen sogar in wesentlichen Punkten zuwiderlief“.68 Schwerwiegende Strukturveränderungen in Wirtschaft und Gesellschaft hätten die Verselbstständigung des nationalsozialistischen Staatsapparats, das „Primat der Politik“, ermöglicht. Zur Erläuterung seiner These zählt Mason eine Reihe verschiedener Aspekte auf: die weitgehende Ausschaltung von VertreterInnen der Industrie an direkten Entscheidungsprozessen, die wirtschaftliche Rolle des Staates als Auftraggeber oder auch den schwindenden Einfluss wirtschaftlicher Interessensverbände auf die staatliche Politik.69
Zu Recht kritisieren sowohl Kershaw als auch Callinicos70, dass die analytische Trennung von wirtschaftlichen und politischen Interessen einer zu starke Vereinfachung der kompexen strukturellen Wechselwirkung zwischen den beiden Bereichen gleichkommt, die erneut von einer kruden Dichotomie von Politik und Wirtschaft, Staat und Gesellschaft ausgeht.71 „Zweifellos bestand das durch Aufrüstungs- und Expansionsprogramm zementierte Bündnis zwischen Naziführung und dem militärisch-industriellen Komplex bis in die Endphase des Dritten Reiches hinein, und beide Seiten sahen sich dabei immer stärker an die Logik der von ihnen in Gang gesetzten Entwicklungen gebunden. Dennoch könnte man sagen, daß sich das Gewicht innerhalb dieses ,Bündnisses‘ langsam, aber unaufhaltsam zugunsten der Naziführung verschob […].“72 Anders formuliert bot der ideologische Wahnsinn der Nazis den Rahmen, in dem wirtschaftliche Interessen zum Zug kamen.

Erklärbarkeit des Unerklärbaren?
Ebenfalls zu Recht wird der Ansatz des „Primats der Politik“ meist dann ins Feld geführt, wenn die Frage nach der unvorstellbaren Vernichtungslogik und dem Holocaust im Raum steht.73 So hebt Callinicos, der von einer „konfliktgeladenen Partnerschaft“ zwischen Nationalsozialismus und dem deutschen Kapital ausgeht74, hervor: „Mason gebührt das bedeutende Verdienst, jedem vulgärmarxistischen Versuch, den Holocaust und andere Naziverbrechen auf die wirtschaftlichen Bedürfnisse des deutschen Kapitals zu beschränken, den Weg zu versperren.“75 Callinicos selbst versucht mit Hilfe einer nicht-reduktionistischen marxistischen Analyse zur Erklärung der Dynamiken beizutragen, die zum Holocaust geführt haben. Er bezeichnet die Entwicklungen ab 1937/1938 – mit Mommsen und Broszat argumentierend – als eine „kumulative Radikalisierungsspirale“, wobei dieser Begriff auf die Vielschichtigkeit der Entwicklungen verweist und monokausale Erklärungsmuster ausschließt.76 In Opposition zu personalisierenden Ansätzen argumentiert er gegen die Auffassung, die Vernichtung der Juden entstand auf Grund durchdachter Pläne Hitlers.77 Stattdessen müsse, so argumentiert auch Kershaw, „im Dritten Reich die Erklärung im eigentümlich aufgesplitterten Entscheidungsprozeß gesucht werden, der zu improvisierten bürokratischen Initiativen mit ihrer immanenten Eigendynamik geführt und einen dynamischen kumulativen Radikalisierungsprozess gefördert“ habe.78 Callinicos verweist darauf, dass der Massenmord an den JüdInnen nicht die einzige Option darstellte, die von nationalsozialistischen EntscheidungsträgerInnen diskutiert wurde („Madagaskarplan“), und argumentiert, dass der Überfall auf die Sowjetunion den Rahmen geschaffen hätte, in dem es zur „Endlösung“ kam. Erst im Zuge dieses Vernichtungsfeldzuges fanden jene Verbrechen wie die Massenerschießungen von Juden statt, die im Allgemeinen als Anfang des Holocausts bezeichnet werden. Außerdem müsse, wie erwähnt, als Grundlage jeder Interpretation des Nationalsozialismus nicht Hitlers persönliche Rolle, sondern die Spezifika des Nationalsozialismus als besondere Art der Massenbewegung herangezogen werden.79 Schließlich war die aktive und passive ideologische Zustimmung großer Teile der Bevölkerung bis hin zur aktiven Beteiligung am Massenmord ein wesentlicher Faktor, eine grundlegende Dimension der Vielschichtigkeit des Radikalisierungsprozesses. Wesentlich für diese Entwicklungen, so Callinicos, sei die – häufig nur indirekte – Rolle, die der biologische Rassismus spielte, indem er den Bezugsrahmen der Debatte und die Grundlage zur Begründung von Entscheidungen bildete.80 „Der Vorrang der Naziideologie bei der Entwicklung zum Holocaust ist entscheidend, um zu begreifen, dass die Vernichtung der Juden nicht in ökonomischen Begriffen erklärt werden kann. Antisemitismus war […] erforderlich, um die Juden in das objektgewordene Andere zu verwandeln, gegen das die tödliche Ideologie berechtigt ausgelebt werden konnte“.81 Anstatt jedoch Rassismus und Antisemitismus als „brutales Faktum“ zu behandeln, das selbst keiner Erklärung bedürfe, plädiert Callinicos für einen Versuch, die Gründe für die bedeutende Rolle von Rassismus und Antisemitismus für den Nationalsozialismus zu analysieren.

„Kumulative Radikalisierungsspirale“
Dafür müsse der Holocaust in Verbindung mit weiteren Entwicklungen des nationalsozialistischen Regimes begriffenwerden. Der wichtigste Beitrag hierzu wurde laut Callinicos von Martin Broszat geleistet, der die Radikalisierung des Regimes mit dem Scheitern der Nazis verband, die deutsche Gesellschaft zu erneuern. „Die mehr oder weniger korporatistischen Ideale des Nationalsozialismus, die Verfolgung einer umfassenden neuen Ordnung für die Agrarwirtschaft, […] die Ideen zur Reformierung des Reiches […], des Staatsdienstes und der Rechtspflege – nichts davon konnte erreicht werden. […] Je weniger jedoch die Aussicht bestand, das ideologische Dogma des Nationalsozialismus den Aufgaben einer konstruktiven Reorganisation anzupassen, desto ausschließlicher konzentrierte sich diese ideologische Politik auf die negativen Aspekte und Ziele […]. Da jedoch die praktische (im Gegensatz zur propagandistischen) Aktivität der ideologischen Bewegung fast ausschließlich auf negative Ziele gerichtet war, lag die einzig vorstellbare weitere Entwicklung in einer ständigen Intensivierung der Maßnahmen gegen die Juden, die ,Geisteskranken‘ und ,asozialen Elemente‘.“82
Während der Faschismus seine AnhängerInnen zur Unterstützung dieses konterrevolutionären Projekts mobilisierte, versprach er eine vermeintlich revolutionäre Version einer Volksgemeinschaft bzw. eine rassische Utopie, aus der Klassenkonflikt und „fremde Rassen“ (beides der nationalsozialistische Ideologie zufolge in der Figur des/der Juden/Jüdin vereint) verbannt sein würden.83 Als dem Naziradikalismus bei Hitlers Machtantritt die Erfüllung in Form einer echten Neugestaltung der Gesellschaft misslang, „wurde er auf die jüdische Frage verlagert. Die Energien der Bewegung konnten sich schadlos auf die „negativen Aspekte“, wie Broszat es nennt, der nationalsozialistischen Ideologie richten – den Drang, das Andere auszurotten“.84 Die „kumulative Radikalisierung“ des Naziregimes war somit weder eine bloße Folge der eigenen inneren Zerrissenheit, noch eine die lediglich aus Hitlers persönlichem Einfluss resultierte. „Sie spiegelte die strukturelle Unfähigkeit des Nationalsozialismus, ,bis ans Ende zu gehen‘ – die sozialen Widersprüche aufzuheben, auf die er eine Reaktion war und die er Heilung versprochen hatte“.85
“Dass [zwar] einfach keine Erklärung der Vernichtung der Juden wirklich befriedigend sein kann, nicht weil die Erklärung notwendigerweise falsch sein muss, sondern wegen der Ungeheuerlichkeit des Ereignisses, das begreifbar gemacht werden soll“86, ist die eine Seite. Der Versuch, den Holocaust sowie den Nationalsozialismus zu verstehen, um für die Parole der antifaschistischen Bewegung „NIE WIEDER“ zu kämpfen, die andere.

Tobias Boos studiert Internationale Entwicklung und Politikwissenschaft in Wien und ist aktiv bei Perspektiven.

Veronika Duma studiert Geschichte in Wien und ist aktiv bei Perspektiven.

Hanna Lichtenberger studiert Politikwissenschaft in Wien.

Anmerkungen
1 vgl. z.B. Stanley Paynes Idealtypen, beschrieben in: Renton, Dave: Fascism:
theory and pratice, London 1999, S. 19–29
2 vgl. Renton 1999, a.a.O., S. 3
3 vgl. Kershaw, Ian: Der NS-Staat. Geschichtsinterpretationen und Kontroversen
im Überblick, Hamburg 1994, S. 392
4 vgl. Renton 1999, a.a.O., S. 55
5 vgl. ebd., S. 3
6 vgl. ebd., S. 60
7 vgl. Perspektiven Nr. 6 (2008): Sowjetmacht vs. Parteidiktatur, S. 48-57
8 vgl. Wippermann, Wolfgang: Faschismustheorien. Die Entwicklung der Diskussion von den Anfängen bis heute, Darmstadt 1997 S. 17
9 vgl. Renton 1999, a.a.O., S. 3f.
10 vgl. ebd., S. 57
11 Im Jahre 1935 wurde die Sozialfaschismusthese in der KI verworfen und der Faschismus nun offiziell als „offene terroristische Diktatur der reaktionärsten, chauvinistischsten und imperialistischsten Elemente des Finanzkapitals“ bezeichnet. Die Basis des Faschismus auf diesem Wege auf ein Minimum
verkleinert, erweiterte die Schichten potentieller antifaschistischer Kräfte. In Zusammenhang mit dieser neuen Einschätzung wurde ab 1935 von der KI offiziell die Volksfrontstrategie vertreten, die auf ein Bündnis mit allen verfügbaren bürgerlichen Kräften abzielte, eine revolutionäre Umgestaltung der Verhältnisse jedoch verwarf (vgl. Renton 1999, a.a.O, S. 78).
12 Die von Trotzki explizit formulierte, aber auch von Clara Zetkin und anderen vertretene Taktik der Einheitsfront, in der sich die gesamten Kräfte der ArbeiterInnenklasse – v.a. die kommunistischen und sozialdemokratischen Parteien – trotz Differenzen vereinen und gegen den Faschismus
kämpfen sollten, ist nach wie vor als Vorbild zu nehmen, wurde aber in der Praxis nur informell – also ohne offizielle Einigung der große linken Parteien – und auf lokaler Ebene verwirklicht.
13 vgl. Renton 1999, a.a.O., S. 6
14 vgl. ebd., S. 58
15 vgl. Wippermann 1997, a.a.O., S. 14
16 vgl. Renton 1999, a.a.O., S. 58
17 Zetkin, Clara: Der Kampf gegen den Faschismus. Bericht aus dem erweiterten Plenum des Exekutivkomitees der Kommunistischen Internationale, Hamburg 1923, unter: http://www.marxists.org/deutsch/archiv/zetkin/1923/06/faschism.htm
18 Zetkin 1923, a.a.O.
19 Renton 1999, a.a.O., S. 58
20 Trotzki, Leo: Porträt des Nationalsozialismus, 1933, unter: http://www.marxists.org/deutsch/archiv/trotzki/1933/06/natsoz.htm
21 Trotzki 1933, a.a.O.
22 vgl. Renton 1999, a.a.O., S. 75
23 vgl. Bauer, Otto: Der Faschismus, in: Ders.: Zwischen Zwei Weltkriegen? Die Krise der Weltwirtschaft, der Demokratie und des Sozialismus, Bratislava 1936, unter: http://www.marxists.org/deutsch/archiv/bauer/1936/zwischen/faschismus.html
24 vgl. Renton 1999, a.a.O., S. 30
25 Da es natürlich auch Faschistinnen gab, verwenden wir die gendersensible Schreibweise, allerdings möchten wir darauf hinweisen, dass gerade die aktivistischen Kerne der faschistischen Organisationen männlich dominiert
waren (s. auch Fußnote 28)
26 Behan, Tom: The Resistible Rise of Benito Mussolini, London 2003, S. 39
27 vgl. Renton 1999, a.a.O., S. 37
28 Neben starken regionalen und konfessionellen Unterschieden ist v.a. auf die geschlechterspezifischen Unterschiede hinzuweisen. Die NSDAP war eine vorwiegend männliche dominierte Organisation (vgl. Kater, Michael H.: Zur Soziographie der frühen NSDAP, in: Vierteljahreshefte für Zeitgeschichte, 19 (1971), S. 124–160).
29 Zetkin 1923, a.a.O.
30 Zur genaueren Diskussion der Mittelstandsthese und weiterführender Literatur vgl. Wipperman 1989, a.a.O., S. 71–76. Allerdings legt Wippermann unserer Einschätzung nach keine schlüssige Argumentation für
seine Interpretation der Daten vor. Sein Argument, dass die Partei nicht ausschließlich aus Personen des Mittelstandes bestand, bedeutet nicht, dass diese nicht doch zu einem gewissen Zeitpunkt dominant gewesen sein können, wie er schlussfolgert. Zu genaueren (mittelständischen) Motiven vgl. Broszat, Martin: Die Struktur der NS-Massenbewegung, in: Vierteljahreshefte für Zeitgeschichte, 31 (1983), S. 52–77
31 vgl. Revolutionär Sozialistische Organisation (RSO): „Antikapitalismus“ von Rechts. Von SA bis NPD: Geschichte, Politik, Theorie und Elend des „nationalen Sozialismus“, Wien 2007
32 vgl. Wippermann 1997, a.a.O., S. 72f.
33 vgl. ebd., S. 74
34 Broszat 1983, a.a.O., S. 69
35 vgl. Renton 1999, a.a.O., S. 32
36 RSO 2007, a.a.O.
37 Callinicos, Alex: Ausloten der Abgründe. Marxismus und der Holocaust, in: sozial.geschichte.extra (2006), S. 15, unter: http://www.stiftungsozialgeschichte.de/ZeitschriftOnline/pdfs/10.01.07.pdf
38 Niedersächsischer Beobachter 1932, zit. n. Broszat 1983, a.a.O., S. 70
39 vgl. Renton 1999, a.a.O., S. 33
40 vgl. ebd., S. 33
41 Zetkin, a.a.O., S. 19
42 Marx, Karl/Engels, Friedrich: Der Bürgerkrieg in Frankreich, MEW 17, Berlin 1962, S. 338
43 Trotzki, Leo: Wie wird der Nationalsozialismus geschlagen? Brief an einen deutschen Arbeiter-Kommunisten, Mitglied der KPD, 1931, unter: http://www.marxists.org/deutsch/archiv/trotzki/1931/12/schlagen.htm
44 Trotzki 1931, a.a.O.
45 Bauer 1936, a.a.O.
46 vgl. Bauer 1936, a.a.O.
47 Callinicos 2006, a.a.O., S.13f.
48 Wir folgen in unserer Beschreibung weitestgehend den Ausführungen Behans, der den Aufstieg des Faschismus in den Jahren 1919 bis 1922 in drei Wellen einteilt (vgl. Behan 2003, a.a.O., S. 39–53).
49 Die faschistische Partei wurde in den Jahren 1921–1924 zu 64% von Industriellen und Geschäftsleuten finanziert. Die restlichen Beiträge entfielen zu 25% auf Einzelpersonen und zu 10% auf Banken und Versicherungen
(vgl. De Felice 1966, zit. n. Behan 2003, a.a.O., S. 41).
50 vgl. Renton 1999, a.a.O., S. 37
51 Kershaw, Ian: Der NS-Staat. Geschichtsinterpretationen und Kontroversen im Überblick, Hamburg 1994, S. 81
52 vgl. ebd., S. 81
53 Die empirische Genauigkeit einzelner Ausführungen Poulantzas ist von verschiedenen AutorInnen bemängelt worden. Auch wenn diese Kritik zutrifft, halten wir die Begrifflichkeiten und Unterteilungen, die Poulantzas
macht, auf der Ebene der Theoretisierung für hilfreich (vgl. Caplan, Jane: Theories of Fascism: Nicos Poulantzas as Historian, in: History Workshop. A Journal of Socialist Historians, 3 (1977), S. 83–100).
54 Auch unter anderen Kräfteverhältnissen „organisiert [der Staat] das langfristige Interesse des Blockes an der Macht“ (Poulantzas, Nicos: Staatstheorie. Polititischer Überbau, Ideologie, autoritärer Etatismus, Hamburg 2002, S. 157), der sich aus den verschiedenen Fraktionen der bürgerlichen
und somit der herrschenden Klasse zusammensetzt, die „Bourgeoisie ist in Klassenfraktionen gespalten“ (ebd., S. 158). Die Funktion, die der Faschismus für den Block an der Macht ausübt, ist die ganz bestimmte Reorganisation des Blocks an der Macht.
55 Gramsci, Antonio: Gefängnishefte, Hamburg 1991ff., S. 1578
56 ebd., S. 1578
57 vgl. Poulantzas, Nicos: Faschismus und Diktatur. Die Kommunistische Internationale und der Faschismus, München 1973, S. 74
58 vgl. ebd., S. 72
59 vgl. Mason, Tim: Der Primat der Politik. Politik und Wirtschaft im Nationalsozialismus, in: Das Argument 41 (1966), S. 473–494
60 „Point of No Return“ bedeutet keinen Automatismus zum Holocaust und negiert auch Widerstand nicht, vielmehr geht es um die Konstituierung des Blocks an der Macht.
61 Mit der Regierung Brüning gingen 1931 die Kündigungen von 295 000 ArbeiterInnen im Ruhrgebiet einher, später wurden sie unter schlechteren Bedingungen und zu niedrigeren Löhnen wieder eingestellt. Ebenfalls am
15. Jänner 1931 kommt es zu einer fünfprozentigen Lohnkürzung beim Staatspersonal (vgl. Chronik der deutschen Sozialdemokratie: Daten, Fakten, Hintergründe 1, S. 351). Bereits 1929 kam es zur Monopolisierung der Banken durch die Fusion der Disconto-Gesellschaft, der Deutschen Bank und einigen mittelgroßen anderen Banken zur DiDe-Gesellschaft (vgl.

http://www.bankgeschichte.de/index_03_03.html).

62 vgl. Callinicos 2006, a.a.O., S.17
63 Kershaw, Ian: Hitler 1889-1936, New York 2000, zit. n. Callinicos 2006, a.a.O., S. 17
64 vgl. Behan 2003, a.a.O., S. 46f.
65 Poulantzas 1973, a.a.O., S. 89
66 vgl. ebd., S. 82.
67 vgl. ebd., S. 83.
68 Mason 1966, a.a.O., S. 474
69 vgl. Kershaw 2006, a.a.O., S. 84
70 vgl. Callinicos 2006, a.a.O., S. 19
71 vgl. Kershaw 2006, a.a.O., S. 93
72 ebd., S. 95
73 Für einen Überblick über unterschiedliche Erklärungsversuche, vgl. Kershaw 2006, a.a.O., S. 106. Die Ansätze reichen hierbei von Personalisierungen, wie etwa bei Dawidowicz oder Toland, bis hin zur Argumentation
der Unerklärbarkeit, vgl. Kershaw 2006, a.a.O., S. 152f
74 Callinicos 2006, a.a.O., S. 16
75 ebd., S. 18
76 Ein wesentliches Merkmal der „Radikalisierung des Regimes“ hätte in der Entwicklung des Staates zur unabhängigen Quelle wirtschaftlicher Macht bestanden. Die nationalsozialistische Führung errichtet sich eigene
konkurrenzfähige ökonomische Staatsapparate wie etwa die Reichswerke (z.B. Göring-Werke in Linz, heute VÖEST) unter der Leitung von Reichsmarschall Göring. Außerdem wurden durch die territoriale Ausdehnung im Osten weitere Produktionsanlagen verfügbar gemacht, welche die nationalsozialistischen ökonomischen Staatsapparate gemeinsam mit den Vorgaben für die Privatwirtschaft konkurrenzfähig gemacht haben (vgl. Callinicos 2006, a.a.O., S. 19).
77 vgl. Kershaw 2006, a.a.O., S. 156
78 ebd., S. 156
79 vgl. Callinicos 2006, a.a.O., S. 30
80 vgl. ebd., S. 25
81 ebd., S. 26
82 Broszat 1969, a.a.O., zit. n. Callinicos 2006, a.a.O., S. 28
83 vgl. Callinicos 2006, a.a.O., S. 30
84 ebd., S. 30
85 ebd., S. 31
86 ebd., S. 32





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