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Zionismus als Sackgasse
von Benjamin Opratko

Rezension: John Rose: Mythen des Zionismus. Stolpersteine auf dem Weg zum Frieden, Zürich: Rotpunkt Verlag 2006, 24,70 €

Was ist Zionismus? Der britische Autor John Rose, Soziologe am Southwark College und der London Metropolitan University, nähert sich dieser Frage aus kritischer Perspektive und zeigt, dass der Erfolg des zionistischen Projekts – die Errichtung und Verteidigung eines exklusiv-jüdischen Nationalstaates in Palästina – maßgeblich damit zusammenhängt, dass der Zionismus seine eigene Geschichte geschrieben hat. Es ist ein bestimmtes, mehr als zweitausend Jahre abdeckendes historisches Narrativ, gepaart mit zur Selbstverständlichkeit erhobenen politischen Überzeugungen, das den Zionismus zusammenhält. Die tragenden Säulen dieses Narrativs entlarvt Rose in diesem nun auch auf deutsch vorliegendem Buch als Mythen, „weit verbreitete aber falsche Vorstellungen“. Schritt für Schritt, Kapitel für Kapitel werden die wichtigsten „Mythen des Zionismus“ vorgestellt und dekonstruiert: vom angeblich biblisch gesicherten Anrecht der Juden und Jüdinnen auf palästinensisches Land („Die Bibel ist unser Mandat“ ) über die Legende vom „unbesiedelten Palästina“ („Ein Land ohne Volk für ein Volk ohne Land!“ ) bis zum Mythos des israelischen „Davids“, der sich gegen einen übermächtigen arabischen „Goliath“ zu Wehr setzen müsse.

Ergänzt wird die Dekonstruktion historischer Mythen durch einen Einblick in eine andere, aus dem zionistischen Kanon ausgeblendete jüdische Geschichte: Die Geschichte jener historischer Phasen, in denen das Zusammenleben von Menschen jüdischer und arabischer Herkunft von politisch-ökonomischer Kooperation und kultureller Symbiose geprägt waren. Dem gefährlichen Argument einer „natürlichen“ Feindschaft von Judentum und Islam, einem ewigen „Kampf der Kulturen“ wird so der Wind aus den Segeln genommen.

Das Buch berührt hochsensible Fragen, etwa nach der Rolle des Holocaust in der Legitimationsstrategie zur Gründung Israels oder den Zusammenhängen von US-amerikanischer und israelischer Machtpolitik. Es ist Rose hoch anzurechnen, dass er gerade hier sauber argumentiert und keine Klischees bemüht werden, die aus einer politischen Kritik des Zionismus antisemitische Propaganda machen könnte. „Mythen des Zionismus“ ist vielmehr Teil einer Reihe jüdischer Publikationen, die seit den 1990ern Israel und seine Staatsideologie hinterfragen: Wissenschafter wie Ilan Pappe, Avi Shlaim oder Baruch Kimmerling etwa haben eine historische, soziologische und politische Debatte in Israel angestoßen, der das Label „Post-Zionismus“ umgehängt wurde und in der das Vermächtnis des Zionismus als Hindernis für einen gerechten Frieden im Nahen Osten identifiziert wird. John Rose vertieft dieses Argument und portraitiert prägnant das politische Projekt des Zionismus als historische Sackgasse.





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